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Barrierefreiheit in Potsdam: Geht nicht, gibt es nicht

Djamal Okoko ist ein Kämpfer – gegen Widerstände und für seine Rechte. Der Rollstuhlfahrer studiert an der FH Potsdam Produktdesign und möchte unbedingt seinen Führerschein machen.

Von Birte Förster

Potsdam - Eines fällt bei einem Treffen mit Djamal Okoko schnell auf: dass Hürden aller Art ihn nicht im Geringsten abschrecken. Wäre das anders, wäre er heute wohl nicht dort, wo er jetzt ist. Vor zwei Jahren machte der heute 20-Jährige am Potsdamer Humboldt-Gymnasium sein Abitur, inzwischen studiert er im zweiten Semester Produktdesign an der Fachhochschule Potsdam, nebenbei spielt er Theater, nimmt Klavier- und Gesangsunterricht. In seiner Ausstellung „Momentaufnahmen einer Generation" sind seine Fotografien zu sehen. Dabei ist sein Alltag nicht gerade einfach. „Ich bin immer erstaunt, wie viel Action ich ertrage“, sagt er lächelnd, ein Strohhut auf dem Kopf. Denn Djamal Okoko leidet an einer spinalen Muskelatrophie. Die Krankheit verursacht Muskelschwund, der durch einen fortschreitenden Zerfall von motorischen Nervenzellen verursacht wird. Seit seiner Kindheit sitzt er im Rollstuhl.

In einem Café am Nauener Tor erzählt Djamal von seinem Studium und seinem Alltag. Er sprüht nur so vor Energie, packt ein Projekt nach dem anderen an. Es gehe ihm gut, sagt er. Seine Erkrankung habe sich nicht weiter verändert. Als Kind habe er viele Operationen gehabt, sagt er. Jetzt hole er nochmal alles nach. „Das genieße ich gerade.“ Auch sein Studium gefällt ihm. „Es passt“, sagt Djamal. Das erste Semester sei richtig toll gewesen. Er schätzt außerdem das Campusleben und den engen Kontakt zu den Professoren. Dabei war es nicht einfach, einen Platz für sein Wunschstudium zu bekommen. Als er nach dem Abitur durch die Aufnahmeprüfung an der FH fiel, suchte er sich einen Mappenkurs in Berlin. Fast ein Jahr lang fuhr er dreimal die Woche dorthin, stellte Zeichnungen und andere Werke zusammen und bewarb sich erneut an der FH. Beim zweiten Anlauf klappte es.

Studium an der FH

Inzwischen ist das Studium Alltag. Unter den anderen Studenten fühlt er sich wohl. „Die sind alle super offen und hilfsbereit“, sagt er über seine Kommilitonen. Wenn er mal Hilfe brauche, könne er jeden ansprechen. Denn immer mal wieder stößt er an seine Grenzen, beispielsweise wenn der Fahrstuhl in dem ansonsten barrierefreien FH-Gebäude kaputt ist. Für den jungen Mann, der darum bemüht ist, soweit es geht selbständig zu leben, bedeutet das wieder mehr Abhängigkeit von anderen Menschen.

Ein großes Problem stellen auch die Werkstätten der FH dar, die nicht rollstuhltauglich sind. „Die Maschinen sind alle auf laufende Menschen ausgerichtet“, sagt er. Daher könne er die Maschinen derzeit nicht nutzen, da diese nur im Stehen bedient werden können. Bei der Stadtverwaltung Potsdam, im Fachbereich Soziales und Gesundheit, hat er einen Antrag auf Maschinen gestellt, die für Rollstuhlfahrer nutzbar sind. „Aus meiner Sicht müssen sie es mir ermöglichen, dass ich das Studium so wie alle anderen Studenten durchführen kann.“

„Durch ein Auto könnte ich total viel Selbständigkeit gewinnen.“

Vor allem ist es aber ein anderes Thema, das ihn mittlerweile frustriert. Djamal möchte unbedingt den Führerschein machen. Eine Berliner Fahrschule verfügt über ein Fahrzeug, das statt mit Pedalen mit einem Joystick ausgestattet ist und auf der Fahrerseite Platz für einen Rollstuhl hat. Ein Führerschein wäre für ihn ein großer Gewinn von Unabhängigkeit. Aber mit dem besonderen Auto kostet der über 4000 Euro – etwa dreimal so viel wie üblich. Das kann sich der junge Student nicht leisten und hat daher einen Antrag auf Bezuschussung bei der Stadtverwaltung gestellt. Zwei Mal wurde sein Antrag bisher abgelehnt, zweimal legte er Widerspruch ein. In seinem Blog „Ein Typ – Acht Räder“ schreibt er über seinen Kampf, den er mittlerweile seit anderthalb Jahren führt. Er schildert Gutachten und Besuche beim Amtsarzt, die Aussagen über die Notwendigkeit eines Führerscheins treffen. „Stellt euch das mal vor, jemand anderes kann bestimmen, ob ihr einen Führerschein braucht!“, schreibt er. Dabei würde er damit weniger auf seinen Einzelfallhelfer angewiesen sein, den er brauche, selbst wenn er nur mal einen Freund auf einen Kaffee treffen will. „Das ist echt belastend", sagt er. „Durch ein Auto könnte ich total viel Selbständigkeit gewinnen.“

Erlebnisse im Alltag, bei denen er sich als Rollstuhlfahrer benachteiligt sieht, sind für ihn kein Grund zur Resignation. Ganz im Gegenteil wird er dadurch erst angestachelt, etwas zu tun. So auch, nachdem der Veranstalter eines Konzertes ihm aus Brandschutzgründen keine Karte verkaufen wollte. Es gebe keinen Platz, von dem Rollstuhlfahrer schnell genug den Raum verlassen könnten, lautete die Begründung. „Da war ich kurz schockiert“, sagt Djamal Okoko. Er ließ es nicht auf sich sitzen, gab nicht nach. Schließlich konnte in dem Konzertsaal ein Platz für ihn gefunden werden. „Da hat man wieder gesehen, dass es eigentlich möglich ist“, sagt er.

Im März wurde Djamal in den neuen Beirat für Menschen mit Behinderung gewählt. Dort wolle er sich nun für die Barrierefreiheit, insbesondere in der Kulturlandschaft, engagieren. „Auf sowas habe ich Bock“, betont er. Zu schauen, wo ein Zugang für Rollstuhlfahrer eigentlich ganz leicht möglich ist. Djamal Okoko geht die Dinge also auch weiterhin an, denkt nicht ans Aufgeben. In seinem Blog schreibt er: „Deshalb werde ich auch weiterhin kämpfen, und wenn ich merke, ich komme auf diesem Weg nicht weiter, lasse ich mir was anderes einfallen. Es bleibt spannend!“

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