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Landeshauptstadt: Baukunst Leben in der

Nur vier der einst zehn historischen Schweizerhäuser in Klein Glienicke gibt es noch, der Rest fiel dem Mauerbau zum Opfer. Ein Babelsberger Architekt hat nun ein fünftes gebaut

Von Peer Straube

Im ersten Moment wähnt man sich tatsächlich in einem Bergdorf in den Alpen. Die Bäume am Straßenrand öffnen sich, geben den Blick frei auf einen Steilhang, über dem ein beeindruckendes Wohnhaus thront, mit hölzerner Fassade, steinernem Sockel, umlaufendem Balkon und schiefergedecktem Dach.

Doch das Haus von Gerald Kühn-von Kaehne steht nicht in den Schweizer Alpen, sondern in Klein Glienicke. Zehn Schweizerhäuser gab es dort einst, entworfen hatte sie der königliche Hofbaumeister und Schinkel-Schüler Ferdinand von Arnim im Auftrag Carls von Preußen, dem Bruder der Könige Friedrich Wilhelm IV. und Wilhelm I. Der Prinz, dem das Jagdschloss Glienicke gehörte, hatte eine große Vorliebe für die alpenländische Berghausarchitektur. Von den zwischen 1863 und 1867 errichteten Schweizerhäusern stehen heute noch vier – die anderen fielen dem Mauerbau zum Opfer. Anfang der 60er-Jahre wurden sie abgerissen.

Auf einem dieser Grundstücke, in der Louis-Nathan-Straße 9, hat der Potsdamer Architekt Gerald Kühn-von Kähne nun einen Nachfolger errichtet, keine originale Rekonstruktion, nein, vielmehr eine Reminiszenz mit moderner Formensprache. „Das Haus sollte an das historische Gebäude erinnern, sich gleichzeitig einfügen in das Ensemble und außerdem erkennen lassen, in welcher Zeit es gebaut wurde, nämlich im 21. Jahrhundert“, sagt Kühn-von Kähne.

Vor drei Jahren hatte er das Grundstück vom Bund gekauft, dann begann die Recherche. Kühn-von Kähne wühlte sich durch Archive, beschäftigte sich mit der Architektur der Klein Glienicker Schweizerhäuser, aber auch mit deren Vorbildern in der Eidgenossenschaft. Sowohl bei den Materialien als auch bei der Farbgebung orientierte sich der Architekt an der Geschichte. Beton fand kaum Verwendung, dafür Ziegel- und Natursteine. Auf dem Grundstück fand Kühn-von Kähne sogar noch Natursteinplatten des Vorgängerbaus – wie beim Original zieren sie nun die der Straße zugewandte Seite des Sockelgeschosses. Bei der Verkleidung der oberen Geschosse – insgesamt hat das Haus drei Stockwerke plus eines in Hanglage, das als Keller dient – hat sich der Architekt für Lärchenholz entschieden, das sehr harzreich ist und daher wetterfest und langlebig. Auf die spielerischen Schnörkel und Schnitzereien der Originalhäuser hat Kühn-von Kähne bewusst verzichtet.

Neben Holz bestimmt vor allem Glas das äußere Erscheinungsbild des Hauses. Bei den originalen Schweizerhäusern ist Licht ein Problem, weil das tief heruntergezogene Dach viel von der Sonneneinstrahlung abschirmt.

Die Bewohner des Neubaus haben dieses Problem nicht. Auf jeder Etage öffnen sich üppige Fensterfronten, auf der Westseite herrscht fast durchweg Panoramaverglasung, selbst in die riesige Dachfläche sind Fenster eingebaut. Rund 400 Quadratmeter Wohnfläche hat das Schweizerhaus, Kühn-von Kähne hat es in fünf Wohnungen aufgeteilt. Vor allem auf der Beletage, dem zweiten Obergeschoss, ist die Aussicht prächtig: Durch die riesigen Fenster fällt der Blick auf den umgebenden Wald. „Hier kann man morgens durchaus mal Rehe oder Wildschweine beobachten“, sagt Kühn-von Kähne. Auch im Inneren setzt der Architekt auf klare Linien. Und auf ungewöhnliche Materialien. So sind die Fußböden und Wände in den Bädern nicht gefliest, sondern wurden mit drei Millimeter starken Keramikplatten in Natursteinoptik verkleidet. Die weißen Einbauküchen bestehen aus Corian, einem Verbundwerkstoff, der sehr strapazierfähig ist und sich fugenlos verarbeiten lässt. Auf ein Holzparkett hat Kühn-von Kähne bewusst verzichtet. Stattdessen wählte er einen mineralischen Fußbodenbelag, der direkt auf den Estrich gegossen wurde. „In den Räumen gibt es so viele Elemente aus Holz – es auch noch auf dem Fußboden zu verlegen, wäre zu viel gewesen.“ Apropos Holz: Geheizt wird mit Holzpellets, mit der zentralen Anlage im Keller wird in jeder Wohnung eine Fußbodenheizung betrieben. Zusätzlich dürfen sich die Bewohner auch über Kamine freuen. Die massiv gemauerte Esse aus gelben Sichtziegeln ist zugleich Gestaltungselement. Die großen Schornsteine sind zudem typisch für die Schweizerhäuser.

Die Wohnungen sollen alle komplett eingerichtet vermietet werden, geplant ist ein Mix aus alten und neuen Möbeln. „Meistens lässt man Architekten ja nicht auch noch die Inneneinrichtung bestimmen“, sagt Kühn-von Kähne. Hier kann er sich austoben – der Vorteil, wenn der Architekt zugleich auch der Bauherr ist. Wie hoch die Miete sein wird, stehe noch nicht endgültig fest, erschwinglich solle sie aber sein, sagt Kühn-von Kähne.

Mit dem Gedanken, selbst in seinem Baukunstwerk zu leben, hat der Architekt nicht gespielt. „Ich wohne ja schon sehr schön hier in Klein Glienicke“, sagt er lächelnd. In der Waldmüllerstraße hat er vor Jahren bereits einen Altbau saniert, in dem er mit seinem Partner Eberhard Lange auch sein Architekturbüro betreibt. Die Geschichte der Exklave hat es Kühn-von Kähne angetan, das merkt man. Es freut ihn, dass sich eine der letzten Bewohnerinnen des Vorgängerbaus bei ihm gemeldet hat. Die Frau habe den Bau der Mauer aus dem Fenster beobachten können und sogar heimlich ein Foto davon geschossen, sagt der Architekt. Der Abriss der Häuser sei für Klein Glienicke ein großer Verlust gewesen. „Hier wieder etwas hinzubauen“, sagt er nicht ohne Stolz, „das war schon eine architektonische Herausforderung“.

Schweizerhaus, Louis-Nathan-Allee 9, Führungen am Sonntag um 13, 15 und 17 Uhr

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