zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Auf den Spuren des Nazijägers

Das „Haus Alexander“ in Groß Glienicke steht jetzt auf der Denkmalliste. Ein Nachfahr des Erbauers arbeitet an einem Buch über die Geschichte

Von Peer Straube

Grell gemusterte Tapeten aus DDR-Zeiten, Styroporplatten aus den Nachwendejahren an der Decke, verrottender Dielenboden im Wintergarten – es ist schwer vorstellbar, dass in diesem heruntergekommenen Bungalow am Groß Glienicker See einmal die Größen der Berliner Gesellschaft ein- und ausgingen – Albert Einstein etwa oder Theaterintendant Max Reinhardt. Der jüdische Arzt Alfred Alexander, zu dessen Patienten Berühmtheiten wie Marlene Dietrich zählten, hatte den Holzbungalow 1927 als Sommerfrische für sich errichten lassen. Es war eines der ersten Beispiele für den Bau von Wochenendhäusern und das erste dieser Art in Groß Glienicke überhaupt.

Fünf Familien haben über die Jahrzehnte hinweg dort gewohnt, seit elf Jahren aber steht das Haus leer und verfällt. Damit soll nun Schluss sein. Seit Ende Juli steht das 110 Quadratmeter große „Haus Alexander“ auf der Denkmalliste des Landes Brandenburg, am gestrigen Mittwoch wurde das bei einem Vor- Ort-Termin gefeiert. Denn der Denkmalstatus sei enorm wichtig für eine Wiederbelebung des Hauses, sagte Moritz Gröning vom 2013 gegründeten Alexander Haus e.V.

Gemeinsam mit Groß-Glienicker Bürgern und Nachfahren des Erbauers will der Verein nun eine denkmalgerechte Wiederherstellung des Hauses in Angriff nehmen. „Eine knappe sechsstellige Summe“ sei dafür wohl nötig, so Gröning. Genaueres werde man erst wissen, wenn die Expertise des beauftragten Architekten vorliege. Die Stadt, der das Haus und der größte Teil des 7 000 Quadratmeter großen Grundstücks gehören, soll finanziell möglichst geschont werden. Das Geld will der Verein über verschiedene andere Quellen beschaffen.

Auch auf Fördermittel hoffe man – entsprechende Gespräche würden bereits geführt, so Gröning. Wenn alles klappt, könnte das Haus in zwei Jahren als Museum und Begegnungsort eröffnen, hofft Gröning. Der Verein will dort Lesungen und Konzerte stattfinden lassen, aber auch über die wechselvolle Geschichte des Hauses informieren.

Und die hat es in sich. Denn in dem Bungalow am Groß Glienicker See wuchs auch jener Mann auf, der nach dem Zweiten Weltkrieg den Lagerkommandanten von Auschwitz, Rudolf Höss, zur Strecke brachte. Hanns Alexander, der Sohn von Alfred, hatte Deutschland 1936 verlassen und war nach dem Krieg in England Nazijäger geworden. Er war es, der Höss in Norddeutschland gefangennahm und dafür sorgte, dass ihm der Prozess gemacht werden konnte.

Hanns Alexanders Großneffe, Thomas Harding, der in der Nähe von London lebt, hat über diese Geschichte ein Buch geschrieben. In England war es bereits ein Bestseller, seit wenigen Tagen ist es vom Verlag dtv unter dem Titel „Hanns und Rudolf – Der deutsche Jude und die Jagd nach dem Kommandanten von Auschwitz“ auch auf Deutsch erhältlich.

Inzwischen arbeitet der Journalist, Autor und Fernsehproduzent Harding an einem weiteren Buch, das in zwei Jahren erscheinen soll. Das Projekt klingt monumental: Anhand der fünf Familien, die in dem „Haus Alexander“ gelebt haben, will Harding ein Panorama von 100 Jahren deutscher Geschichte erzählen. Er sei sehr traurig gewesen, dass das Haus seines Vorfahren in den letzten Jahren immer mehr dem Verfall preisgegeben worden sei, sagte Harding am Mittwoch. Er freue sich daher sehr, dass das Haus nun ein Denkmal sei und dort wieder Leben einziehen werde. Peer Straube

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false