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Immer die Brille auf. Konstrukteur Johannes Muck (u.r) trägt die Mixed-Reality-Smartbrille „HoloLens“. Ohne diese technische Hilfe, wäre das Projekt wohl nicht umsetzbar gewesen.

© Michael Lueder Art Department St

Babelsbergs Kulissenbauer: Durch die Brille in die Zukunft geschaut

Für das Berliner Futurium haben die Kulissenbauer des Studio Babelsberg eine höchst komplexe Skulptur geschaffen. Als Anleitung diente ein Hologramm.

Von Florian Kistler

Potsdam - 1500 Dreiecksplatten in zwölf unterschiedlichen Formen, verbunden durch 4500 eigens angefertigte Winkelverbinder in 16 verschiedenen Krümmungen. Die Dimensionen der „Neo-Natur“-Skulptur im September 2019 eröffneten Zukunftsmuseum Futurium in Berlin sind enorm. So enorm, dass das Art Department Studio Babelsberg, das für den Aufbau beauftragt wurde, eine spezielle sogenannte Mixed-Reality-Smartbrille verwendet werden musste. „Ohne diese technische Hilfe, wäre das Projekt nicht umsetzbar gewesen“, sagt Projektleiter Robert Samtleben. Mit der Brille „HoloLens“ kann man sowohl die Wirklichkeit sehen, als auch Hologramme in einem Raum sichtbar machen. Das Art Department Studio Babelsberg machte sich diese Technik zunutze, um die vielen einzelnen Bauteile der über acht Meter hohen Skulptur an der richtigen Stelle zu montieren. „Bei der Montage waren drei bis vier Personen beteiligt. Einer von ihnen hatte die Brille auf und koordinierte das Ganze“, sagt Samtleben. Die Technik habe das Art Department Studio Babelsberg zum ersten Mal im Handwerk angewendet. „Wir haben damit gezeigt, dass solche Brillen nicht nur Spielereien für den Computer sind“, so Samtleben. Auf die Frage, ob die Arbeit damit auf Dauer nicht Kopfschmerzen bereite, sagt Konstrukteur Johannes Muck, der beim Skulptur-Bau mit der Brille arbeitete, dass das Tragen kein Problem sei: „Das geht. Klar ist die Brille schwer und ein Klotz auf dem Kopf, aber an sich ist das nicht schlimm.“

Teamwork. Drei bis vier Personen waren an der Montage der „Neo-Natur“-Skulptur beteiligt. Zuvor wurde in Babelsberg heftig diskutiert, ob das Projekt überhaupt zu stemmen sei.
Teamwork. Drei bis vier Personen waren an der Montage der „Neo-Natur“-Skulptur beteiligt. Zuvor wurde in Babelsberg heftig diskutiert, ob das Projekt überhaupt zu stemmen sei.

© Michael Lueder Art Department St

Die „Neo-Natur“-Skulptur wurde im Auftrag der Berliner Designagentur ART+COM erstellt und befindet sich in einem von drei Themenräume. Sie soll über mehrere Jahre bestehen bleiben. Neben dem Raum „Natur“ können sich die Besucher des Zukunftsmuseums auch die Ausstellungsbereiche „Mensch“ und „Technik“ ansehen.

Die Gestaltung der „Neo-Natur“-Skulptur durch Ingenieure habe bereits mehrere Jahre vor der Fertigstellung im vergangenen Juli begonnen. „Zwei Jahre vor der Veröffentlichung wurden wir dann mit der Idee konfrontiert“, sagt Samtleben. Ob man eine derartig komplexe Skulptur überhaupt bauen könne, habe im Vorfeld intern für große Diskussionen gesorgt. „Ein solcher Auftrag bedeutet, dass die Werkstatt erst einmal ausgelastet ist und keine Filmanfragen annehmen kann“, sagt Samtleben. Trotz der Unsicherheiten habe man „schließlich Mut bewiesen“ uns sich der Aufgabe gestellt. In enger Zusammenarbeit mit den Ingenieuren habe man die Materialien ausgebaut, erste Entwürfe erstellt und schließlich einen Prototypen gebaut. Richtig intensiv seien die Arbeiten dann ein Jahr vor der Fertigstellung geworden. „Die Winkel und Schrauben haben wir speziell anfertigen lassen, unter anderem von einer Firma, die eigentlich die Automobilbranche beliefert“, sagt Samtleben. Die knapp 1500 Holzdreiecksplatten habe man selbst zugeschnitten. „Das war sehr anspruchsvoll. Die Arbeit erforderte höchste Präzision, weil die Teile am Ende ineinandergreifen müssen.“ Etwa 20 Arbeiter seien an der Produktion beteiligt gewesen.

Dass die „Neo-Natur“-Skulptur lediglich aus Dreiecken, Winkeln und Schrauben bestehe, habe einen besonderen Grund. Sie soll einem neuen Naturverständnis Rechnung tragen und folgt einem vom Mathematiker Ludwig Danzer entwickelten modularen System, mit dem sich selbst mit einer geringen Anzahl verschiedener Module komplexe, naturähnliche Raumkörper konstruieren lassen.

Robert Samtleben vom Art Department des Studios Babelsberg. 
Robert Samtleben vom Art Department des Studios Babelsberg. 

© Manfred Thomas

Die Verwendung einer Mixed-Reality-Smartbrille gehe auf die beteiligten Ingenieure zurück. Die, so Samtleben, hätten damit bereits erste Erfahrungen gesammelt. Neben einem erleichterten Aufbau habe die Technologie noch einen weiteren Vorteil. „Wir konnten damit den Verantwortlichen des Futuriums bereits sehr früh einen Einblick in unser Vorhaben geben“, sagt Samtleben. Man konnte virtuell unter der Skulptur durchgehen und sie von verschiedenen Blickwinkeln aus betrachten. „Das ist viel eindrucksvoller, als lediglich eine Animation am Computer“, sagt Samtleben. Gerade für Projekte die sehr Aufwendung und aus Gründen des Budgets riskant sind, seien solche technischen Möglichkeiten ideal.

"Das wird häufiger kommen"

Ob die Hologramm-Technologie auch bei zukünftigen Dekorations- und Kulissenbauten des Art Department Studio Babelsberg zum Einsatz komme, sei derzeit noch unklar. „Projekte, die sehr komplex sind, könnten den Gebrauch rechtfertigen“, sagt Samtleben. Man müsse aber auch bedenken, dass die benötigte Software und die Brille selbst nicht gerade billig sind. „So etwas kauft man nicht einfach so nebenbei“, sagt Samtleben. Bei der Montage im Futurium habe man sich die Technologie über das Medienstadtnetzwerk vom Hasso-Plattner-Institut geliehen. Konstrukteur Johannes Muck glaubt fest daran, dass derartige technische Hilfsmittel beim Handwerk auch in Zukunft öfters verwendet werden. „Ich sehe darin die Zukunft. Das wird häufiger kommen.“

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