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Protest gegen hohe Mieten: Ein neues Plakat an der Fassade des linksalternativen Wohnprojekts Zeppelinstraße 29.

© M. Thomas

Landeshauptstadt: Aus dem Ruder gelaufen

Zwei verletzte Polizisten nach Protestzug: Polizei und Vertreter der linken Szene machen sich gegenseitig Vorwürfe

Innenstadt - Vorwürfe und Gegenvorwürfe: Am Tag nach einem spontanen Protestzug der linksalternativen Szene durch die Innenstadt wird das Geschehen höchst unterschiedlich geschildert – vor allem was die Frage betrifft, wer gewalttätig geworden ist und wer nicht.

Unstrittig ist bislang nur, dass sich am Mittwoch gegen 18 Uhr mehrere Dutzend Personen aus der Szene – per SMS mobilisiert – am Luisenplatz sammelten, um gegen aus ihrer Sicht zu wenig bezahlbaren Wohnraum in Potsdam zu demonstrieren. Drei Stunden dauerte die Aktion. Die Polizei spricht von 70 Teilnehmern, in der Szene ist von 100 bis 120 die Rede.

Komplizierter wird es beim Beginn des Protests: Zunächst hatte laut Polizei der 25-jährige Linke-Stadtverordnete Jens Gruschka eine Demonstration vor Ort angemeldet, die Richtung Potsdam-West verlaufen sollte. Diese Anmeldung aber sei kurz vor dem geplanten Start zurückgezogen worden, so die Polizei. Gruschka sagte dazu, die Polizei habe es zur Bedingung gemacht, dass die kurzfristig ausgewählten Ordner ihre Personalien abzugeben hätten. Dies sei aus seiner Sicht „ nicht rechtmäßig“ und die Ordner hätten sich dem auch verweigert – daher habe er die Anmeldung zurückgezogen. In der Folge setzte sich der Zug in Richtung Brandenburger Straße in Bewegung – die eigentlich favorisierte Route der Protestierenden, die die Polizei aber trotz Nachfragen strikt abgelehnt haben soll.

Auch in der Folge unterscheiden sich die Angaben. Neben dem Zünden von Böllern sei auf der Brandenburger und später auf der Charlottenstraße der Inhalt von Mülltonnen auf der Straße verteilt worden, so die Polizei. Auch seien Abfallbehälter auf die Straßen geschoben worden. In der Charlottenstraße sei ein Beamter verletzt worden, als ihm ein Demonstrant in den Rücken sprang – und eine Polizistin habe einen Schlag ins Gesicht erhalten.

Gruschka sagte, derlei habe er nicht gesehen – dagegen aber „rüde Attacken“ von Polizisten gegen Demonstranten. So hätten bis zu vier Beamte einen jungen Mann minutenlang zu Boden gedrückt und ins Gesicht gefasst. Der Stadtpolitiker selbst erwägt eine Strafanzeige, weil ein Polizist ihn gezwungen habe – obwohl er hinter dem Protestzug hergelaufen sei – in einem von den Beamten gebildeten „Kessel“ von rund 60 Personen seine Personalien abzugeben. In einer anonymen Mitteilung eines Arbeitskreises (AK) „Recht auf Stadt“ hieß es überdies, in dem „Kessel“ seien Protestler sexistisch beleidigt worden.

Polizeisprecher Heiko Schmidt sagte, derlei Vorwürfe „entbehren jeder Grundlage“. Er kenne bislang keine offiziellen Beschwerden wegen des Einsatzes. Die Polizei habe die Personalien von 62 Personen aufgenommen, um die während des Protestzugs begangenen Straftaten „konsequent“ zu verfolgen. Schmidt bestätigte zugleich, dass Berliner Polizisten bei dem Einsatz geholfen hätten – laut dem AK „Recht auf Stadt“ stammten die Beamten aus jener Hundertschaft, die schon bei der Räumung der Skaterhalle 2008 in Potsdam durch Gewalt gegen linke Aktivisten aufgefallen sei.

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