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Bäckerei Braune: Eine der letzten traditionellen Bäckereien in Potsdam

Seit 30 Jahren führt Werner Gniosdorz die Familienbäckerei Braune in der Friedrich-Ebert-Straße. Die gute alte Schrippe gibt es dort bis heute.

Potsdam - Werner Gniosdorz klappt die knallrote Mappe der Betriebsakademie des Bezirkes auf. Darin ist sein Meisterbrief aufbewahrt. „Am 9. November fiel die Mauer und am 10. bekam ich meine Meisterurkunde im alten Rathaus verliehen“, sagt der Bäcker. Die Bäckerei Braune in der Friedrich-Ebert-Straße übernahm Gniosdorz aber schon einige Monate früher von seinem Vater – genau vor 30 Jahren.

Während vorne die Schrippen über die Ladentheke gehen, sitzt der mittlerweile 63-Jährige in weißem T-Shirt und Schürze in seinem Büro. Auf Gniosdorz’ Schreibtisch liegt ein vergilbtes Blatt, es trägt das Siegel mit Hammer, Zirkel und Ährenkranz. Mit dieser Gewerbegenehmigung übernahm er am 24. Juli 1989 das Geschäft in der Friedrich-Ebert-Straße. „Eigentlich sollte niemand mitbekommen, dass es einen Wechsel gibt“, erzählt er. Man wollte keine Aufmerksamkeit erregen. Der Übergang lief reibungslos, bis auf einen Vermerk: Das Personal dufte Gniosdorz nur mit Genehmigung einstellen und bis 1994 sollte er die Anzahl der Mitarbeiter von 14 auf zehn verkleinern. „Das war das Politische“, sagt der Konditormeister. Ein Privatunternehmen wie die Bäckerei Braune war in der DDR nicht gern gesehen. Vor dem Laden habe es oft lange Schlangen gegeben, erinnert er sich.

Es ist kurz vor neun. Gniosdorz hat noch eine halbe Stunde, bevor er die Tageslieferung an Frischgebackenem ausfährt. In den vergangenen Jahren ist sein Haar weiß geworden, aber ans Aufhören mag er nicht denken. Sein Vater riet ihm damals davon ab, ins Handwerk zugehen. Er war von Schlesien nach Potsdam gekommen, wo er die Tochter des Bäckermeisters Braune, Namensgeber des Geschäftes, heiratete. Sein Sohn wollte eigentlich studieren. Doch es kam anders. Das Abitur wurde ihm verweigert. Gniosdorz begann 1972 in der Stadtbäckerei eine Konditorlehre. Er habe „keinen festen politischen Klassenstandpunkt“, hieß es. Das lag womöglich an seinem Engagement in der Kirche. In den Akten habe er nie nachgesehen, sagt er.

Studieren konnte er dann doch noch. Auf der Fachschule erwarb er den Backwareningenieur. Fünf Jahre arbeitete er als Technologe in Stahnsdorf. 1984 stieg er in den Familienbetrieb ein. Die Eltern brauchten Unterstützung. Bevor er den Betrieb übernehmen konnte, fehlte ihm aber der Meisterbrief. 1972 sollte die Bäckerei Braune verstaatlicht werden. Doch sie blieb in Familienhand. Heute steht noch das eine oder andere fast historische Stück in der Bäckerei, das an die alten Tage erinnert.

Der Teigformer Aurora war die erste Maschine, die sich der junge Gniosdorz zulegte – und bis heute hat. Nach der Wende bekamen sie die Teile für den elektrischen Backofen geliefert, die sie noch in Ostmark bezahlten. Plötzlich gab es Butter, Sahne und Nüsse als Zutaten. Aber die Kundschaft blieb aus. Gniosdorz und seine Mitarbeiter haben die Zeit gut überstanden. Das Interesse an der Westware und Backshops nahmen wieder ab. Mit der Schrippe für 30 Cent, einem Stück Blechkuchen für einen Euro können sie durchaus mithalten. Weil sie das Haus besitzen, können sie sich die Lage in der Innenstadt weiterhin leisten.

Der Duft aus der Kindheit

Treu geblieben sind ihre Kunden aus einem anderen Grund. „Das sind diese alten Rezepturen, die man aus der Kindheit kennt. Das ist der Duft, die Atmosphäre“, sagt Maria Zdrenka, die seit 24 Jahren bei Braune ihr Brot kauft. Mit Bedauern hat sie festgestellt, dass seitdem viele eingesessene Geschäfte verschwunden sind. Auch bei ihrem Bäcker sind neue Produkte dazu gekommen. „Aber das Ursprüngliche ist geblieben und das schmeckt man“, sagt die 62-Jährige. Tatsächlich sind in Potsdam nur noch drei traditionelle Bäckereien übriggeblieben.

Darunter die Bäckerei Braune, die Ururgroßvater Gustav 1853 kaufte. Auch wenn Werner Gniosdorz euphorisch von den Anfängen erzählt, ist das Jubiläum auch ein Abschied. Zum Monatsende geht seine Frau Heidelore in Rente. Nach der Wende stieg die Diplom-Chemikerin in den Familienbetrieb ein. „Aus Liebe zur Familie habe ich Lohnbuchhaltung gelernt“, sagt sie. Zusammen führten sie die Tradition fort. Und die nächste Generation steht in den Startlöchern. Daran geglaubt hatte Werner Gniosdorz schon nicht mehr, denn Tochter Birgit arbeitete nach ihrem Studium als Biologin in Belgien. Doch sie kam zurück. Sie steht kurz davor, ihre Ausbildung zur Konditormeisterin zu beenden.

Natalie Mayroth

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