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Anneke Pelzer an ihrem Arbeitsplatz bei den PNN.

© Ottmar Winter

Berufserfahrung in der Corona-Pandemie: Praktikum mit Maske, online - oder gar nicht

Kurzfristige Absagen, erfolglose Bewerbungen: Auch Schülerpraktikanten leiden unter der Coronakrise. Doch manche Firmen haben bereits Konzepte entwickelt. 

Potsdam - Die Neuntklässlerin Emilia Marie war resigniert, als sie erfuhr, dass ihr vor gut 9 Monaten zugesagtes Praktikum nun doch abgesagt wurde - und das fünf Tage vor Praktikumsbeginn. „Ich wollte mein Praktikum bei einer Grundschule machen, der Schwerpunkt sollte auf der Sozialarbeit liegen“, sagt die Potsdamerin, die ihren vollen Namen wie die anderen Schüler nicht in der Zeitung lesen möchte. Der Grund für die Absage: Corona. An ihrer Schule war ein Verdachtsfall aufgetreten. 

Ähnlich ging es der 14-jährigen Tabea, auch sie steht ohne Praktikum da. „Ich habe mich bei allen Radiosendern hier in der Region beworben. Einmal habe ich sogar eine Zusage bekommen, aber ein paar Tage später wurde es wegen Corona doch wieder abgesagt.“

Problem schon seit dem ersten Lockdown

Wolfgang Spieß, Geschäftsführer des Bereichs Bildung bei der Industrie- und Handelskammer Potsdam (IHK) wundert das nicht. „Wir kennen dieses Problem schon seit dem ersten Lockdown, bei dem viele Schülerpraktika abgesagt werden mussten, sei es wegen Geschäftsaufgaben, Hygienevorschriften oder ähnlichem.“ Zudem arbeiten viele Arbeitnehmer im Home-Office, was die Betreuung von Praktikanten erschwert. Die Unternehmen können bei dem Finden von Lösungen Hilfe von der IHK in Anspruch nehmen. Die Lage unterscheide sich von Branche zu Branche. Im Bereich der Gastronomie und Hotellerie sei es deutlich schwerer als im Großhandel, ein Schülerbetriebspraktikum unter Einhaltung der Vorschriften durchzuführen, so Spieß weiter. Online-Praktika seien zwar im Moment eine gute Lösung, dauerhaft unterstütze er aber ein Hybrid-Modell. Eine Kombination aus Präsenz- und Onlinepraktikum, um auch den Arbeitsalltag kennenlernen zu können.

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Laut einer Landesvorschrift müssen Schüler, die aus wichtigen Gründen kein Praktikum machen können, in einer anderen Klasse unterrichtet werden. Das kommt zurzeit häufiger vor als sonst, denn zu den „wichtigen pädagogischen Gründen“ zählten auch „Corona-bedingte Absagen von Schülerbetriebspraktika“, wie das auf Anfrage Bildungsministerium mitteilte. Wegen der Corona-Pandemie würden nicht alle Schülerinnen und Schüler einen Praktikumsplatz finden, der ihren Interessen entspreche und auch bereits vereinbarte Praktika könnten auf Grund von Corona wieder abgesagt werden, heißt es aus dem Ministerium.

Praktika können verkürzt werden

In Potsdam gibt es laut dem Schulamt 1953 Neuntklässler, die theoretisch alle ein Praktikum absolvieren sollten. Wie viele ohne Platz bleiben, wird nicht erfasst. Auch für die jetzigen Achtklässler ist sie Situation schwierig, suchen sie doch einen Praktikumsplatz fürs nächste Schuljahr, in dem die Lage noch ungewiss ist.

Nordrhein-Westfalen hat für das Schuljahr 2020/2021 die Möglichkeit geschaffen, die Praktika zu verkürzen oder zu verschieben, um mehr Plätze zu schaffen. Auch in Brandenburg gibt es die Möglichkeit, die Praktika auf eine Woche zu kürzen. Die Schulen können sogar die Entscheidung treffen, die Praktika ganz abzusagen.

Beim Goldschmied hat es geklappt

Doch es gibt auch Fälle, in denen das Praktikum fast normal durchgeführt werden kann. Maike geht ebenfalls in die neunte Klasse, ihr Praktikum absolviert sie in einer Goldschmiede. Sie kann in der Werkstatt helfen, zwei eigene Ringe fertigen und übernimmt andere kleinere Aufgaben. „Eigentlich ist alles wie geplant, nur das Kellnern fällt jetzt weg,“ sagt sie, denn an die Goldschmiede ist ein Cafe angegliedert, das nun geschlossen ist.

Und selbst aus der gebeutelten Kulturbranche gibt es Positives zu berichten. So soll das Praktikum einer Neuntklässlerin des Einstein-Gymnasiums im Friedrichsstadtpalast wie geplant stattfinden. „Es wäre ziemlich doof, wenn ich morgen noch eine Absage kriegen würde“, sagt sie. 

60 bis 90 Minuten über Skype

Manche Firmen gehen auch neue Wege, um trotz Pandemie Praktikanten empfangen zu können. Andrea Vock, Konzept- und Marketingberaterin, führt die Schülerbetriebspraktika in ihrer Babelsberger Markenagentur online durch. Auch in der Coronazeit will sie Schülern die Möglichkeit geben, hinter die Kulissen zu schauen. Dreimal pro Woche telefonieren die Praktikanten - bis jetzt zwei nach dem neuen System - 60 bis 90 Minuten über Skype mit ihr. In den Gesprächen werden neue Dinge erklärt, die im Anschluss in praktischen Aufgaben geübt werden. Die Schüler legen Präsentationen, kleine Designs oder Werbekampagnen an. Das funktioniere so gut, dass sie diese Art von Praktikum jederzeit wieder durchführen würde. „Wir können auch als Unternehmen zukünftig nicht nur einen Praktikanten nehmen, sondern auch ganz viele,“ sagt Vock. Denn es würden Arbeitsplätze und Vorbereitungszeit gespart. 

Einen anderen Weg hat die Bär & Ollenroth KG gewählt, um auch in der Pandemie um Nachwuchs zu werben. Der Fachgroßhandel für Haustechnik und Industriebedarf mit Sitz in Babelsberg setzt auf Masken, Abstand und Plexiglas. Für die Praktikanten stehe eine erste Woche im Lager und eine zweite Woche in der Badausstellung und im Büro auf dem Plan, beschreibt Cordula Baumann von der Bär & Ollenroth KG den Ablauf. Das alles habe bis jetzt problemlos geklappt, sagt sie: Es gebe sogar mehr Anfragen für ein Praktikum als sonst.

Die Autorin war selbst Praktikantin in der Redaktion der Potsdamer Neuesten Nachrichten

Anneke Pelzer

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