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Überall in Deutschland wird gegen Atomkraftwerke protestiert.

© dpa

Atomdiskussion: Riss im Forschungsreaktor?

Das ARD-Magazin "Kontraste" enthüllt Sicherheitsmängel im Helmholtz-Zentrum nahe Potsdam, doch die Betreiber bestreiten die Mängel.

Potsdam/ Berlin - Im Forschungsreaktor in Berlin-Wannsee nahe Potsdam existieren – nach Recherchen des ARD-Politikmagazins „Kontraste“ – angeblich Sicherheitsmängel. Ein leitender Ex-Mitarbeiter der Nuklearanlage berichtete Journalisten des Magazins etwa über einen Riss im Kühlsystem, der bei einem Störfall die Kühlung verhindern könnte. „Folge könnte eine Wasserstoffexplosion sein, bei der Radioaktivität in die Umwelt gelangt“, heißt es in einer Mitteilung zur Sendung, die am Donnerstagabend nach Redaktionsschluss ausgestrahlt werden sollte. Die Auswirkungen auf die Bundeshauptstadt wären nach „Kontraste“-Angaben katastrophal. Je nach Windrichtung müssten weite Teile Berlins oder Potsdams evakuiert werden, so „Kontraste“.

Die Darstellung, es gäbe einen Riss im Kühlsystem, wird vom für den Reaktor zuständigen Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) bestritten. Es handele sich um die „böswillige Falschaussage“ eines Ex-Mitarbeiters, dem wegen Mobbings anderer Kollegen gekündigt worden sei, sagte HZB-Sprecherin Ina Helms den PNN. Es gäbe keinen Riss im Kühlsystem – sondern nur eine undichte Trennwand, die ab und an für Wartungsarbeiten am Reaktor zur Teilung des Hauptkühlwasserbeckens eingesetzt werde. Kühlwasser gelange „definitiv nicht nach außen“, erklärte Helms. Der Mangel sei nicht „sicherheitsrelevant“. Das habe auch der TÜV Rheinland in einem Gutachten festgestellt, so Helms. Auch die zuständige Senatsumweltverwaltung Berlin widersprach der Darstellung des Fernsehmagazins. Der Reaktor sei sicherheitstechnisch nicht bedenklich, sagte Sprecherin Regina Kneiding.

Dagegen sagte der Ex-Mitarbeiter zu „Kontraste“, das Vorgehen der Geschäftsführung gewährleiste „Betreibersicherheit, aber keine Betriebssicherheit“. So habe das HZB den Vorschlag des Ex-Mitarbeiters abgelehnt, ein verschlissenes Aluminiumbauteil am Reaktorkern gegen ein sichereres neuartiges Teil zu ersetzen. Stattdessen sei das sicherheitsrelevante Teil nach einer alten Herstellungsweise gebaut und eingesetzt worden. „Somit umschiffte der Betreiber strengere Kontrollen, wie sie für nach einem modernen Verfahren hergestellte Teile vorgeschrieben sind“, so „Kontraste“. Helms sagte, das vorgeschlagene neue Bauteil und dessen Material sei nicht für den Reaktorbetrieb erprobt und zertifiziert, daher habe das HZB auf „Bewährtes“ zurückgegriffen.

Nach Betreiberangaben ist das Helmholtz-Zentrum für Materialien und Energie nicht mit einem Kernkraftwerk zu vergleichen und liefert Neutronen für Forschungsprojekte. Es gibt nur 24 kleine Brennstäbe – ein Atomkraftwerk braucht rund 600 große Brennstäbe. Schon vor dem GAU im japanischen Atomkraftwerk Fukushima fuhren Techniker den Berliner Reaktor im vergangenem Herbst für Wartungsmaßnahmen herunter. Im August soll er die Arbeit wieder aufnehmen. „Dann werden wir auch den sogenannten Stresstest durchführen“, so Helms. Die undichte Stelle werde beseitigt.

Auf seiner Internetseite www.helmholtz-berlin.de berichtet der Reaktor-Betreiber über umfangreiche und automatische Sicherheitsvorkehrungen. Jedoch sind Schutzhüllen wie bei Atomkraftwerken am Wannsee-Reaktor nicht zu finden. Auch eine Katastrophe kann das Institut nicht ausschließen. „Durch extreme Einwirkung von außen könnte es zu so massiven Schäden am Reaktor kommen, dass der Kern schmilzt und aus der zerstörten Halle eine Wolke radioaktiver Stoffe freigesetzt würde", heißt es vom Betreiber. Im schlimmsten Fall müssten Teile von Babelsberg und der Berliner Vorstadt sowie Sacrow evakuiert werden.

Die Potsdamer Grünen zeigten sich alarmiert von dem „Kontraste“-Bericht: „Das zeigt, wie notwendig ein Sicherheitscheck durch unabhängige Fachleute ist.“ Kritiker des neuen Hauptstadtflughafens BBI fordern für den Reaktor seit längerer Zeit schon ein Überflugverbot. (mit dpa)

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