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Klinikum "Ernst von Bergmann" in Potsdam.

© Ottmar Winter

Bergmann-Klinikum in Potsdam: Das 42-Millionen-Euro-Loch

Die Rückkehr zum Tariflohn im kommunalen Krankenhaus kostet viel Geld. Das bringt Stadt und Klinikum in Finanznöte. Beide müssen sparen und Rücklagen einsetzen, so der Plan im Rathaus.

Potsdam - Die von Potsdams Stadtverordneten vor gut einem Jahr mit breiter Mehrheit beschlossene Rückkehr des kommunalen Bergmann-Klinikums zum Tariflohn bringt das Krankenhaus und die Landeshauptstadt in finanzielle Schwierigkeiten. Beide müssen Sparmaßnahmen ergreifen und Gewinnrücklagen einsetzen, um die Tarif-Mehrkosten von mindestens 42 Millionen Euro in den Jahren 2020 bis 2023 zu stemmen. Weil Millionen aus Rücklagen ausgegeben werden müssen, schwinden bei Klinikum und Stadt Spielräume für Investitionen. Für das Bergmann werden zudem bereits 2021 Liquiditätsengpässe erwartet.

Das geht aus einer Beschlussvorlage für das Stadtparlament hervor, die Gesundheitsbeigeordnete und Klinikum-Aufsichtsratschefin Brigitte Meier (SPD) am Dienstag (18. Mai) der Presse vorstellte. Der Beschluss umfasst einen so genannten Betrauungsakt der Stadt für das Klinikum, mit dem die Millionenzahlungen aus der Stadtkasse rechtssicher abgewickelt werden sollen. Im Hauptausschuss am Mittwoch in einer Woche (26. Mai) sollen die Stadtverordneten erstmals dazu beraten, in der Juni-Sitzung des Stadtparlaments könnten sie den Betrauungsakt beschließen, so Beigeordnete Meier. An den Beschluss geknüpft sei die Tarif-Rückkehr der Klinikum-Töchter für Service und Catering rückwirkend zum 1. Juni 2020. Da hier bislang Löhne deutlich unter Tarif gezahlt werden, sind die Mehrkosten mit mehr als 3,4 Millionen Euro erheblich. Die Gehälter der rund 540 Mitarbeitenden würden dann „relativ hoch für diese Tätigkeiten“ sein, so Meier.

Brigitte Meier (SPD), Potsdams Gesundheitsbeigeordnete und Aufsichtsratschefin der Bergmann-Klinikums.
Brigitte Meier (SPD), Potsdams Gesundheitsbeigeordnete und Aufsichtsratschefin der Bergmann-Klinikums.

© Andreas Klaer

Die Mehrheit der rot-grün-roten Rathauskooperation für den Betrauungsakt stehe, sagte die Beigeordnete. Die Kooperation hatte die Stadt zuvor verpflichtet, Tarif-Mehrkosten auszugleichen, damit das Klinikum durch den Stadtverordneten-Beschluss nicht in wirtschaftliche Schieflage gerät.

Nun wird allerdings klar, dass das Klinikum in den ersten vier Jahren knapp die Hälfte der Mehrkosten übernehmen muss – insgesamt knapp 20 Millionen Euro. Die Stadt soll maximal 22,2 Millionen Euro begleichen. Wie es nach 2023 weitergeht, ist derzeit völlig unklar. 2022 werde ein „Kassensturz im Klinikum“ gemacht, so Beigeordnete Meier. Die Hoffnung dabei: eine Neuaufstellung der Krankenhausfinanzierung des Bundes nach der Bundestagswahl im Herbst 2021. Das jetzige Fallpauschalen-System finanziere die Daseinsvorsorge kommunaler Krankenhäuser nicht ausreichend. Zudem hofft die Stadt, dass das Land seine Zahlungen für Investitionen der Krankenhäuser erhöht.

Nach einem Kassensturz muss die Politik entscheiden

Prinzip Hoffnung: Es könnte also gut sein, dass beim Kassensturz 2022 nur herauskommt, dass weiter Millionenlöcher beim Klinikum gestopft werden müssen. In diesem Fall müsse sich die Politik entscheiden, sagte Meier: „Beschränkt man sich auf das Kerngeschäft, zu dem Catering und Service nicht gehören, dafür aber Bereiche, die nie eine schwarze Null schreiben werden, wie die Kinder- und Jugendpsychiatrie und die Kindernotaufnahme?“

Zu beachten dabei: Durch Tarifanpassungen steigen die Mehrkosten sogar stärker, als die Stadt vorsieht. Nach Angaben der Klinikum-Geschäftsführung wachsen sie von 8,4 Millionen Euro 2020 auf 10,5 Millionen Euro in diesem Jahr und dann auf 14,8 Millionen Euro 2022.

Finanzielle Leistungsfähigkeit Potsdams stehe infrage

Dass die Stadt nach 2023 nicht immer größere Löcher beim Klinikum stopfen will, wird in der Beschlussvorlage sehr deutlich. Prämisse des Klinikum-Kassensturzes 2022 sei es, zu weniger Stadt-Zuschüssen zu kommen, heißt es dort. Wegen der Corona-Pandemie und möglicherweise reduzierten Landeszuweisungen stehe schon jetzt „die dauerhafte finanzielle Leistungsfähigkeit der Stadt infrage“. Es werde mit einer Verschlechterung des Jahreshaushalts um 34 Millionen Euro gerechnet. Bereits für 2022 müsse die Stadt das Geld für das Klinikum zusammenkratzen und ein freiwilliges Sparprogramm auflegen. Alles müsse auf den Prüfstand, auch freiwillige Aufgaben beispielsweise in Sport, Kultur und Marketing. Bei Pflichtaufgaben müssten die Standards reduziert werden.

Klinikum "Ernst von Bergmann" in Potsdam.
Klinikum "Ernst von Bergmann" in Potsdam.

© Ottmar Winter

Parallel soll das Klinikum „erhebliche Anstrengungen“ unternehmen, um das Millionendefizit auszugleichen. Als „geeignete Maßnahmen“ werden in der Beschlussvorlage die „Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, Optimierung von Prozessen, Überprüfung der Geschäftstätigkeiten, Verwendung der Gewinnrücklagen, et cetera“ aufgeführt.

In den nächsten zehn Jahren müsse das Klinikum „ohne städtische Hilfe laufen können“, sagte Beigeordnete Meier. Sie betonte aber zugleich, dass die „Zitrone im Klinikum ausgequetscht“ sei. Vergleiche hätten ergeben, dass das Potsdamer Klinikum „eines der effizientesten kommunalen Krankenhäuser“ sei.

55 Millionen Euro in der Klinikum-Rücklage

Die Gewinnrücklage des Klinikums lag Ende 2019 nach Angaben der Stadt bei 55,3 Millionen Euro. Diese habe das Klinikum aufgebaut, um Investitionen finanzieren zu können, da die Landeszahlungen seit Jahrzehnten viel zu gering seien, so Meier. Durch die Tarifkosten schrumpfen die Rücklagen nun – mindestens auf 44 Millionen Euro, weil das Klinikum für 2020 die kompletten Tarifmehrkosten von 10,4 Millionen Euro ausgleichen soll. Anderenfalls müsste Potsdam einen Nachtragshaushalt aufstellen.

Erst Anfang des Jahres hatte eine nach dem schweren Corona-Ausbruch im Bergmann-Klinikum mit zahlreichen Toten eingesetzte Expertenkommission festgestellt, dass das Klinikum von Stadt und Stadtpolitik krank gespart worden sei. Mängel unter anderem bei der Hygiene hätten den Ausbruch begünstigt. Derzeit läuft ein Workshop-Verfahren, mit dem das Klinikum neu aufgestellt werden soll. Ziel ist auch, das Patienten- und Mitarbeiterwohl nicht mehr der Wirtschaftlichkeit unterzuordnen. Zudem wird ein Neubau für ein „digitalisiertes Krankenhaus“ angestrebt. Beigeordnete Meier sagte, es gebe nun mehrere Zielkonflikte. Für den Neubau hoffe man jedoch auf Gelder von Land und Bund, so dass der städtische Anteil kleiner werden könnte.

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