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Vier von acht. Die Potsdamer Attika-Skulpturen in Berlin.

© Maurizio Gambarini/dpa

Berlins Humboldt-Uni oder Potsdamer Stadtschloss: Experten gegen Rückkehr der Attika-Figuren nach Potsdam

Berlin will die acht Attika-Figuren, die zu Potsdams Stadtschloss gehören und seit 1967 die Humboldt-Uni zieren, nicht hergeben. Berliner Denkmalschützer unterstützten diese Position bei einem Kolloquium in der Universität. Aus Potsdam war nur ein Experte geladen.

Von Peer Straube

Potsdam/Berlin - Im Streit um die Rückgabe der acht Attika-Figuren auf dem Dach der Berliner Humboldt-Universität hat Potsdam schlechte Karten – zumindest aus denkmalpflegerischer Sicht. Auf einem hochrangig besetzten Kolloquium, das am Freitagnachmittag in der Humboldt-Uni stattfand, sprachen sich praktisch alle anwesenden Experten gegen eine Rückkehr der Skulpturen auf das Dach des Potsdamer Stadtschlosses aus, auf dem sie bis zu dessen Sprengung 1959/60 standen.

Spolien, also historische Baufragmente, von einem Bauwerk zu entfernen, zerstöre immer die Einheit, die diese Schmuckelemente mit dem betreffenden Gebäude über eine lange Zeit gebildet haben, sagte etwa Hans-Rudolf Maier von der Bauhaus-Universität Weimar. Zudem führe eine Verlagerung von Denkmalteilen immer zu Verlusten an der Substanz.

Seit 1967 zieren die Attika-Figuren das Dach der Berliner Humboldt-Universität

Rund 100 Interessierte waren zu der „Umstrittenes Erbe“ betitelten Veranstaltung erschienen, deren Ziel es war, einen fachlichen Beitrag zur Diskussion über das künftige Schicksal der Figuren zu liefern. Seit 1967 zieren sie das Dach der Humboldt-Uni, als Dauerleihgabe der Staatlichen Schlösser und Gärten Potsdam-Sanssouci, der Vorläuferin der Schlösserstiftung, die bis heute Eigentümerin der Skulpturen ist.

Die Potsdamer Verfechter einer Rückgabe, darunter die Chefs der Fördervereine fürs Stadtschloss und den Neptunbrunnen, sahen sich dabei einer einheitlichen Front von Denkmalpflegern ausgesetzt, die alle mehr oder weniger direkt gegen eine Rückgabe argumentierten.

War die Humboldt-Uni nur eine Notlösung?

So bekräftigte das Berliner Landesdenkmalamt abermals sein Veto und pochte auf den Denkmalstatus des einst als Palais für Friedrichs II. Bruder Heinrich errichteten Universitätsgebäudes, dessen Bestandteil auch die Skulpturen seien. Die Aufstellung der Skulpturen nach der Zerstörung der originalen Figuren im Zweiten Weltkrieg sei weder eine Verlegenheits- noch eine Zwischenlösung gewesen, sagte Norbert Heuler vom Landesdenkmalamt Berlin. Heuler spielte damit auf eine Stellungnahme des Potsdamer Stadtkonservators Andreas Kalesse an, der eine Rückgabe der Figuren fordert und erklärt hatte, ihre Aufstellung in Berlin sei nur eine Notlösung gewesen und habe mit „ernsthafter Denkmalpflege nicht das Geringste zu tun“. Weder Kalesse noch ein anderer Vertreter der Stadtverwaltung waren am Freitag anwesend, nach PNN-Informationen war auch niemand eingeladen worden.

Eine zu Kalesse diametral entgegengesetzte Position vertrat Kerstin Wittmann-Englert, die Vorsitzende des Landesdenkmalbeirats Berlin, die zugleich Mitglied der Expertengruppe des Internationalen wissenschaftlichen Komitees zum Erbe des 20. Jahrhunderts ist. Sie geißelte die Forderung nach einer Rückgabe als „partielle Zerstörung eines Gesamtdenkmalkonzeptes“, das die Figuren gemeinsam mit dem Gebäude zweifellos bildeten. Die Figuren auf dem Dach des Landtags aufzustellen hieße, die „Kontinuität“ der Geschichte zu leugnen, so Wittmann-Englert. Für den Potsdamer Landtag empfahl sie einen Gestaltungswettbewerb, bei dem zeitgenössische Kunstwerke gesucht werden sollten, die einen Bezug zur Nutzung des Schlossneubaus als Landesparlament haben.

Dorgerloh: Erfahrungen mit moderner Kunst am Landtag "eher schlecht"

Dieser Ratschlag veranlasste Hartmut Dorgerloh, den Generaldirektor der Schlösserstiftung, zu der spitzen Bemerkung, dass die Erfahrungen mit moderner Kunst am Landtag ja „eher schlecht“ seien. Die „besonders peinliche“ Sanssouci-Adaption, die „völlig unmotiviert“ im Innenhof stehe, zeige nur, wie groß die Verunsicherung darüber sei, was das Gebäude nun eigentlich für die Stadt bedeute. Der Künstler Florian Dombois hatte mit der „Zugabe“ genannten Schloss-Nachbildung den Kunstwettbewerb des Landes gewonnen. Dorgerloh warf die Frage auf, wie weit man es mit der Wiederherstellung der Potsdamer Mitte denn treiben wolle: „Wann ist es denn nun genug?“ Dorgerloh bekräftigte ebenfalls die Haltung der Stiftung, wonach die Figuren in Berlin bleiben sollten. Der wissenschaftliche Beirat der Stiftung habe sich dafür ausgesprochen, der Stiftungsrat sehe keinen Handlungsbedarf.

Eberhard Taube von der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, der die Figuren untersucht hat, erklärte, diese seien in einem beklagenswerten Zustand und eine Restaurierung dringend geboten, bevor Einzelteile herunterfielen. Die Uni will nun schnell handeln. Angelika Keune, zuständige Kustodin, erklärte, Uni, Denkmalamt und Senat müssten schnell ein Restaurierungs- und Finanzierungskonzept erarbeiten. Für die Zukunft der Figuren gebe es drei Möglichkeiten, so Keune. Entweder blieben sie in Berlin oder aber sie kehrten nach Potsdam zurück. In diesem Falle wäre zu überlegen, ob man statt Kopien der Potsdamer Figuren nicht lieber Repliken der im Krieg zerstörten Originalskulpturen anfertigen sollte, die Liebespaare der griechischen Mythologie darstellten. Hans-Peter Brüggen, Chef des Potsdamer Schlossfördervereins, erneuerte seine Bereitschaft, für Kopien in Berlin Spenden zu sammeln. Als dritte Variante käme eine Ausstellung der Figuren in Betracht, so Keune.

Es geht um die Wiedergewinnung des Potsdamer Stadtraums

Als einziger offiziell als Redner geladener Vertreter aus Potsdam sprach sich Günter Schlusche für eine Rückgabe der Figuren aus. Es gehe nicht um den nostalgischen Wunsch nach einer Wiederherstellung des Historischen, sondern um die Wiedergewinnung des Stadtraums, der mit Landtag, Barberini und Altem Rathaus auch seinen Skulpturenschmuck zurückerhalten müsse, sagte der Chef des Stadtforums, in dem regelmäßig wichtige Fragen der Stadtentwicklung diskutiert werden.

Die Hürden scheinen allerdings fast unüberwindbar. Eine Rückgabe der Figuren nach Potsdam sei „für uns nicht denk- und verhandelbar“, sagte Kai Kappel, Inhaber des Lehrstuhls für Architekturgeschichte an der Uni. Genug Zündstoff für die nächste Runde zum Thema gibt es also. Schon am 3. November dürfte die Diskussion wesentlich emotionaler werden. Dann findet die nächste Debatte des Stadtforums in Potsdam statt, um 16 Uhr im Treffpunkt Freizeit.

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