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Ein Trümmerfeld. Während gestern Nachmittag auf der Haupttribüne im Karl-Liebknecht-Stadion weiter fleißig gewerkelt wurde, herrschte nebenan in der Geschäftsstelle des SVB gespenstische Stille.

© H. Mallwitz

Babelsberg 03: Fußball, Filz und Festplatten

Mit dem Rückzug von Peter Paffhausen bricht endgültig ein Potsdamer Geflecht aus Politik, Sport und Wirtschaft um den SV Babelsberg 03 in sich zusammen

In der Potsdamer Filz-Affäre überschlagen sich die Ereignisse: Es geht nicht mehr nur um frühere Stasi-Zuträger oder um Spitzeldienste in städtischen Unternehmen. Nun geht es auch um gestohlene Laptops, möglicherweise brisante Daten und die Nähe von Sport und Politik – und um die Zukunft des Fußball-Drittligisten SV Babelsberg 03. Die Opposition im Landtag wittert inzwischen ein personelles Netzwerk, das sowohl beim Dumping-Verkauf der Kasernen in Potsdam-Krampnitz als auch in der Stadtwerke-Affäre aktiv war, die dem einflussreichen Peter Paffhausen den Posten als Unternehmenschef gekostet hat. Denn es gibt eine auffällige Überschneidung, ja Gemeinsamkeit: Alle Protagonisten haben oder hatten mit dem Fußballclub Babelsberg 03 zu tun.

Es begann mit Ex-Innenminister Rainer Speer (SPD), dem Präsidenten des SVB, der im September 2010 über eine Unterhaltsaffäre um ein uneheliches Kind gestolpert war. Die Bild-Zeitung hatte aus E-Mails von Speers angeblich gestohlenem Laptop berichtet, auf dem noch mehr brisante Daten vermutet wurden.

Wie erst jetzt bekannt wurde, ist auch dem Potsdamer Unternehmensberater Thilo Steinbach, einem engen Vertrauten Speers und Marketingchef beim SVB, im März der Laptop gestohlen worden. Von Ermittlern hieß es, Steinbach habe erklärt, jemand sei in seine Villa am Potsdamer Jungfernsee eingestiegen, habe den Rechner mitgenommen, andere Wertgegenstände aber nicht beachtet. Auf dem Laptop seien aber keine wichtigen Daten und Informationen. Allerdings hat wie im Fall Speer die Staatsanwaltschaft Potsdam den Fall an sich gezogen und prüft einen möglichen Zusammenhang.

Auch SVB-Geschäftsführer Ralf Hechel kam der Laptop abhanden. Als vor einigen Monaten bekannt wurde, dass Hechel in der DDR einst Inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit war, löste das bei Fans Proteste aus, ein Sponsorentreffen wurde abgesagt. Ob sich auf Hechels Computer brisante Daten befanden, ist ungewiss.

Ausgerechnet jetzt gerät die aus dem Konjunkturpaket II von Bund und Land finanzierte acht Millionen Euro teure Sanierung des Karl-Liebknecht-Stadions ins Zwielicht. Der Landesrechnungshof hat nach PNN-Informationen einen Verstoß gegen das Vergaberecht festgestellt. Der 183 000-Euro-Auftrag für die Gesamtprojektsteuerung des Vorhabens ging ohne Ausschreibung an die EWP Potsdam. Bisheriger Chef war Peter Paffhausen, der aber war bislang auch Aufsichtsratschef beim SV Babelsberg 03. Die EWP sponserte den Club jährlich mit 370 000 Euro.

Mit dem Geschehen rund um den Fußballclub will sich wegen all dieser Verstrickungen auch der Untersuchungsausschuss des Landtags zur Immobilienaffäre um die Krampnitz-Kasernen befassen. Auch Steinbach soll als Zeuge geladen werden. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel sagte, der erzwungene Rücktritt des Stadtwerke-Chefs Paffhausen werfe ein Schlaglicht auf ein „ungutes Geflecht zwischen Kommunal- und Landespolitikern, vornehmlich von SPD und Linke, kommunalen Unternehmen und Sportvereinen“. Vogel sagte, „dem Anschein nach konnte sich in Potsdam ein Freundeskreis aus wenigen einflussreichen Persönlichkeiten etablieren, der sich der Kontrolle der Volksvertretung völlig entzieht“.

Zu diesem Freundeskreis gehörten Speer, Steinbach und Paffhausen. Letzterer hat am Montagabend seinen Posten als Aufsichtsratsvorsitzender niedergelegt. Speer lobte ihn noch als „unverzichtbare Stütze des Vereins“, hob dessen „unermüdliches jahrelanges Engagement für den Sport in Potsdam „allgemein und besonders“ für den SV Babelsberg 03 hervor. Aber Speer informierte zugleich, dass wegen ausgebliebener Sponsorenzusagen die Insolvenz und der Zwangsabstieg aus der 3.Liga drohen – und er deutete seinen eigenen Rücktritt an.

Denn dem Club kommen die Sponsoren abhanden, Geldgeber halten sich seit Wochen auffällig zurück – erst durch den Untersuchungsausschuss des Landtags, nun verstärkt durch die Spionagevorwürfe gegen Paffhausen bei den Stadtwerken und dessen Rückzug dort.

Frank Marczinek, ebenfalls ein enger Vertrauter von Speer, hat sich bereits vor einiger Zeit aus dem Vereinsvorstand zurückgezogen – offenbar um den Club zu schützen. Er war im Vorstand für den nun vom Landesrechnungshof kritisierten Bau verantwortlich, gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft Potsdam zudem wegen des Verdachts auf schwere Untreue zum Schaden des Landes.

Er hatte als Geschäftsführer der unter Speer privatisierten Brandenburgischen Boden Gesellschaft (BBG) den Dumping-Verkauf der Krampnitz-Kasernen an ein dubioses Firmengeflecht eingefädelt. Ein anderer aus diesem Kreis von Sportsfreunden war der Architekt Moritz Kock, der ebenfalls im Clubvorstand saß und 2009 beim Absturz einer Air France-Maschine über dem Atlantik ums Leben kam. Kocks Büro „Kock & Lünz“ hatte ein Entwicklungskonzept für Krampnitz erstellt, in Kocks Auftrag war auch Steinbach dabei aktiv, verhandelte mit dem Potsdamer Rathaus darüber. Schließlich bekam Kocks Büro 2010 den knapp 400 000 Euro schweren Planungsauftrag für die Sanierung des Karl-Liebknecht-Stadions.

Nach Kocks Tod war Marczinek zum Club gestoßen. Der war nach der Wende Staatssekretär unter Verteidigungsminister Rainer Eppelmann. Als NVA-Offizier soll er in der DDR als Inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) mit dem Decknamen „Frank Wulff“ Soldaten bespitzelt haben, wie aus seinen Stasi-Akten hervorgeht. Heute ist Marczinek CDU-Mitglied, ebenso Steinbach, der nach der Wende als außenpolitischer Berater von DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière (CDU) die Wiedervereinigung mitausgehandelt hat.

Doch nun droht dem Unternehmensberater, der in Potsdam gern bei komplizierten Investitionsvorhaben eingeschaltet wird, Ungemach von seiner Partei. Brandenburgs CDU will Steinbach ausschließen. Das will CDU-Generalsekretär Dieter Dombrowski dem Landes-Vorstand vorschlagen. Grund, so Dombrowski, sind Stasi-Vorwürfe gegen Steinbach. Dombrowski sagt, es „liegen ausreichend Erkenntnisse vor“, dass Steinbach gegen die Parteisatzung verstoßen habe, „indem er andere Bürger an das MfS denunzierte“. Steinbach hatte dies stets vehement bestritten. Seine Darstellung bestätigte auch Richard Schröder, Gründungsmitglied des Beirats des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes und bis Januar 2009 Verfassungsrichter in Brandenburg. Er stellt in einer Erklärung für Steinbach fest: „Dies ist keine typische IM-Akte. Es ist dem Inhalt nach die Akte von einem gescheiterten Anwerbeversuch.“

Nur eins wagt in diesen Potsdamer Tagen, in denen sich alles überschlägt, niemand zu prophezeien, nämlich, wen die Affäre noch alles mitreißen wird. Und wann die nächsten Interna aus gestohlenen oder verschwundenen Laptops kursieren, ein Polit-Thriller mit allen Zutaten.

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