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In Veränderung begriffen. Potsdams Mitte wird neu gestaltet. Doch dies sei keine neue Entwicklung, sondern wurde vom Stadtparlament schon kurz nach der Wende beschlossen, sagt Barbara Kuster – lange bevor prominente Neubürger in die Stadt zogen.

© Paul Zinken, dpa

Barbara Kuster zur Potsdamer Heimatdebatte: Potsdam ist kein barockes Disneyland

Potsdam, eine durch den Zuzug verdrängte Heimat? Wie Menschen zu solchen Urteilen kommen, ist rätselhaft. Die Veränderung der Stadt ist keine feindliche Übernahme – denn wir alle gestalten mit. Ein Gastbeitrag.

Es beunruhigt mich immer mehr, mit wie viel Abwehr, ja sogar Hass auf Menschen reagiert wird, die neu in unsere Stadt ziehen. Da wird von Reichen gesprochen, die den „richtigen“ Potsdamern ihre Stadt entreißen, die unsere Jugenderinnerungen zerstören, weil die unsere schönen DDR Bauten abreißen und ein barockisiertes Potsdam wieder aufbauen wollen. Die Stadt hat ihn verlassen, schreibt da Peter Effenberg in seinem Gastbeitrag in den PNN. Und weiter: „Es geht um Heimat. Um ein Gefühl. Um mein Seelenheil.“ Und dann wird auch noch das Aufkommen der AfD mit diesem geschundenen Seelenheil begründet. Ich bin auch geborene Potsdamerin und frage hier: Wo bleibt da die Toleranz, die unsere Stadt ja so gerne im Munde führt? Woher nimmt man die Behauptung, dass die Zugezogenen Schuld sind an dem Verschwinden von DDR-Architektur?

Denn der Beschluss des behutsamen Rückbaus wurde schon kurz nach der Wende von unserem Stadtparlament beschlossen, lange bevor Günther Jauch mit dem hervorragend rekonstruierten Fortunaportal nach der Baugenehmigung durch die Stadtverordnetenversammlung den Startschuss für das Stadtschloss gab.

Sicherlich, eine gewisse Wehmut ist da, wenn etwas verschwindet, was man lange kannte. Ich kenne die Fachhochschule auch seit ihrem Bestehen. Ich habe aber noch viel einschneidendere Zerstörungen erlebt – die Sprengung der Stadtschlossruine, die der Garnisonkirche und die der in den 1960er Jahren immer noch schönen Breiten Straße mit ihren Barockhäusern, welche von hohem künstlerischen Wert waren. Ich weiß noch, vor dem in der DDR staatlich verordneten Abriss waren begeisterte Fotografen da, die unser Haus innen und außen fotografierten – die wundervolle Fassade, unser geschwungenes Treppenhaus. Ja, es war eines von den vielen Häusern dieser ehemaligen Prachtstraße, die übrigens noch voll bewohnt waren und nur kleine Schäden durch den Krieg erfahren hatten. Aber sie wurde gänzlich, bis zur Unkenntlichkeit zerstört. Ja, es schmerzt, wenn ein Lebensraum verloren geht. Trotzdem habe ich niemals davon gesprochen, dass sich meine Stadt von mir verabschiedet. Die Zeiten ändern sich halt.

„Barockes Disneyland“? Der Vorwurf, hier würden nur Kulissen gebaut, ein ist ein Pauschalvorwurf

Die Stadt wird sich auch weiterhin verändern. Neben den wieder errichteten barocken Bauten am Alten Markt werden jetzt Quartiere entstehen, die zum überwiegenden Teil modern bebaut werden. Kleinteilig, abwechslungsreich, mit Geschäften und Gastronomie. Ich freue mich darauf und ich denke, mit mir viele Potsdamer! Der Vorwurf, hier würden nur Kulissen gebaut, ein „barockes Disneyland“, ist ein nicht haltbarer Pauschalvorwurf. Noch ist der Alte Markt im Werden und nicht alles perfekt, aber Potsdams Mitte hat endlich wieder ein Gesicht und das, was rekonstruiert wurde, wurde mit hoher Qualität erbaut. Die einzige Kulisse sind die beiden Sanssouci-Adaptionen, die dem Siegerentwurf von „Kunst am Bau“ im Hof des Landtags entspringen.

Als die Fachhochschule da stand, mutete dieser Ort wie Stadtrand an. Ja, es waren Studenten da, doch abends waren sie weg, da lag der Platz öde und brach. Es war ja auch eigentlich kein Platz mehr, denn man hatte alles beseitigt, außer dem Rathaus und der Nikolaikirche, was den ursprünglichen Vorzeigeplatz von Potsdam ausmachte.

Die Fachhochschule als monolithischer Platzhalter setzte den Schwerpunkt. Er zerstörte mit seiner Größe und seinem Standort die Wiederannäherung an den alten Platz. Deshalb wird der Fachhochschulbau nun abgerissen.

Die Architektur der DDR ist noch immer in Potsdam präsent 

Die Behauptung, dass alles aus der DDR in der Mitte verschwindet, entspricht nicht der Wahrheit. Das ganze Wohnviertel hinter dem Alten Rathaus, die Bauten auf dem Platz der Einheit, die Seerose, die Bibliothek und natürlich auch die Bauten auf der Breiten Straße (auf die ich persönlich freudig verzichten würde) sind da und bleiben.

In einem Punkt muss ich den „Seelenheilgeschädigten“ Recht geben. Einen gelungenen Wurf der DDR-Architekten gibt es, nämlich das Ensemble auf dem Brauhausberg. Minsk, Schwimmhalle und dazwischen die Wasserkaskaden waren sehr gefühlvoll an den Berg gefügt und entsprachen einer sensiblen Hangbebauung. Ich bin traurig, dass das jetzt als Ensemble verschwunden ist. Das neue Bad am Fuße des Berges mag zwar funktionell gelungen sein, sein Erscheinungsbild ist jedoch Potsdams nicht würdig!

Überhaupt, was jetzt dort noch gebaut wird, macht mir Bauchschmerzen! Ja, es geht hier leider auch oft um Geld und Profit und um finanzielle Abdeckung der Stadt. Doch wir können im Gegensatz zur DDR mitreden! Jeder kann sich einbringen, und es tun mittlerweile schon viele Bürger der Stadt. Es bringt nichts, sich in die verletzte Schmollecke zurückzuziehen. Wir alle sind Potsdam, unsere Neubürger mit einbegriffen, und wir gestalten unsere Stadt mit. Und wenn ein Neubürger uns inhaltlich oder finanziell dabei unterstützt, so ist das keine feindliche Übernahme, sondern ein Glück für Potsdam, um das uns andere Städte beneiden!

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Die Autorin: Barbara Kuster ist Kabarettistin und Sprecherin der Initiative "Mitteschön". Mit diesem Beitrag antwortet sie auf den Beitrag "Der Migrant" von Peter Effenberg. 

Barbara Kuster

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