zum Hauptinhalt
Michael Heinroth (r.) und Michael Zajonz (l.) erstellten die Ausstellung 1989.

© Ottmar Winter

Ausstellung "Suchet der Stadt Bestes": Mit Holztafeln gegen den Abriss der Innenstadt

Die Ausstellung „Suchet der Stadt Bestes“ trug zum Erhalt der Altstadt bei. Nun wurde sie dem Potsdam Museum übergeben.

Potsdam - Halb verfallene Häuser, marode Fassaden, Bagger, die historischer Bausubstanz zu Leibe rücken: Die Fotos der Ausstellung "Suchet der Stadt Bestes", die im Herbst 1989 in der Nikolaikirche gezeigt wurde, zeigen die Zweite Barocke Stadterweiterung in einem traurigen Zustand. Mit der Dokumentation, der viele erklärende Texte zur Seite gestellt wurden, versuchte eine kleine Gruppe engagierter Potsdamer den drohenden Verlust der historischen Innenstadt zu verhindern. Denn nicht nur der Zahn der Zeit nagte an dem bedeutenden Flächendenkmal: Da eine Sanierung zu teuer war, plante die Stadt den Abriss ganzer Straßenzüge, der zum Teil bereits im Gange war.

"Es ging darum, den Abriss der Innenstadt zu verhindern"

Mit der Ausstellung wurde Potsdams Umgang mit den denkmalgeschützten Bauwerken in der DDR erstmals öffentlich kritisiert – zu einer Zeit, als keineswegs klar war, dass es den Staat bald nicht mehr geben würde. Nun sollen die 25 Holztafeln, die dazu beitrugen, den Verfall der Altstadt aufzuhalten, einen festen Platz im Potsdam Museum erhalten. "Das ist ein wichtiges Stück für unsere künftige Dauerausstellung ab 2023", sagte Hannes Wittenberg, stellvertretender Direktor des Potsdam Museums, bei der Übergabe der Tafeln am Mittwoch.

Aufbewahrt wurden sie von Michael Heinroth, der die Ausstellung einst mit Michael Zajonz zusammen recherchiert und erstellt hatte. "Es ging darum, den Abriss der Innenstadt zu verhindern", sagt Heinroth, der damals selbst dort wohnte und aus nächster Nähe mitbekam, wie seine Nachbarschaft verfiel. Da es keine kritische Presse gab, die sich um das Thema kümmerte, musste er die Sache selbst in die Hand nehmen: Heinroth schloss sich dem grünen Netzwerk "Arche" der evangelischen Kirche an und begann mit Recherchen für eine oppositionelle Zeitung aus dem Umfeld der Zionskirche Berlin. Dazu vergrub er sich tief in die Geschichte der Häuser und förderte zum Teil 150 Jahre alte Geschäftsakten der früher hier wohnenden Handwerker hervor.

Zu den Recherchen gehörten neben Fotos auch Filmaufnahmen und Interviews mit Anwohnern – eine riskante Angelegenheit: "Öffentlich zu filmen war in der DDR verboten", sagte Heinroth. Die Aufnahmen – zum Teil heimlich aus dem fahrenden Trabbi heraus gedreht – waren für das Westfernsehen leider unbrauchbar, denn in das Team rund um Zajons und Heinroth hatte sich ein Stasi-Spitzel eingeschlichen. Als Kameramann lieferte dieser absichtlich schlechte Aufnahmen: "Er hat dann gesagt, er kenne sich halt nicht mit Kameras aus, und wir haben ihm das abgenommen", so Heinroth.

Die Tafeln dokumentieren den Verfall.
Die Tafeln dokumentieren den Verfall.

© Ottmar Winter

Name der Ausstellung einem Bibelzitat entlehnt

Umso mehr Erfolg hatten die Fotos, die – unterlegt mit etlichen Hintergrundinformationen zur Architektur-Geschichte der Zweiten Barocken Stadterweiterung und den politischen Beschlüssen zu ihrem Erhalt – ihren Weg in die besagte Ausstellung fanden, dessen Name einem Bibelzitat entlehnt war. Ein kleines Team von acht bis zehn Potsdamern hatte die Ausstellung innerhalb von sechs Wochen unter viel Zeitdruck fertiggestellt – ohne Bildbearbeitungsprogramme, mit handgeschriebenen Texten und selbstgezimmerten Holzrahmen, wie Hannes Wittenberg anerkennend betonte.

Rund 10 000 Menschen sahen die Ausstellung im September und Oktober 1989 in der Nikolaikirche, darunter nicht nur Potsdamer, sondern auch viele Touristen aus Ost- wie Westdeutschland. "In der Stadt gab es ja gar kein Bewusstsein dafür, wie wertvoll dieses Flächendenkmal ist", sagte Heinroth. Immerhin gehörte es zur ersten Kategorie auf der zentralen Denkmalliste der DDR, genau wie Park und Schloss Sanssouci – dennoch sollten hier nach staatlichem Willen rund tausend Neubauwohnungen entstehen. Dabei habe die Stadt an anderer Stelle durchaus behutsam saniert, so Wittenberg. Unter anderem sei sogar die komplette Sanierung des holländischen Viertels bis 1993 geplant gewesen – doch es fehlten schlicht die Mittel.

Teile der Innenstadt waren abrissreif.
Teile der Innenstadt waren abrissreif.

© promo

Zahlreiche Einträge ins Gästebuch der Ausstellung, das ebenfalls dem Potsdam Museum übergeben wurde, zeigen, dass die Schau 1989 einen Nerv getroffen hatte. "Ich dachte, der Krieg hätte genug zerstört – mehr scheint nun aber der ,Frieden’ zu tun", lautet einer der Einträge. Nicht wenige Besucher unterschrieben mit ihrem vollen Namen.

Große Resonanz bei Denkmalschützern

Noch größer sei die Resonanz bei Denkmalschützern und Historikern gewesen, sagt Michael Zajonz: "Im Grunde sprachen wir aus, was die schon lange dachten." So bildeten die Ausstellung und die dazugehörigen Recherchen eine wichtige Grundlage für den Abrisstopp in der historischen Innenstadt, der am ersten November 1989 von der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung beschlossen wurde. "Die Ausstellung war ein Katalysator für diese Entwicklung", sagte Wittenberg. "Ohne sie würde die Zweite Barocke Stadterweiterung heute nicht so aussehen, wie sie es tut."

Manches war zu diesem Zeitpunkt jedoch schon verloren: Bereits im August 1989 war ein denkmalgeschütztes Haus in der Dortustraße zerstört worden, in dem zeitweilig der Dichter Theodor Storm gewohnt hatte. Das Netzwerk der Arbeitsgemeinschaft für Umweltschutz und Stadtgestaltung (Argus), dem auch Heinroth und Zajonz angehörten, hatte sich zuvor vergeblich um den Erhalt des Hauses bemüht, sogar noch während der Abriss lief: "Wir haben einen alten Kachelofen Kachel für Kachel abgetragen und waren fast fertig, als ein Bagger direkt gegen die Wand donnerte", sagte Heinroth.

Heinroth erfuhr erst 1995 die Wahrheit

Zuvor hatten die Argus-Aktivisten versucht, die Zerstörung zu verhindern, unter anderem indem sie eine von einem befreundeten Steinmetz angefertigte Sandsteintafel anbrachten, die auf die historische Bedeutung des Bauwerks hinwies. "Zwei Tage später war die Tafel weg – wir dachten natürlich, die Stasi hätte sie abgenommen", sagte Heinroth.

Die Wahrheit erfuhr er erst 1995 bei einem Hoffest in der Jägerstraße: "Ich unterhielt mich mit einem der Gäste über die Geschichte und da sagte er: ,Was, ihr habt die damals aufgehangen? Ich habe die Steintafel’." Studierende hatten sie damals abgenommen, um wenigstens die vermeintlich historische Tafel vor dem Abriss zu bewahren. "Seit 2013 befindet sich die Tafel bei uns im Museum", so Wittenberg. "Auch sie wird Teil der künftigen Dauerausstellung sein."

Zur Startseite