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Diese Postkarte mit der Glienicker Brücke wurde 1912 verschickt und stammt aus der Publikation "Die Berliner Vorstadt von Potsdam auf historischen Postkarten". 

© www.GrussausPotsdam.de

Berliner Vorstadt: Historischer Blick auf noble Adressen

Die noble Berliner Vorstadt, heute Wohnort vieler Prominenter, war schon immer ein besonderer Stadtteil. Eine neue Publikation zeigt Bilder vergangener Zeiten.

Potsdam - Geschichten wie diese klingen heute kurios. Aber bis vor 30 Jahren gehörten auch solche Begebenheiten zu Potsdam: Irgendwann, wohl um 1980 herum, so erzählt es Susanne Fienhold Sheen, da sei ihr Bruder als kleiner Junge vom Schwimmen im Heiligen See nach Hause gekommen. Er habe seiner Mutter erklärt, für heute keinen Hunger mehr zu haben. Aber den Grund dafür wollte der Kleine zunächst partout nicht nennen. Irgendwann rückte der Junge dann doch mit der Sprache heraus. Er war beim Baden im Heiligen See bis an jenes Grundstück herangeschwommen, das einst die französische Militärverbindungsmission in der DDR beherbergte. Dort ging er an Land. 

Im – angeblichen – Arbeiter- und Bauernstaat hatte der Minderjährige damit natürlich etwas politisch ganz Unerlaubtes getan. Doch die Franzosen gaben dem Schwimmer erst einmal reichlich Crêpes zu essen. Aber einfach über den normalen Ausgang und die Straße konnte der Junge auf keinen Fall die Mission wieder verlassen. Dann wäre wohl alles richtig schlimm geworden. Draußen stand schließlich Bewachung. Also musste er wieder zurückschwimmen – gut gesättigt.

Die Potsdamer Stadtführerin Susanne Fienhold Sheen erzählte diese Geschichte am gestrigen Sonntag in der Villa Schöningen. Anlass war die Vorstellung der neuen Broschüre „Die Berliner Vorstadt von Potsdam auf historischen Postkarten“. Die geschlossene Veranstaltung wurde vom Verein Berliner Vorstadt organisiert, der auch als Herausgeber der 96-seitigen Broschüre fungiert. Die neue Publikation, die für 9,95 Euro im Potsdamer Buchhandel sowie beim Verein Berliner Vorstadt erworben werden kann, zeigt auf zahlreichen einstigen Postkartenbildern den Wandel, aber mehr noch die Kontinuität dieses Stadtteils im 20. Jahrhundert.

Bereits Publikation über Brandenburger Vorstadt

Maßgeblich gestaltet hat diese Broschüre die Potsdamerin Kerstin Walter. Bei ihr liefen die redaktionellen Fäden zusammen. Schon einige Jahre zuvor hatte Walter, die beruflich im Sekretariat des Hans Otto Theaters tätig ist, in ihrer Freizeit gemeinsam mit anderen ein Heft zur Brandenburger Vorstadt gemacht. Auch damals waren es Postkarten, anhand derer die Vergangenheit in dem Stadtteil lebendig wurde. Nachdem diese Publikation im Jahre 2015 herausgekommen war, habe es Zuspruch von mehreren Seiten gegeben, so etwas auch für andere Stadtteile zu machen. Walter griff die Idee auf, fragte beim Verein Berliner Vorstadt an – und wurde dort mit offenen Armen empfangen, wie sie erzählt.

Über rund drei Jahre hinweg – mit einigen Unterbrechungen – habe die Arbeit an der Broschüre gedauert, berichtet Walter. Dabei war es gar nicht so einfach, anhand historischer Postkarten einen fotografischen Überblick über den Stadtteil zu bekommen. Die Villengegend mit ihren schon damals um die Privatsphäre bedachten Hausbesitzern tauchte nicht annähernd flächendeckend in alten Postkarten auf.

Alte Postkarten und Privatfotos

So entschied sich das Redaktionsteam um Kerstin Walter dafür, in die jetzt herausgebrachte Broschüre nicht nur alte Postkartenbilder, sondern auch einige Privatfotos aufzunehmen. Deren Anteil liege bei schätzungsweise 20 bis 30 Prozent, sagt Walter. Insofern verwirrt der Titel des Heftes etwas, wo nur von historischen Postkarten die Rede ist. Immerhin, im Vorwort klärt Kerstin Walter die Leser auf.

Der Großteil der verwendeten Bilder aus diesem Stadtteil, in dem heute Prominente wie Günther Jauch – der auch zur Veranstaltung am Sonntag gekommen war – und Kai Diekmann wohnen, stammt aus der Postkartensammlung des Potsdamers Klaus Hellenthal sowie aus dem Potsdam Museum. Auch einige weitere Privatleute steuerten Fotos bei. Die Texte zu den Abbildungen im Heft sind von Ute Meesmann verfasst, die beruflich im Potsdam Museum tätig ist. Neben den Villen, von deren Abbildungen das Heft gleichsam lebt, war die Berliner Vorstadt früher vom Militär geprägt. Gerade der Bereich der Behlert- und der Mangerstraße bis hin in Richtung Havel beherbergte mehrere Kasernenbauten, wie in der Publikation zu sehen ist. Auch Ansichten vom Berliner Tor – einst eines der Stadttore Potsdams – haben Aufnahme in das neue Heft gefunden. 

Um 1920 entstand dieses Foto des Berliner Tors, das 1952 abgerissen wurde. 
Um 1920 entstand dieses Foto des Berliner Tors, das 1952 abgerissen wurde. 

© www.GrussausPotsdam.de

Die weltbekannte Glienicker Brücke ist ebenfalls mit mehreren Ansichten vertreten. Sogar noch der steinerne Vorgängerbau von Karl Friedrich Schinkel findet sich auf einer Postkarte, abgestempelt am 6. April 1902, wie der kurze Text unter dem Bild verrät.

Eine Fundgrube für historisch interessierte Potsdamer

Fehler sind bei solchen Publikationen wohl nie so ganz zu vermeiden. So ist es gewiss nicht „der malerische Blick aus der Villa Rumpf über den Heiligen See hinüber zum Marmorpalais“, den das Foto auf Seite 62 des Heftes zeigt. Die Perspektive stimmt nicht ganz, der Standort des Fotografen muss ein wenig anders gewesen sein. Insgesamt jedoch ist das Heft, erschienen in einer Auflage von 1000 Stück, für historisch interessierte Potsdamer eine Fundgrube. Mit dem Heft in der Hand lohnt sich ein Spaziergang durch die Berliner Vorstadt. Im Vergleich von einst und jetzt können Spaziergänger viele Details entdecken. 

Und politische Kuriositäten, bis vor 30 Jahren bitterer Ernst in diesem Stadtteil, der quasi mit seiner Rückseite an die Berliner Mauer grenzte, hindern nicht mehr am Erkunden jener Gegend.

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