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Trotz Protest kommt der Abriss. Die Zeit des Staudenhofs läuft ab

© Ottmar Winter

Beschluss der Stadtverordneten: Das Ende des Staudenhofs ist besiegelt

Die Stadtverordnete haben mehrheitlich für einen Neubau in der Potsdamer Mitte gestimmt. Der Abriss des Staudenhofs könnte im März 2023 beginnen. Kommt dagegen noch ein Bürgerbegehren?

Potsdam - Es handelt sich um das Ende einer jahrelangen Debatte in der Potsdamer Kommunalpolitik: Die Stadtverordneten haben für den Abriss des Staudenhofs am Alten Markt votiert. Dafür stimmten am Mittwoch CDU, Grüne, SPD, Bürgerbündnis, FDP und AfD, dagegen die Linke und die Fraktion Die Andere sowie die Einzelstadtverordneten Andreas Menzel (Freie Wähler) und Bettina Franke (Die Partei). Schließlich gab es 30 Ja- und 17-Nein-Stimmen.

Ende 2029 könnte der Neubau stehen

Demnach soll der Abriss im März 2023 beginnen, Ende 2029 soll der Neubau stehen – und zwar auf Grundlage des Leitbautenkonzepts für die Potsdamer Mitte, das den Wiederaufbau rund um den 1945 zerstörten Alten Markt im historischen Grundriss vorsieht. Dieses viele Jahre umstrittene Langzeitprojekt würde mit dem Neubau anstelle des Staudenhofs vollendet. Allerdings gibt es laut der kommunalen Bauholding Pro Potsdam auch wirtschaftliche und soziale Gründe für das Vorhaben: So könne man für einen Neubau Fördergelder bekommen, um Sozialwohnungen langfristig zu sichern. In einem Neubau werde zudem deutlich mehr Wohnfläche zur Verfügung stehen und die Grundrisse könnten flexibler vergeben werden – bei einer Sanierung sei das nicht so einfach möglich, zudem müsse man ein zweites Treppenhaus für den Brandschutz einziehen. Die Fördermittel sorgen auch dafür, dass der geschätzt 39 Millionen Euro teure Abriss und Neubau unter dem Strich für die Pro Potsdam billiger wäre als eine Sanierung für 18 Millionen Euro. Zudem soll Gewerbe im Erdgeschoss des Neubaus zur Belebung des Areals beitragen. Baudezernent Bernd Rubelt (parteilos) hatte von „einer Qualitätsentscheidung für viele Jahre“ gesprochen.

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Derzeit wohnen in den 182 vergleichsweise kleinen Wohnungen noch 66 Mieter mit unbefristeten Verträgen, die auch bei einer Sanierung vorübergehend ausziehen müssten. Alle anderen Mietverträge sind ohnehin nur bis Ende 2022 befristet. Zudem würde laut Pro Potsdam auch eine Sanierung des Hauses zu wesentlich höheren Mieten als ein Neubau führen. Von bis zu 13 Euro war bereits die Rede.

Vor der Sitzung der Stadtverordneten demonstrierten Gegner des Abrisses
Vor der Sitzung der Stadtverordneten demonstrierten Gegner des Abrisses

© Ottmar Winter

Die Debatte vor dem Beschluss verlief kontrovers. Zunächst gab es Rederechte für Kritiker – etwa Otto Richter, einen Klimaschützer von Fridays for Future. Dieser erklärte, die ökologischen Folgen des Abrisses seien weitreichend. Das Vorhaben sei auch nur für die Stadt Potsdam wirtschaftlich – das würde aber ohne Steuergelder nicht funktionieren. „Man verwandelt die Stadt in ein Museum“, sagte Richter. Potsdams Stadtentwicklung fahre so gegen die Wand, diese sei nicht nachhaltig. Der Abriss des Staudenhofs werde keine Probleme lösen. Philipp Jamme, der Vizechef des Bunds Deutscher Architekten in Brandenburg, erklärte wiederum, der Staudenhof müsse nicht zwingend abgerissen werden. Ein Erhalt würde auch das Leitbautenkonzept zur Wiedergewinnung der Mitte nicht torpedieren. Der DDR-Block sei als Zeugnis der Stadtgeschichte durchaus erhaltenswert, er habe seine Qualitäten, sagt Jamme. Die Weiterentwicklung des Gebäudes wäre mit einer Sanierung möglich. Auch würde ein Abriss den klimapolitischen Zielen der Stadt widersprechen.

Grünen-Fraktionschefin Saskia Hüneke verteidigte den Abrissbeschluss. In der Sanierungsvariante entstünden deutlich teurere Mikroappartments als in der Neubauvariante. Es werde Sozialwohnraum in Größenordnungen geschaffen, noch dazu in der Innenstadt. Man werde sich auch für eine möglichst ökologische Bauweise einsetzen, so Hüneke.

Der Linken-Stadtverordnete Hans-Jürgen Scharfenberg forderte dagegen einmal mehr eine repräsentative Bürgerbefragung zu dem Thema – vor einem Beschluss. Das sei für Potsdam eigentlich eine Selbstverständlichkeit, sagte er. Scharfenbergs Idee war schon mehrfach an der Mehrheit der Stadtverordneten gescheitert – auch diesmal war das so.

Anja Heigl von der Fraktion Die Andere sprach von einer Verschwendung von Ressourcen, die mit dem Abriss einhergehe. Durch die Mehrkosten eines Neubaus von 21 Millionen Euro würden nur rund 2000 Quadratmeter extra für Wohnungen entstehen. Heigl erklärte auch, es würde überlegt, ob gegen den Abriss ein weiteres Bürgerbegehren initiiert werde. Vor der Sitzung hatten auch linke Gruppen gegen den Abriss demonstriert.

Von früher. So sah es am Staudenhof vor dem FH-Abriss aus
Von früher. So sah es am Staudenhof vor dem FH-Abriss aus

© Andreas Klaer

Babette Reimers (SPD) sprach vom Stil des Brutalismus beim Staudenhof. Und: Der Beton des Bauwerks könne doch wiederverwendet werden. Wieland Niekisch (CDU) sagte, man werde für den Abriss stimmen – statt für ein „krampfhaftes Sanieren“. Vertretern der Fraktion Die Andere warf Niekisch vor, diese würden Äpfel mit Birnen vergleichen und Milchmädchenrechnungen aufstellen. Andreas Menzel (Freie Wähler) erklärte, für ihn seien noch viele Fragen offen – wie hoch etwa die Abrisskosten seien. Zudem seien die Kosten für Baustoffe enorm gestiegen, erinnerte Menzel – was auch den Neubau anstelle des Staudenhofs betreffen dürfte.

Ein Bau aus DDR-Zeiten

Der Staudenhof-Wohnblock ist der Rest eines Ensembles aus ehemaliger Fachhochschule und der sanierten Stadt- und Landesbibliothek, er war nebst einer Grünanlage in den 1970'er Jahren errichtet worden. Der Grünstrang selbst musste bereits im Zuge des Abrisses der Fachhochschule weichen. Teilweise ist das Areal auch unterkellert, was auch zu einem Höhenunterschied mit der heutigen Umgebung führt. Auch das ist eines der Hauptargumente der Abriss-Befürworter, dass eben nicht nur die Kubatur des Gebäudes der Wiedergewinnung der Potsdamer Mitte im Wege steht. Über Jahre war gleichwohl über den Abriss des Wohnblocks mit seinem Galerie-Café im Parterre gestritten worden. Das Kommunalparlament hatte die kommunale Bauholding Pro Potsdam Ende 2012 dazu verpflichtet, den Staudenhof nach einer Gnadenfrist von zehn Jahren abzureißen, wenn das wirtschaftlich darstellbar wäre. Gegner argumentieren, mit dem Abriss werde auch ein weiteres Stück DDR-Architekturgeschichte vernichtet. In einem später vor Gericht gescheiterten Bürgerbegehren hatten 2016 rund 15 000 Potsdamer für einen Erhalt von Staudenhof, Fachhochschule und Hotel Mercure unterzeichnet.

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