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Eine autonome fahrende Straßenbahn fährt auf dem ViP-Betriebshof durch die Waschanlage.

© Sören Stache/dpa

Autonome Straßenbahnen im ViP-Betriebshof: Wenn die Tram sich selbst wäscht

Siemens Mobility stellte den automatisierten Betriebshof der Potsdamer Verkehrsbetriebe vor.

Potsdam - Während bundesweit die Lokführer:innen streikten, stellte Siemens Mobility am Montag in Potsdam seine autonom fahrende Straßenbahn vor: Das Tor der Abstellhalle öffnet sich, eine Tram der Potsdamer Verkehrsbetriebe (ViP) rollt heraus und klingelt, während sich ein orangenes Licht im Führerhäuschen dreht. Dort sitzt – niemand, nur ein grauer Kasten mit vielen Knöpfen. „Es ist das erste Mal, dass die Tram ohne Notfallfahrer unterwegs ist, anders als 2018, als wir sie vorgestellt haben“, sagt Daniel Hoepffner von Siemens Mobility stolz.

Autonome Tram klingelt und stoppt - alles gut gegangen

Die autonome Tram kann gleich zeigen, was sie kann: Unversehens fährt ein Transporter zum Ausgang des Betriebshofes und kreuzt dabei die Gleise. Die Tram fährt weiter, der Transporter auch, nur wenige Meter trennen sie noch, doch das autonome Fahrzeug klingelt und bremst ruckartig ab – alles noch einmal gutgegangen. „Das war nicht geplant!“, sagt Matthias Hofmann von Siemens Mobility.

Die autonome Tram ist aber gar nicht die eigentliche Neuigkeit, die Siemens Mobility heute zusammen mit der ViP präsentieren will, selbstständig fahren konnte der Prototyp schon 2018. Entscheidend sei, dass nun auch das Depot automatisiert sei, sagt Hoepffner: „Die Tram fährt zum Beispiel selbstständig in die Waschanlage, die wurde früher manuell gesteuert, genau wie die Türen der Abstellhallen.“ AStriD („Autonome Straßenbahn im Depot“) heißt das Forschungsprojekt, das künftig viele Prozesse auf dem Betriebshof effizienter und sicherer machen soll.

Der ViP Betriebshof soll digitalisiert werden, dazu gehören auch autonom fahrende Trams auf dem Gelände.
Der ViP Betriebshof soll digitalisiert werden, dazu gehören auch autonom fahrende Trams auf dem Gelände.

© Sebastian Gabsch PNN

Im Oktober 2019 wurde AStriD erstmals vorgestellt, es soll eine Blaupause für vollautomatisierte Straßenbahndepots auf der ganzen Welt sein. Gefördert wird das Projekt mit 2,7 Millionen Euro durch die Förderrichtlinie Modernitätsfonds des Bundesverkehrsministeriums. „Mit der Depotautomatisierung können wir unsere Kunden noch besser dabei unterstützen, eine nachhaltige Wertsteigerung über den gesamten Lebenszyklus sicherzustellen und Verfügbarkeiten zu garantieren“, sagt Albrecht Neumann, CEO von Siemens Mobility. Die Marktreife der Technologie ist für 2026 geplant.

Betriebshof digitalisieren, Rangierprozesse reduzieren

Bis dahin ist das Depot der ViP der AStriD-Musterbetrieb: „Zusammen mit unseren Partnern nutzen wir wertvolle Synergien, um den Betriebshof zu digitalisieren und zeitintensive Rangierprozesse zu reduzieren“, sagt Neumann. Neben Siemens Mobility und der ViP sind auch das Karlsruher Institut für Technologie und das Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität am Projekt beteiligt. „Autonomes Fahren auf der Strecke und in den Depots entlastet unser Fahrpersonal und erhöht die Sicherheit unserer Fahrgäste und der übrigen Verkehrsteilnehmer“, sagt ViP-Chef Uwe Loeschmann. „Das autonome Fahren mit dem System AStriD eröffnet die Möglichkeit zu automatisierten Reinigungs-, Versorgungs- und Abstellvorgängen mit zentraler Steuerung und Erhöhung der Betriebssicherheit.“

Bunte Punkte flackern auf dem Bildschirm

Nun fährt die Tram los zur Waschanlage, auf den innen angebrachten Monitoren können die Fahrgäste sehen, was die Tram durch ihre vielen Lasersensoren und Kameras wahrnimmt: Bunte Punkte flackern auf dem Bildschirm auf, sie deuten schemenhaft die Umgebung an, ein blaues Band direkt vor der Tram zeigt den Fahrtweg. „Wenn sie dort ein Hindernis registriert, färbt es sich rot und die Tram stoppt.“ 

Erkennen Sensoren ein Hindernis im Fahrweg, bremst die Tram automatisch ab.
Erkennen Sensoren ein Hindernis im Fahrweg, bremst die Tram automatisch ab.

© Sebastian Gabsch PNN

Dies passiert wenige Augenblicke später, als die Tram vor dem Tor der Sandanlage bremst – damit die Räder besseren Halt bekommen, wird bei der Fahrt aus der Tram heraus feiner Sand auf die Schienen gestreut, hier werden die Behälter wieder aufgefüllt. Das Tor öffnet sich und die Fahrt geht weiter zur Waschanlage, die bereits auf die Tram wartet und ihr Reinigungsprogramm startet.

„Das sind Prozesse, die oft mit vielen Wartezeiten für die Mitarbeiter verbunden sind“, sagt Neumann. Monotone Tätigkeiten werden so automatisiert, auch lange Wege, die die Mitarbeitenden auf dem weitläufigen Betriebshof machen müssen, sollen so wegfallen.

Die Digitalisierung des Betriebshofs soll auch lange Wege für Mitarbeiter verkürzen, wenn Trams ohne Fahrer fahren. 
Die Digitalisierung des Betriebshofs soll auch lange Wege für Mitarbeiter verkürzen, wenn Trams ohne Fahrer fahren. 

© Sebastian Gabsch PNN

Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) zeigte sich begeistert von AStriD: „Das ist ein wichtiges, zukunftsweisendes Projekt. Wenn diese neue Technik in den kommenden Jahren praxistauglich umsetzbar ist, könnte dies die Verkehrsunternehmen auf dem Weg zur Modernisierung des öffentlichen Nahverkehrs unterstützen.“ Schubert äußerte die Hoffnung, dass die Tram bald nicht nur im Depot, sondern auch im Straßenverkehr eingesetzt würde. Der Oberbürgermeister hatte sich in der Vergangenheit schon einmal von der Sicherheit der autonomen Technik überzeugt, indem er sich der fahrenden Straßenbahn in den Weg gestellt und diese korrekt abgebremst hatte.

Ausfahrt aus der Waschstraße - und das ohne Fahrpersonal in der Tram.
Ausfahrt aus der Waschstraße - und das ohne Fahrpersonal in der Tram.

© Sebastian Gabsch PNN

Siemens: Meilenstein zur autonom fahrenden Tram

Auch Siemens Mobility träumt auf lange Sicht von einem Einsatz im echten Verkehr: „AStriD ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur autonom fahrenden Straßenbahn“, so Neumann. Und es könnte tatsächlich Vorbildfunktion haben: „So ein Projekt ist in Deutschland bislang einmalig“, sagt Daniel Hoepffner.

AStriD ist nicht das einzige Projekt zum autonomen Fahren in Potsdam: Am 7. und 8. September findet unter dem Titel „Soulmachine – Der selbstlernende Robobus“ ein Mitmach-Experiment der Performance-Gruppe Interrobang statt. Auf der Tour durch das Bornstedter Feld können fünf Passagiere in einem umgebauten Minivan Platz nehmen und per Tablet und Sprachsteuerung mit der künstlichen Intelligenz des Fahrzeugs interagieren. Interessierte können sich im Internet anmelden.

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