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Landeshauptstadt: Aus Lehrlingswohnheim wird Villa Saran Aufreger Bürgerbündnis

Im ehemaligen Fabrikanten-Wohnhaus in Zeppelinstraße haben eine Pension und ein Restaurant eröffnet Die Wählergemeinschaft will wieder in Fraktionsstärke ins Stadtparlament einziehen

Brandenburger Vorstadt - Alle 180 Glasscheiben sitzen – das ehemalige Lehrlingswohnheim an der Zeppelinstraße 164a ist beinahe fertig saniert. Lediglich das alte Treppenhaus im Gebäude muss noch überarbeitet werden. Die Klinker-Villa vor den Plattenbauten der Brandenburger Vorstadt prägt mit ihrem gläsernen Wintergarten das Bild der Straße. Jetzt steht es zum ersten Mal seit seiner Errichtung allen Potsdamern offen. Mitte Juli haben eine Pension und ein Restaurant darin eröffnet – nach einem guten Jahr Sanierungsarbeiten.

Eigentümer Hans-Joachim Schmidt, dem auch die Pension Havelbucht an der nahe gelegenen Schopenhauerstraße 39 und das Bowling-Center „Blauhaus“ in der Heinrich-Mann-Allee gehört, musste das Dach und die Innenräume nahezu komplett restaurieren. Denn die Deutsche Bahn als Voreigentümerin habe das Dach zerfallen lassen, so dass der Regen einen Großteil des Fußbodens in der Denkmal geschützten Unternehmer-Villa zerstört hatte, kritisierte Schmidt gestern gegenüber PNN.

Das gelbe Haus, das zu DDR-Zeiten Reichsbahn-Lehrlingen als Internat diente, stand seit der Wende 1990 leer. Architekt Ernst August Petzholtz hatte sie 1899 bis 1901 für den Holzfabrikanten Wilhelm Saran errichtet, dessen Grundstück damals bis an die Neustädter Havelbucht reichte. Heute ist das Grundstück 2500 Quadratmeter groß. Im Februar 2007 hatte es Hans-Joachim Schmidt zusammen mit seiner Frau Cathrin und den beiden Söhnen Enrico Schmidt und Mario Grahl gekauft. Auf der Rückseite des Klinkerbaus haben sie Parkplätze gebaut.

In der ersten Etage der Villa haben sie für ihre Pension „Sanssouci“ zehn Gästezimmer und einen Frühstücksraum eingerichtet. Wie teuer der Umbau war, wollte Schmidt nicht sagen. Ab 25 Euro kostet das Zimmer pro Person. Mehr als 100 Pensionsgäste hätten laut Schmidt dort bereits übernachtet. Über die Lautstärke von der stark befahrenen Zeppelinstraße hätte sich noch niemand beschwert, die Fenster seien sehr dicht, erklärte Schmidt. Seinen Gästen sei es ohnehin wichtiger, möglichst innenstadt-nah zu wohnen. Noch führe er den Betrieb, ab Januar sollen ihn seine beiden Söhne übernehmen.

Als Familienbetrieb läuft auch das Restaurant „Villa Saran“ im Erdgeschoss. Gaststättenleiter ist der gebürtige Kroate Dini Ziberi aus Berlin. Dort hätten er und seine Familie bereits ein Restaurant besessen, sagte Ziberi. Wie in Potsdam habe er bereits dort italienische Speisen angeboten. Seezunge in Weißweinsoße mit Cherrytomaten steht beispielsweise auf der Menükarte.

Nachdem in Berlin sein Mietvertrag ausgelaufen war, habe er in Potsdam nach einem neuen Gebäude gesucht und sofort Gefallen an der Villa mit dem runden Wintergarten gefunden. Das gusseiserne Gerüst des Glasrondells ist übrigens noch original. Schmidt musste es lediglich aufpolieren. Nun können Ziberis Gäste darin sitzen – mit Blick auf das unsanierte, aber bunt besprühte Haus des alternativen Jugend-Wohnprojekts gegenüber. Insgesamt 100 Besucher haben Platz in seinem Restaurant. Hinzu kommen die Stühle und Tische im Biergarten vor dem Restaurant. Die Villa Saran hat täglich von 11 bis 24 Uhr geöffnet.

Der erste Aufreger des Potsdamer Kommunalwahlkampfes hatte mit dem Bürgerbündnis zu tun: Gleich dutzendweise wurden in der vergangenen Woche die Wahlplakate der Wählergemeinschaft zerstört, beschädigt, heruntergerissen. Für Ute Bankwitz, Spitzenkandidatin für das Bürgerbündnis im Wahlkreis I und Fraktionsvorsitzende im Stadtparlament, steht fest: „Der gezielte Anschlag zeigt, dass man uns als politischen Mitbewerber offenbar sehr ernst nimmt.“

Dabei hatte es zuletzt eher abfällige Meinungsäußerungen anderer Parteien zum Bürgerbündnis gegeben – insbesondere zu neuen Mitgliedern, die zuvor eine andere politische Heimat hatten und als umstritten gelten, darunter Wolfhard Kirsch (früher SPD-Fraktion), Monika Keilholz (Die Andere) und Gerhard Arndt (vormals FDP). Bankwitz sieht das anders: „Das Bürgerbündnis tritt mit Persönlichkeiten an, die unterschiedliche Lebenswege haben und vielfältige Berufserfahrung mitbringen. Wir sehen das als Basis für unsere Vielfalt und Kompetenz.“

Mit über 30 Kandidaten will sich das Bürgerbündnis am 28. September zur Wahl stellen. Das Ziel: „Wir wollen in Fraktionsstärke, also mit mindestens vier Sitzen, ins Stadtparlament einziehen“, sagt Bankwitz. Das Bürgerbündnis ist optimistisch, dass dies auch gelingt. Da sei zum einen „die Parteienverdrossenheit der Bürger“, betont Andreas Walter, auf Listenplatz 2 im Wahlkreis II. Wählergemeinschaften seien bundesweit auf dem Vormarsch. „Wir stehen für bürgerschaftliches Engagement – Parteien für eine Programmatik“, sagt Bankwitz. Beim Bürgerbündnis gäbe es „keine Chance auf Pöstchen oder andere Vorteile. Wer bei uns mitmacht, tut dies aus reinem Engagement“.

Auch inhaltlich will sich das Bürgerbündnis von etablierten Parteien absetzen. Während diese ihre Programmatik nach unten durchreichten, orientiere sich die Wählergemeinschaft „an den Problemen in der Stadt und in den Wahlkreisen“, sagt Christian Berger, im Wahlkreis IV auf Listenplatz 2. So sollte beispielsweise im Schlaatz der Integrationsgarten mehr Beachtung finden, müssten in der Waldstadt mehr Angebote für Jugendliche geschaffen werden.

Das Bürgerbündnis könne ohne Vorbehalte auf aktuelle Probleme reagieren, das sei ein Vorteil. Dennoch gäbe es seit der Wende auch eine Kontinuität bei den Themen, die das Bürgerbündnis besetze, sagt Bankwitz. Dazu gehörten die Annäherung an das historische Stadtbild, mehr Transparenz bei der Arbeit von Verwaltung und städtischen Unternehmen, Vielfalt im kulturellen Bereich oder die Förderung des Mittelstandes. „Denn dort werden die Arbeitsplätze geschaffen.“

Aktuelle Forderungen, die das Bürgerbündnis nach der Konstituierung des Stadtparlaments auch mit Anträgen untermauern möchte, sind unter anderem die kostenlose Nutzung des Öffentlichen Nahverkehrs für Jugendliche unter 18 Jahren, bezahlbare Gebühren, Abgaben und Mieten, mehr Transparenz bei Kostenentscheidungen, zum Beispiel für das Stadtwerkefest, sowie die Forderung nach einer langfristigen Energiestrategie für Potsdam.

Zu dieser Strategie, so Walter, müssten Maßnahmen zur Energieeffizienz gehören, Maßnahmen zur Einsparung von Energie und der Einsatz erneuerbarer Energien – zum Beispiel Bürgersolaranlagen, die über einen Energiefonds per Kredit vorfinanziert werden könnten.

Wichtigster Punkt, den das Bürgerbündnis in die Waagschale werfen will, sind die Kandidaten selbst. Diese seien „alle überdurchschnittlich in ihren Berufen engagiert“, meint die Fraktionchefin. Die Palette reiche von der Altenpflegerin über den Wissenschaftler bis zum erfolgreichen Bauunternehmer. „Mit dieser Bandbreite an Erfahrungen sind wir in der Lage, mit Sachkompetenz Stadtpolitik zu machen“, so Bankwitz.

Dass das Bürgerbündnis durch eine eigenständige Themensetzung und auch durch Personen polarisiere, sei „nicht gewollt, aber möglicherweise zwangsläufig“, sagt die Spitzenkandidatin. Doch „wir stehen zu unseren Kandidaten und zu unserer Themensetzung“. Man könne nicht jedem alles bieten. „Wer ehrlich ist, der weiß das auch.“ Michael Erbach

Juliane Wedemeyer

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