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Der breitkrempige Exoten-Strohhut gehörte bei der Gesellenprüfung zu den großen Herausforderungen der Potsdamer Hutmacherin Ella Hanisch. 

© Andreas Klaer

Auszeichnung im Bundeswettbewerb: Potsdamerin unter den besten Hutmachern Deutschlands

Ella Hanisch hat sich unter 3000 Konkurrenten durchgesetzt ist bei einem Bundeswettbewerb auf den dritten Platz gekommen. Gelernt hat sie in der Potsdamer Jägerstraße.

Potsdam - Es war ziemlich stressig bei der Gesellenprüfung des deutschen Handwerksnachwuchses in Stuttgart: Ella Hanisch hatte den Rand ihres zweiteiligen exotischen Strohhuts über eine Holzform gezogen, dann eine Ausbuchtung, den sogenannten Kopf, über einem zweiten Kopf fixiert. Nun fehlten noch die Spitze und der Spanndraht, der den Hut zusammenhalten soll sowie die schmückende Garnitur aus Blüten und die Borte.

Zwölf Stunden, über zwei Tage verteilt, dauerte die Herstellung des Huts, nebenbei musste die 22 Jahre alte Potsdamerin vor den Augen der Prüfungskommission noch zwei weitere Hüte produzieren: einen Filzhut als Pflichtmodell und für die zweite Kür einen Elbsegler, das Markenzeichen des früheren westdeutschen Kanzlers Helmut Schmidt. 

Unterstützung aus Potsdam per Whatsapp

Ella Hanisch hatte bei Kristin Müller, Inhaberin des maliné-Hutateliers in der Jägerstrasse 36, ihre Ausbildung absolviert, nun half ihre Meisterin während der Prüfung: Via Whatsapp sendete sie einen genauen Zeitplan mit der empfohlenen Höchstdauer der einzelnen Fertigungsschritte.

„Es war am Schluss dann eine Punktlandung, ich war richtig erschöpft“, erzählt die junge Frau. Die Hutmacherin hatte schon beim brandenburgischen Landeswettbewerb des Handwerksnachwuchses den ersten Platz belegt, aber auch mit ihrem Ergebnis in Stuttgart kam sie zu Ruhm. Denn für die bundesweite Platzierung werden alle theoretischen und praktischen Prüfungsteile zusammengezogen. 

„Ich weiß, was ich kann“, sagte sie den PNN. „aber mit dem dritten Platz auf Bundesebene hatte ich wirklich nicht gerechnet.“ Der Erfolg qualifiziert sie unter anderem für ein Auslandsstipendium.

Ihrer Mutter sah Hanisch beim Nähen zu

Ella Hanisch, im Dorf Kittlitz bei Löbau in der sächsischen Oberlausitz aufgewachsen, ist dabei, sich einen Lebenstraum zu erfüllen. Ihre Mutter, heute Finanzbeamtin, ist gelernte Schneiderin, gern sah die Tochter ihr beim Umnähen zu. Bald wurde ihr klar, dass sie ein Handwerk lernen wollte. Nach dem Fachabitur besuchte sie eine Schule für Kunst und Gestaltung, ein Praktikum in der Schneiderei der Dresdner Semper-Oper bestärkte sie in ihrem Berufswunsch, vor allem ein Tag bei den Modisten.

Wegen ihrer bemerkenswerten Schulabschlüsse und ihrer auffälligen Bewerbungsmappe war es für Ella Hanisch ein Leichtes, eine Ausbildungsstelle in Potsdam zu finden – trotz etlicher Mitbewerber. „Ich habe gleich gesehen, dass es passt“, sagt Meisterin Müller, „Kreativität, handwerkliches Geschick und Genauigkeit, das sind ihre Stärken“.

Nur noch 46 Modisten-Azubis gibt es 

Lange Zeit war das traditionsreiche Gewerbe in drei eigenständige Handwerkssparten unterteilt. Hutmacher zogen den Filz über Holzformen, Kappenmacher vernähten die Kappen und Putzmacher brachten die Garnituren an. Nun heißen alle Modisten – und die Ausbildungsplätze sind rar in Deutschland. 2010 gab es bundesweit noch 46 Auszubildende, 2016 noch 33 und 2018 nur noch 15.

„Es sah so aus, als sei das Modistenhandwerk ein aussterbender Beruf“, sagte Lutz Denken, Geschäftsführer des Bundesinnungsverbandes für das Modistenhandwerk, den PNN, „aber jetzt scheinen Hüte bei jüngeren Leuten vor allem durch Künstler, die sie tragen, wieder in Mode zu kommen.“

Früher prägten Schauspieler wie Patrick Macnee in der britischen Krimiserie „Mit Schirm, Charm und Melone“ das Bild der Hutträger, Humphrey Bogart ist nicht nur in „Casablanca“ ohne Trenchcoat und Borsalino kaum vorstellbar, Sean Connery alias James Bond ohne seinen Trilby ebensowenig. 

Auch viele Musiker tragen Hüte als Markenzeichen 

Dann kam der Hut-Auftritt der Musiker: Der vor drei Jahren verstorbene Sänger Roger Cicero machte einen Trilby-Hut zu seinem Markenzeichen, das dünnhaarige Haupt seines Berufskollegen Udo Lindenbergs verschwindet fast immer unter einem lässigen Fedora-Hut. Auch Justin Timberlake, Pharrell Williams, Madonna und Lady Gaga schätzen einen modischen und bisweilen schrillen Hut.

Auch Ella Hanisch glaubt an das lässige Comeback des Huts. „Serien wie ’Babylon Berlin’ mit vielen Hüten aus den goldenen zwanziger Jahren bringen uns neue Kunden ins Geschäft“, sagt sie. Wieder im Kommen sei unter Berliner Hipstern zudem der sogenannte Honecker-Hut, ein Porkpie: „Sie schieben sich ihn weit auf den Hinterkopf“.

Ihr macht auch der Verkauf Spaß. „Es ist einfach schön, wenn jemand zu uns kommt und wie so viele sagt, er habe kein Hutgesicht. Wir suchen dann die passende Kopfbedeckung und freuen uns, wenn es unserem Kunden gefällt.“

Ihre Chefin Kristin Müller, die die 21 Jahre alte Johanna Schödensack als neue Auszubildende eingestellt hat, hofft, dass Ella Hanisch „noch ein bis zwei Jahre bleibt, bevor sie weiterzieht“.

Deren Pläne allerdings geben den Weg vor. „Kostümbildnerin beim Theater oder in der Oper, das wäre ein absoluter Traum“, sagt sie, „oder die Kostüme für eine weltweite Produktion wie ,Alice im Wunderland’ zu entwerfen und herzustellen.“ Der verrückte Hutmacher aus dem Wunderland, der hat es auch Ella Hanisch angetan.

Carsten Holm

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