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Landeshauptstadt: Barrieren bleiben

Für Behinderte und Eltern mit Kinderwagen gibt es in der Stadt hohe Hürden. Meist fehlt das Geld

Potsdam kommt mit seinen Bemühungen um Barrierefreiheit im öffentlichen Raum nur langsam voran: Am Mittwoch wurde zwar eine neue barrierefreie Haltestelle für Trams und Busse vor dem Rathaus symbolisch eingeweiht, doch an anderen Stellen passiert nur wenig. Betroffene kritisieren, dass nach wie vor eine große Anzahl Trams keine Niederflurbahnen sind und viele Haltestellen nicht auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung, ältere Fahrgäste oder Eltern mit Kinderwagen ausgerichtet sind.

Kämmerer Burkhard Exner (SPD) und Oliver Glaser, technischer Geschäftsführer des Potsdamer Verkehrsbetriebs, bekamen am Donnerstag einen direkten Eindruck von der Sichtweise der Betroffenen. „Es kann doch im 21. Jahrhundert nicht sein, dass ich nicht in eine Straßenbahn hineinkomme“, sagte beispielsweise ein Rollstuhlfahrer. Konkreter Anlass seines Unmuts war, dass anders als früher angekündigt noch zahlreiche Tatra-Bahnen im Potsdamer Tramnetz unterwegs sind. In die in den 1980er-Jahren in Prag gebauten Waggons kann man nur über zwei hohe Stufen einsteigen. Das ist schon mit einem Kinderwagen nur mit Hilfe möglich, mit einem Rollstuhl geht es praktisch gar nicht. Glaser verwies darauf, dass in den Fahrplanaushängen und im Internet verzeichnet ist, wann moderne Niederflurbahnen unterwegs sind.

Grundsätzlich ändern wird sich an dem Problem in absehbarer Zeit nichts. Ursache dafür ist eine eigentlich erfreuliche Entwicklung: Die Fahrgastzahlen des ViP steigen seit Jahren stetig an. Die vor Jahren eingeplante Anzahl an Niederflurbahnen reicht nicht mehr aus. Deshalb habe man sich entschieden, die alten Tatras zusätzlich fahren zu lassen, so Glaser. Die letzte von insgesamt 18 modernen Variobahnen, die der ViP zum Stückpreis von etwa 2,5 Millionen Euro beim Hersteller Stadler bestellt hat, wird im Juli geliefert. Eine Ausschreibung für weitere Niederflurbahnen wird es aus Kostengründen erstmal nicht geben. Exner verwies auf sinkende Zuweisungen von Land und Bund für Investitionen in die Infrastruktur. Die Bundesregierung habe zwar vorgeschrieben, dass ab 2022 nur noch Niederflurtrams eingesetzt werden dürfen. „Leider hat sie nicht verraten, wie das bezahlt werden soll“, so Glaser.

Doch nicht nur beim fahrenden Gerät gibt es noch Probleme: Fünf Haltestellen im Tramnetz sind nicht barrierefrei zugänglich – und bleiben es auch erstmal. An der Haltestelle Alleestraße/Reiterweg werden zwar derzeit im Zuge der Sanierung der Friedrich-Ebert-Straße die Fahrbahn und die Tramgleise erneuert, barrierefrei wird die Haltestelle trotzdem aber nicht. Schuld ist die Lage an einer Steigung, die im Bereich der Haltestelle zunimmt, hieß es. Ein gleichmäßiger Abstand ist nicht möglich. Die stark genutzten Haltestellen Nauener Tor und Brandenburger Straße umzubauen sei wünschenswert, so Glaser. „Da müssen wir ran“, sagte er. Einen Termin dafür gibt es nicht, weil die Finanzierung unklar sei. In der stark befahrenen Zeppelinstraße spricht die Behinderung des Autoverkehrs durch die nötige Fahrbahneinengung gegen einen barrierefreien Umbau.

Doch auch an Haltestellen, die eigentlich barrierefrei sind, gibt es Probleme: Der Knotenpunkt am Platz der Einheit/West sei ohne Blindenhund praktisch nicht zu finden, so Stephanie Seidel vom Beirat für Menschen mit Behinderung. Der Grund: Auf den Gehwegen entlang der Friedrich-Ebert-Straße fehlen sogenannte Aufmerksamkeitsstreifen. Die geriffelten Gehwegplatten nutzen Sehbehinderte, um sich mit einem Blindenstock zu orientieren. „Der Streifen müsste über die ganze Gehwegbreite gehen, damit man ihn gut finden kann“, sagt sie. Den Übergang zur Haltestelle in der Straßenmitte ohne diese Hilfsmittel zu suchen, sei wie Lotto zu spielen.

Potsdams Behindertenbeauftragter Christoph Richter kennt die Probleme der mehr als 20 000 Menschen mit Behinderung in Potsdam. „Eine Verbesserung wäre wichtig für die Betroffenen“, sagte er. Der Beirat soll nun mit Stadtverwaltung und ViP eine Prioritätenliste aufstellen. In den nächsten Monaten soll es dazu ein Gespräch geben. Natürlich sei auch klar, dass keine unbegrenzten Mittel zur Verfügung stehen. Umso wichtiger sei es, dass man die Kompetenz der Betroffenen einbeziehe. Das gelte auch Abseits von Haltestellen: So seien etwa gemeinsame Geh- und Radwege ein großes Problem für Sehbehinderte und Gehörlose. „Man sollte die Wege trennen, wo immer das möglich ist“, sagte Richter.

Vor dem Rathaus fahren die Radfahrer stadteinwärts nun auf der barrierefrei erhöhten Fahrbahn, in der Gegenrichtung gibt es einen Radweg. Die Kante der Haltestelle ist hoch genug, dass Rollstuhlfahrer auch ohne Rampe in Trams und Busse einfahren können. Letztere sollen dort mit dem Fahrplanwechsel im Dezember wieder halten. Durch den etwa drei Millionen Euro teuren Umbau von Straße und Gleisanlagen verkürzen sich die Fahrzeiten. Außerdem hofft man, dass es weniger Verspätungen gibt.

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