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Aufzug an der Alten Fahrt in Potsdam: Und er bewegt sich doch

Nach massiver Kritik darf nun jeder den neuen Aufzug zur Uferpromenade an der Alten Fahrt benutzen, auch ohne Spezialschlüssel. Nur nicht nachts.

Von Katharina Wiechers

Potsdam - Jetzt geht es also doch: Seit gestern dürfen alle Potsdamer den neuen Aufzug an der Alten Fahrt benutzen – zumindest tagsüber. Von 6 Uhr morgens bis 23 Uhr abends ist der Lift ab sofort auch ohne Schlüssel bedienbar, wie ein Stadtsprecher den PNN am Mittwoch auf Anfrage sagte. Dies gilt für jeden Tag der Woche. Nachts ist der Aufzug allerdings weiterhin nur mit einem sogenannten Euro-WC-Schlüssel zu bedienen. Wir geben einen Überblick – was schiefgelaufen ist, was jetzt besser ist und was die richtige Lösung sein könnte.

Warum wird der Aufzug kritisiert?

Behindertenverbände, Politiker, aber auch viele PNN-Leser kritisieren, dass die neue gestaltete Uferpromenade, die Mitte Juni feierlich eröffnet wurde, nicht barrierefrei ist, weil der Aufzug nicht von jedermann nutzbar ist. Denn um die Anlage in Gang zu bringen, muss ein „Euro-WC-Schlüssel“ in das Schloss gesteckt werden – jetzt zumindest nur noch nachts. Dieser Schlüssel kann für 20 Euro ausschließlich bei einem privaten Verein in Darmstadt bestellt werden – wenn ein bestimmter Grad an Behinderung nachgewiesen werden kann. Gedacht ist er vor allem für öffentliche Toiletten, zum Beispiel an Autobahnraststätten. Allerdings haben nicht alle Gehbehinderte einen solchen Schlüssel, geschweige denn Touristen oder Mütter mit Kinderwagen. Ohne Aufzug ist die Promenade aber kaum zu erreichen – ein langer Umweg mit mehreren Ampeln wäre nötig. Ohnehin wäre aus Sicht der Betroffenen die beste Lösung an jener Stelle eine Rampe gewesen, um tatsächlich von Barrierefreiheit sprechen zu können.

Warum wurde an der Stelle ein Aufzug und keine Rampe gebaut?

Darüber wird heute gestritten. Der damalige Baudezernent Matthias Klipp (Grüne) hatte seinerzeit öffentlich gesagt, die Promenade würde durch eine Rampe oder Kehre „verbaut“. Die Stadtverwaltung betont heute aber, eine Rampe auf der – von oben betrachtet – rechten Seite sei aufgrund des starken Höhenunterschiedes nicht möglich, weil sie im Wasser geendet hätte. Eine Rampe auf der linken Seite hätte die öffentliche Fläche regelrecht zerschnitten und so „ein sinnvolles Zusammenspiel zwischen Gebäudenutzung und Belebung des öffentlichen Raums deutlich erschwert“. Eine geschwungene Rampe sei etwa durch den Beirat für Menschen mit Behinderung als nicht barrierefrei eingestuft worden, da sie beispielsweise für sehbehinderte Menschen wegen der vielen angeschrägten Stufen gefährlich wäre. Letztlich entschied man sich für einen Lift, allerdings war an der Stelle kein normaler Aufzug wie etwa am Hauptbahnhof möglich. Der Grund: Im Untergrund verlaufen wichtige Leitungen der Energie und Wasser Potsdam (EWP), an die man im Havariefall herankommen muss. Deshalb entschied man sich für das offene Modell, eine Art Hebebühne der Firma Prolift aus Oberhausen.

Warum gibt es überhaupt ein Schloss an dem Aufzug?

Laut Stadt muss bei diesem speziellen Liftmodell der Nutzerkreis eingeschränkt werden und eine Einweisung erfolgen. Durch das Schloss sollte der Nutzerkreis also auf Besitzer eines Spezialschlüssels beschränkt werden. Nun wird die DIN-Norm aber offenbar doch nicht mehr ganz so ernst genommen, zumindest nicht zwischen 6 und 23 Uhr. In dieser Zeit darf ja nun jeder den Aufzug nutzen, die „Einweisung“ soll per Hinweisschild erfolgen – welches aber offenbar noch angefertigt werden muss. Denn am Mittwoch war davon nichts zu sehen.

Wie funktioniert der Aufzug jetzt?

Nach Aussage der Stadt wurde jetzt ein Sicherheitsdienst damit beauftragt, den Lift jeden Morgen freizuschalten und abends wieder die Schlüsselfunktion zu aktivieren. Zwischen 23 und 6 Uhr bleibe der Zugang beschränkt, um Vandalismus zu verhindern, hieß es. Dieser trete bekanntermaßen vor allem nachts auf, auch die benachbarte Freundschaftsinsel sei deshalb um diese Zeit auch nicht mehr geöffnet.

Bleibt es nun bei dieser Lösung?

Das ist noch nicht geklärt, so ein Stadtsprecher am Mittwoch. Man müsse nun abwarten, wie die neue Regelung angenommen werde und ob sie ausreiche. Für den Landesbehindertenbeirat steht jetzt schon fest, dass dies nur eine Zwischenlösung sein kann. „So ein Aufzug im Freien, für den sich keiner zuständig fühlt und der im Winter Eis und Kälte ausgesetzt ist, wird bestimmt oft kaputt sein“, so die Vorsitzende Marianne Seibert. Zu beobachten sei dies an der Nikolaikirche, wo ein ganz ähnliches Modell angebracht wurde. Dort sei die Anlage auch oft kaputt. „Die einzige Lösung an der Stelle ist eine Rampe oder Kehre.“

Kann jetzt noch eine Rampe gebaut werden?

Aus Sicht des Architekten Robert Saling, der sich auf barrierefreies Bauen spezialisiert hat, wäre es problematisch, die Treppe jetzt noch nachträglich mit einer Rampe auszustatten – ohne alles wieder abreißen und neu bauen zu müssen. Er hat einen anderen Vorschlag gemacht: eine Rampe, die mit mehreren Kehren von der Langen Brücke hinunter zur Promenade führt. Optisch sei diese Lösung noch nicht ausgereift, räumte Saling ein. Die Zeichnung zeige aber, dass die Idee prinzipiell funktionieren würde.

Wurde mit dem Verzicht auf eine Rampe gegen Gesetze verstoßen?

Beim Kommunalrechtler Thorsten Ingo Schmidt von der Universität Potsdam trifft die Entscheidung der Stadt für einen Aufzug mit Schlüssel zumindest auf Unverständnis. Schließlich gelte auch in Potsdam seit 2008 die UN-Behindertenrechtskonvention, die die Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderung im öffentlichen Bereich fordert. Es stelle sich die Frage, inwieweit der Schlüssel verbreitet sei und ob die kostenpflichtige Bestellung bei dem Verein ein zumutbarer Aufwand sei, so Schmidt. Gegen die Brandenburgische Bauordnung hat die Stadt an der Stelle aus seiner Sicht aber nicht verstoßen. Diese schreibt zwar Barrierefreiheit für öffentliche „Anlagen und Einrichtungen“ aus – für öffentliche Grünflächen gelte die Bauordnung aber nicht. Und laut Bebauungsplan sei dieser Bereich genau das: eine öffentliche Grünfläche.

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Der Aufzug an der neuen Fahrt funktioniert endlich auch ohne Spezialschlüssel. Stellt sich nur die Frage, warum erst jetzt? Und warum jetzt doch? Ein Kommentar >>

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