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Landeshauptstadt: Auf maulbeerfarbenen Pfaden ins Grüne Scherbenkabinett

Reinhard Alings bereitet das Neue Palais auf seinen bislang größten Auftritt vor – die Schau „Friederisiko“

Von Peer Straube

Der Grund für Reinhard Alings’ Begeisterung schimmert lila unter Schaumstoffmatten hervor. „Die Farbe nennen wir Maulbeer“, sagt er und klopft sachte auf die Plastikoberfläche. „Sie hat den Vorteil, dass sie nirgendwo im Schloss vorkommt, aber mit allen vorhandenen Farben harmoniert.“

Fast zärtlich schlägt Alings die Matte wieder über den Belag. In knapp zwei Monaten werden täglich Tausende von Füßen darüberlaufen. Denn der maulbeerfarbene Steg soll die kostbaren Marmor- und Parkettböden im Neuen Palais vor den sandigen Schuhsohlen der Besucher schützen. Als technischer Leiter der großen Jubiläumsausstellung „Friederisiko“ zum 300. Geburtstag des Preußenkönigs ist Alings für die Logistik der Schau verantwortlich – und sichtlich zufrieden.

Mehr als die Hälfte des Plastikpfads ist bereits verlegt. 50 Tonnen wiegt er insgesamt. Am Ende wird er über einen Kilometer lang sein und durch mehr als 70 Räume führen, viele davon sind erstmals überhaupt zu sehen. Hinter jeder Ecke führt er zu einer neuen Überraschung. Hinter einer recht unscheinbaren Tür im ersten Stock etwa verbirgt sich ein optisches Juwel – das Grüne Scherbenkabinett. Der ganze Raum, inklusive Decke und Rückseite der Tür, ist mit asymmetrisch gebrochenen Glasscherben verkleidet. Weil sie auf eine Silberfolie geklebt wurden, schimmern die Scherben in einem kühlen Glanz. Wegen der Empfindlichkeit des Glases war das Kabinett bislang tabu und ist zur Ausstellung erstmals zu besichtigen. Wer etwas Ähnliches sehen will, muss weit reisen: Vergleichbar sei allenfalls das Grüne Kabinett im Schloss Tettnang am Bodensee, so die Schlösserstiftung. Doch dort sind nur die Wände mit Scherben dekoriert.

Für Alings ist der Ort der Schau Fluch und Segen zugleich. Eigentlich sei das Neue Palais für eine Ausstellung denkbar ungeeignet – die Besucher müssten teils durch enge Räume, zudem ist nahezu jedes Zimmer eine einzigartige Kostbarkeit, wo weder gesägt, noch gehämmert oder etwas angeschraubt werden dürfe. Gemälde werden daher auf eine Art Staffelei vor die Wände gestellt, um deren wertvolle Bespannungen nicht zu beschädigen. „Was mich fasziniert, ist die Voraussetzungslosigkeit des Schlosses“, sagt Alings und lächelt vergnügt. Die Arbeit hier sei die „Spektakulärste, die ich je gemacht habe“. Das liegt nicht zuletzt an der besonderen Aura des Ortes: „Hier ist der König selbst entlanggelaufen“, sagt Alings und wiederholt das Mantra von „Friederisiko“: „Das erste Exponat ist das Neue Palais selbst.“ Und weil es der König war, der es bauen ließ, „ist Friedrich der Große der Gestalter der Schau“, sagt Alings. Denn tatsächlich treten die Schrullen des Alten Fritz’ auch heute noch im Schloss offen zutage. Etwa im Speisezimmer seiner Wohnung, wo die Künstler in den Intarsien der Holzmöbel Kirschen verewigt haben, Friedrichs Lieblingsobst, dessen Anschaffung im Winter er sich Unsummen kosten ließ. In diesem Raum soll unter anderem ein Speisezettel zu sehen sein. Die Mahlzeit nahm Friedrich zwei Wochen vor seinem Tod ein. Weil ihm der Vorschlag des Kochs aber nicht gefiel, warf der kranke Monarch mit krakeligen Anmerkungen die Speisefolge über den Haufen. „Das ist mein Lieblingsexponat“, sagt Alings, „denn damit kommt man dem König menschlich am nächsten.“

Menscheln soll es auch in der Wohnung des Marquis d’Argens: Die Räume des königlichen Beraters sollen Friedrichs Freunden gewidmet werden. Hier wird etwa der berühmte „Nackte Voltaire“ zu sehen sein, Pigalles Marmorbüste des großen Philosophen, die der Louvre erstmals als Leihgabe zur Verfügung stellt. „Wir mussten erstmal die Statik messen, ob der Fußboden überhaupt die eine Tonne Gewicht trägt.“

Dank „Friederisiko“ kann Alings auch uralte Missstände im Schloss beheben: So wurden etwa knapp 40 sogenannte Buschfeldringe angeschafft. Die filigranen Ringe aus Aluminium werden oberhalb der gewaltigen alten Kronleuchter angebracht und sorgen dank moderner Strahler für eine adäquate Beleuchtung der oftmals dunklen Räume.

Im Vestibül vor dem Marmorsaal bauen Arbeiter an einer Oase der Ruhe, einem Rondell aus Sitzbänken. Wie der Laufsteg sind sie maulbeerfarben, ebenso die beleuchteten Vitrinen, in denen die Besucher Informationen über den jeweiligen Raum bekommen. Das meiste wird das Publikum allerdings aus dem 100-seitigen Heft erfahren, das im Eintrittspreis von 14 Euro enthalten ist. „Reiseführer durchs Neue Palais“ nennt Alings die Broschüre, in der alle Exponate beschrieben sind, damit nicht zahllose Schilder Friedrichs Schloss verunzieren. Die Besucher, sagt Alings, sollen den Geist des Monarchen spüren: „Sie sollen das Gefühl haben, der König ist nicht zu Hause, hat aber vergessen abzuschließen.“

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