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Nicht nur feiern. Zum 40. Jahrestag seines Olympia-Gold-Laufes hat Peter Frenkel einen israelischen Überlebenden des München-Attentats nach Potsdam eingeladen. Am 31. August 1972 bekam Fränkel im Olympiastadion in München seine Goldmedaille (o).

© Manfred Thomas; dpa

ATTENTAT: Durch Schreie geweckt

Peter Frenkel holte 1972 Olympiagold – und wurde Zeuge des Attentats von München

Der Schock traf Peter Frenkel mitten in der Gold-Euphorie: Fünf Tage, nachdem der Potsdamer Geher für die DDR Olympiagold auf der 20-Kilometerdistanz geholt hatte, wurde er am 5. September 1972 im Olympiadorf von München Zeuge des Attentats auf die israelische Mannschaft. Den Jahrestag beider Ereignisse hat Frenkel jetzt zum Anlass genommen, einen Überlebenden der München-Anschläge aus Israel einzuladen: Der in Belgrad geborene Athlet Shaul Paul Ladany, der am Mittwoch in Potsdam eintreffen sollte, wird am Freitagnachmittag auch bei einem Empfang mit weiteren Sport-Gefährten Frenkels im „Haus zum Güldenen Arm“ erwartet. Beide Sportler fahren am Wochenende zusammen nach München, wo es am 5. September eine Gedenkveranstaltung für die Opfer des Attentats geben soll.

Peter Frenkel wohnte seinerzeit mit seinem Geher-Kollegen Christoph Höhne in einem Zimmer direkt gegenüber des israelischen Quartiers, wie er berichtet. Am frühen Morgen des 5. September 1972 wird er durch Schreie geweckt. „Wir sind auf den Balkon gerannt, um zu sehen, was los ist“, erinnert sich Frenkel. Zwei Vermummte mit schwarzen Masken beobachtet er auf dem Balkon des israelischen Quartiers, auch Fotos habe er geistesgegenwärtig noch machen können – die Bilder verschwinden später aber in der Redaktion einer Zeitschrift. Dann ging es plötzlich schnell: „Die Sicherheit kam mit Sturmgewehren in unser Zimmer, wir wurden dann mit dem Fahrstuhl in die Tiefgarage gebracht.“ Gemeinsam mit den anderen ostdeutschen Sportlern verbringen sie die nächsten zwei Tage in einem Ausweichquartier in der Nähe von Schloss Neuschwanstein. „Wir haben gewartet, was passiert.“ Als die Entscheidung zur Fortsetzung der Spiele fiel, sei er froh gewesen, erinnert sich Frenkel: „Es ist gut, dass man sich nicht hat unterkriegen lassen.“

Das ganze Ausmaß des Massakers, bei dem elf israelische Geiseln, ein deutscher Polizist und fünf palästinensische Terroristen ums Leben kamen, sei ihm erst später bewusst geworden. „Im Nachhinein habe ich intensiver daran gedacht, als damals“, räumt Peter Frenkel ein. Sein 40-jähriges Gold-Jubiläum habe er deshalb auch nicht „einfach so feiern“ wollen, sagt Frenkel, der heute als Fotograf und Fitnesstrainer arbeitet: „Ich möchte an dieses fürchterliche Massaker erinnern.“ Dass Ladany, den er seinerzeit nur flüchtig kennenlernte, seine Einladung sofort annahm, freut ihn umso mehr.

Wie groß das Wechselbad der Gefühle für Frenkel damals gewesen sein muss, ahnt man, wenn man ihn von seinem Gold-Lauf am 31. August 1972 erzählen hört. Er schildert die Wettkämpfe, als wären sie gestern passiert. Angereist war der Potsdamer – es war für ihn bereits die zweite Olympiateilnahme nach Mexiko – erst am Vorabend seines Laufes. Er sollte möglichst bis an den Start „rantrainieren“, nicht nur physisch, sondern auch psychisch: Durch autogenes Training habe er sich voll auf den Sport konzentrieren können. Die Frage nach dem Verhältnis zwischen BRD und DDR, die Neugier auf München, Kontakte zu Sportlern aus dem Ausland – das alles spielte keine Rolle, als Frenkel am Abend des 30. August in Berlin-Friedrichstraße in den Zug stieg: „Ich habe das alles ausgeschaltet.“

Diese Strategie sollte ihm am 31. August zum Sieg verhelfen: „Am Anfang bin ich locker mitgegangen, bei zehn Kilometern fing der Wettkampf im Grunde genommen erst an“, erzählt der 73-Jährige. Vier Kilometer vor dem Ziel habe Konkurrent Wolodymyr Holubnytschyj, der für die Sowjetunion angetreten war, „gewaltig Tempo angezogen“. „Ich war stark im Kopf, obwohl es mir bis hier stand“, sagt Peter Frenkel. Als er sich auf einen Vorsprung von 30 Metern gelaufen hatte, war er sich des Sieges sicher: „Da wachsen einem Flügel“, beschreibt Frenkel das Gefühl: „Als ich den Stadiontunnel gesehen habe, wusste ich, jetzt kann nichts mehr passieren.“ An die Siegerehrung hat er keine Erinnerungen mehr.

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