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Landeshauptstadt: Auf dem schönsten Weg zur Badewanne der Berliner

In Pankow beginnt die Tour zur rund 300 Kilometer entfernten Ostseeinsel Usedom. Schon die ersten Abschnitte der Route stecken voller Überraschungen

KAROWER TEICHE

Das 130 Hektar große Areal unweit der Berliner Stadtgrenze nutzen 68 Vogelarten als Brutgebiet. Die Teiche dienten vor 100 Jahren für den Torfstich und zur Fischzucht.

KAISERBAHNHOF

Die 1896 eröffnete Station nutzte Kaiser Wilhelm II. für die möglichst schnelle Anreise zum Jagdschloss Hubertusstock. Heute dient sie als Hörspielbahnhof.

Texte und Fotos: Claus-Dieter Steyer,

Grafik: Gitta Meyer

Ihre „Ostsee-Badewanne“ steuern die Berliner längst nicht mehr nur per Auto, Zug oder Schiff an. Nach Usedom, das gutsituierte Hauptstädter schon im 19. Jahrhundert als Ferienziel entdeckten, geht es neuerdings immer öfter auch mit dem Fahrrad – und der Fernweg Berlin–Usedom macht diese Anreise zum großen Vergnügen.

„Gerade diese Route könnte bald zu den beliebtesten Strecken in ganz Deutschland gehören“, sagt Benno Koch, der Fahrradbeauftragte des Berliner Senats und einer der eifrigsten Kämpfer für den Ausbau dieses Wegs. „Schließlich erleben die Radler viel Abwechslung und vor allem eine faszinierende Natur.“

Für diesen Genuss muss sich niemand die ganzen 300 Kilometer zwischen der Mitte Berlins und dem für seine Raketenschmiede im Zweiten Weltkrieg bekannten Peenemünde abstrampeln. Gerade der für die Tour mit dem Radnavigator ausgewählte knapp 70 Kilometer lange Abschnitt zwischen Pankow und Joachimsthal in der Schorfheide verläuft überwiegend auf asphaltierten oder mit einer Kiesschicht versehenen Wegen. Nirgendwo stört Autoverkehr, nachdem vor einigen Monaten auch das Stück am Westufer des Werbellinsees fertiggestellt wurde.

Zahlreiche Stationen der S-Bahn und der Regionalbahn erlauben eine bequeme An- und Abreise. Für die meisten Radtouristen stellt der Abschnitt bis Joachimsthal die erste Etappe nach Usedom dar. Manche machen es sich aber auch leichter und steigen erst in Bernau, dem Endpunkt der S-Bahn-Linie 2, auf die Räder. Damit verpassen sie sehr reizvolle Flecken. Allerdings liegt nach dem Start am S- und U-Bahnhof Pankow vor der ersten Augenweide eine Kopfsteinpiste auf der Berliner Straße. Bis zum Schlosspark Niederschönhausen fehlt leider ein separater Radweg, obwohl sich die breiten Fußwege dafür anbieten würden.

Im Park hinter der Ossietzkystraße verdecken noch Bauzäune den Blick auf die restaurierte Fassade des Schlosses Schönhausen. 1662 bis 1664 im holländischen Stil erbaut, wurde es für die Gemahlin Friedrichs I., Elisabeth Christine, ausgebaut und erweitert. Die Nazis nutzten es als Depot für die sogenannte „entartete“ Kunst, ehe die DDR 1949 hier den Amtssitz für den ersten Präsidenten Wilhelm Pieck einrichtete. Schon jetzt macht die Ankündigung des Schlösserchefs Professor Hartmut Dorgerloh, „alle erhaltenen Spuren der Geschichte im Schloss und im Park sichtbar zu machen, ohne ein ästhetisches Chaos zu erzeugen“, neugierig auf die Entwicklungen der nächsten Jahre.

Auf dem Pankeweg fährt es sich fast wie von allein durch den Park, in dem das Radeln im Unterschied zu anderen Anlagen der Schlösserstiftung erlaubt ist. Nach der Schlossallee wird die Pasewalker Straße überquert. Der Weg schlängelt sich nun entlang der Panke vorbei an Karpfenteichen. Diese enden an der Bahnhofstraße, die zum S-Bahnhof Blankenburg führt. Wir setzen die Tour jedoch auf der anderen Straßenseite fort. Dank des Radnavigators verpassen wir die Brücke über die Autobahn nicht. Danach halten wir uns rechts und folgen wieder der Panke bis zu einer Asphaltstraße. Nach der Eisenbahnbrücke kann in Kürze auf den neu angelegten Radweg links der Panke eingebogen werden. Die Brücke dafür soll Ende Oktober fertig sein. Bis dahin bleiben als Alternative entweder die Fahrt auf dem schmalen Waldweg rechts des Flüsschens oder eine Umfahrung auf der Krontaler, Böttner- und Pankgrafenstraße.

Im wahrsten Sinne des Wortes rollt es dann glatt bis zum S-Bahnhof Buch. Linker Hand liegt mit den Karower Teichen ein Naturparadies mit schönen Beobachtungsplätzen. Abertausende Wasservögel fühlen sich in dem Revier heimisch. Unmittelbar an der Landesgrenze zwischen Berlin und Brandenburg hinter Buch endet leider der neue Radweg an einem Feld. Der Grundstückseigentümer sperrt sich bisher gegen einen Verkauf der notwendigen Flächen. So müssen Radler entweder einen holprigen Feldweg oder den Umweg über die Zehdenicker Landstraße in Kauf nehmen. Auf dem Streckenabschnitt von Zehdenick nach Bernau bleiben solche Probleme aus. In der Kleinstadt führt der Weg sogar entlang der alten Stadtmauer.

Anschließend fährt man auf asphaltiertem Untergrund an dichten Wäldern, klaren Seen, dem Oder-Havel-Kanal, an verträumten Ferienorten sowie dem oft geheimnisvoll anmutenden Werbellinsee vorbei. Nach einem ruhigen Rastplatz unterwegs muss niemand lange Ausschau halten – und wer unterwegs einkehren will, kann sich auf den Radnavigator verlassen. Er zeigt die Restaurants auf der Route an.

Mit der Schafzucht übrigens hat der Name Schorfheide wohl nichts zu tun. Die Holländer sollen im 11. Jahrhundert mit dem Begriff „scorv“ eine wilde, sumpfige, feuchte und raue Landschaft bezeichnet haben. Schließlich nennen sie bis heute den wilden Löwenzahn „Scorftbloemen“. Aus „scorv“ wurde im Laufe der Jahrhunderte schließlich die Schorfheide. Auf jeden Fall scheint hier der Trubel der Großstadt endlos weit weg und die Urlaubsinsel Usedom fast schon zum Greifen nah zu sein.

WERBELLINSEE

Theodor Fontane geriet beim rund zehn Kilometer langen und bis zu 1,5 Kilometer breiten See mit klarem Wasser so ins Schwärmen, dass er das Ufer mit einem Märchenplatz verglich. Zu ihm führt ein malerischer Kanal.

HUBERTUSSTOCK

Viele Legenden ranken sich um das 1972 originalgetreu wiederaufgebaute Schloss inmitten der Schorfheide, in dem sich Erich Honecker und Helmut Schmidt 1981 zu Verhandlungen trafen. Das Restaurant können nur geschlossene Gesellschaften mieten.

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