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Ausstellung "Kaiserdämmerung" in Potsdam: Wurzelbesen, Kohleneimer und Feuerlöscher

Am Samstag öffnet im Neuen Palais die Ausstellung „Kaiserdämmerung“, die sich dem Ende der Monarchie widmet.

Von Peer Straube

Potsdam - Der Kaiser war gründlich. Weggeschafft wurde alles, wirklich alles. Beispiel gefällig? „153 Wolldecken, weiß und rot, 58 Papierkörbe, davon 2 Bronze, 56 Holzspangeflecht, 50 Scheren in Etuis, 20 Lineale, poliert, 132 Streichholzständer und Aschenbecher, 520 Kleiderbügel, 23 Haar- und Wurzelbesen, 15 Handfeger“. Penibel wird Seite um Seite aufgelistet, was Wilhelm II. und seine Frau Auguste Viktoria nach der Abdankung des Kaisers aus dem Neuen Palais abtransportieren ließen. 63 Eisenbahnwaggons, aufgeteilt auf sechs Transporte, brachten 1919 und 1920 den Hausrat und die Kunstgegenstände der kaiserlichen Familie nach Haus Doorn, den niederländischen Exilsitz des Kaisers.

Rund 40 Prozent davon, schätzt Samuel Wittwer, Schlösserchef der Schlösserstiftung, stammten allein aus dem Neuen Palais, dem bevorzugten Aufenthaltsort Wilhelms II. und seiner Familie. Diese akribischen Transportlisten sind nun in der Ausstellung „Kaiserdämmerung“ zu sehen, die am morgigen Samstag fürs Publikum öffnet. Die Schau beschäftigt sich mit dem Ende der Monarchie in Deutschland vor 100 Jahren, im Mittelpunkt steht dabei das Neue Palais, in dem das Kaiserpaar seine letzten Tage als Herrscher über das Deutsche Reich erlebte.

Die Ausstellung widmet sich auch den Streit um Vermögenswerte zwischen Kaiser und Staat

An insgesamt 15 Stationen im Schloss kann der Besucher sich ein Bild von dieser bewegten Zeit machen. Im Unteren Vestibül etwa sind gepackte Kisten ausgestellt, Schränke und diverse Gegenstände, die einen recht guten Querschnitt des Sammelsuriums vermitteln, das aus dem Schloss weggebracht wurde. Zwei Feuerlöscher stehen da beispielsweise, ein Garderobenständer und sogar Kohleneimer. Der Hofmarschall, der für die Zusammenstellung zuständig war, habe alles mitnehmen lassen, was für die Gründung eines neuen Hofstaats notwendig war, erklärte Wittwer.

Nun, dazu kam es bekanntlich nicht mehr. Dementsprechend wurden auch die Dienstboten nicht mehr benötigt. Die Kaiserin entließ sie am 10. November 1918, einen Tag nach der zwangsweisen Abdankung ihres Mannes. Ihnen widmet sich eine eigene Station, freilich unbebildert, denn Fotos von der Dienerschaft im Neuen Palais waren nicht aufzutreiben. Eine weitere Station beschäftigt sich mit dem Streit um die Vermögenswerte zwischen dem preußischen Königshaus und dem Staat, der sich angesichts der enormen Masse abtransportierter Gegenstände letztlich als recht großzügig gegenüber Wilhelm und seiner Familie erwies.

„Wenn jetzt der Kaiser um die Ecke käme, würde ich mich den Bruchteil einer Sekunde nicht darüber wundern“

Am eindrucksvollsten aber sind jene Bereiche, die das damalige höfische Leben spiegeln. Großformatige, schwarz- weiße Fotos an den Wänden des friederizianischen Jagdzimmers etwa zeigen die Einrichtung des Raums in der Zeit der Jahrhundertwende, als es Wohn- und Audienzzimmer der Kaiserin war: Die Mitte dominiert ein üppiges Sofa, schwere Sessel, Zierpflanzen, kleine Tischchen und Familienfotos prägen den Raum. Nach dem Ende der Monarchie wurde der Raum schleunigst in den fiderizianischen Zustand zurückversetzt, in dem er auch heute gehalten ist – nichts sollte mehr an den Kaiser und dessen „kranken Geschmack“, wie es ein einflussreicher Schöngeist damals formulierte, erinnern.

Wilhelm II. selbst sind Stationen in seinem früheren Arbeitszimmer gewidmet, wo erstmals seit 100 Jahren wieder sein neobarocker Schreibtisch aufgestellt wurde, und in seinem Garderobenzimmer. Dort, in einem Wandschrank, hängt am originalen Platz, eine seiner Uniformen, jene des 2. Badischen Grenadier-Regiments – inklusive des wegen der Behinderung des Monarchen kürzer geschneiderten linken Ärmels. Wie viele Exponate der Schau stammt auch die Uniform, eine von dreien, aus dem Haus Doorn, das sie als Leihgabe zur Verfügung stellt.

Generell will die Schlösserstiftung im Neuen Palais die Kaiserzeit künftig stärker in den Fokus rücken. Im Zuge der Sanierung des Schlosses soll auch ein Flügel entsprechend eingerichtet werden, kündigte Wittwer an. Schließlich habe niemand länger im Neuen Palais gewohnt als Wilhelm II. und sein Familie – 30 Jahre lang von seiner Thronbesteigung 1888 bis zur Abdankung 1918. Diese Zeit sei in der Aura des Hauses bis heute spürbar, sagte Heinz Berg, der Interimschef der Schlösserstiftung: „Wenn jetzt der Kaiser um die Ecke käme, würde ich mich den Bruchteil einer Sekunde nicht darüber wundern.“

„Kaiserdämmerung“, 16. Juni bis 12. November, tägl. außer Dienstag von 10 bis 17.30 Uhr, Eintritt: 8, ermäßigt 6 Euro.

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