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Archiv: Das Langzeitgedächtnis von Brandenburg

Das Brandenburgische Landeshauptarchiv in Golm stellt zum 70. Jubiläum erstmals 1788 Akten online.

Potsdam - Zum 70. Geburtstag hat das Brandenburgische Landeshauptarchiv (BLHA) nicht sich selbst, sondern seinen Nutzern ein Geschenk gemacht: Beim Festakt am Donnerstag wurden die ersten digitalen Akten des Archivs veröffentlicht, die von nun an online auf der Webseite des BLHA eingesehen und heruntergeladen werden können. „Das ist ein wichtiger Meilenstein bei der Digitalisierung und der Entwicklung neuer Zugänge zum weltweiten Wissen“, sagte Brandenburgs Wissenschaftsministerin Martina Münch (SPD) in ihrem Grußwort.

Bei den besagten Akten, insgesamt sind es 1788, handelt es sich um 463.000 Seiten umfassende Dokumente der Regierung Potsdam aus dem Zeitraum 1767 bis 1945, die sich mit Bauangelegenheiten und dem Erhalt historisch wertvoller Gebäude beschäftigen. Diese Akten gehören laut BLHA zu den an meisten angefragten Dokumenten des Archivs und seien zudem sehr gut erhalten. Bis 2020 sollen weitere 11.757 Akten aus dem Bestand der Regierung Potsdam online gestellt werden.

Mit 70 Jahren ist das BLHA für ein Archiv relativ jung, sagte Direktor Klaus Neitmann in seinem Grußwort. Ursprung ist das 1833 gegründete Brandenburgische Provinzialarchiv, das bis 1945 aber nur ein Anhängsel des Preußischen Geheimen Staatsarchivs war. Tatsächlich gab es in der Nachkriegszeit Überlegungen, diesen Zustand zu belassen und das Landesarchiv in ein neues Zentralarchiv einzubetten. Doch man entschied sich anders: Am 21. Juni 1949 wurde das Landeshauptarchiv gegründet und zunächst aus Platzgründen im Ostflügel des Orangerieschlosses im Park Sanssouci untergebracht. Die Bedingungen waren nicht optimal: In den sieben Meter hohen Pflanzenhallen wurden dreigeschossige Holzregale errichtet, geheizt wurde mit Öfen. Doch die Gründergeneration des BLHA war voller Ehrgeiz, aus den „vom Weltkrieg hinterlassenen archivarischen Trümmerfeldern“ ein geordnetes Archiv zu formen, das sich mit anderen Staatsarchiven messen konnte, so Neitmann.

Eines der modernsten seiner Art

Der Akten-Bestand vom 12. Jahrhundert bis in die Gegenwart wurde aber nicht nur verwaltet, sondern auch ausgewertet: „Das damals erarbeitete zehnbändige ‚Historische Ortslexikon für Brandenburg’ wird noch vielen Historikergenerationen als unverzichtbares Werk der Grundlagenforschung dienen“, sagte Neitmann und lobte besonders den Verdienst der Archivarin Lieselotte Enders.

Nach dem Ende der DDR mit ihren beschränkten Publikationsmöglichkeiten stieg auch die Zahl der Veröffentlichungen des BLHA enorm an: Rund 140 Bücher hat das Archiv seitdem herausgebracht. Doch es kam auch zu neuen Platzproblemen, denn das BLHA musste viele Akten der aufgelösten DDR-Behörden in seinen Bestand aufnehmen. Eine ehemalige Kfz-Halle in Bornim wurde zum zweiten Standort ausgebaut und 1992 bezogen. Auch dies war auf Dauer keine Lösung, weshalb das komplette BLHA 2016 in einen Neubau im Wissenschaftspark Golm umzog. Heute könne sich das Archiv zu den modernsten seiner Art in Deutschland zählen, so Neitmann.

Urkunde von Albrecht dem Bären

Derzeit umfasst das BLHA rund 54.000 laufende Meter Dokumente. Würden die Akten übereinandergestapelt, wäre der Turm 54 Kilometer hoch. Darunter befinden sich 220 000 laufende Meter Karten, 120.000 laufende Meter Fotos und 10.000 Pergamenturkunden. Die älteste davon ist eine Urkunde aus dem Jahr 1160, ausgestellt von Albrecht dem Bären: Darin schenkt der erste Markgraf von Brandenburg dem Johanniterorden eine Liegenschaft in Werben an der Elbe zur Gründung einer Ordensgemeinschaft. Auch Friedrich II. ist mit einigen Dokumenten im BLHA vertreten: Dazu zählt ein Schriftstück, auf das der Preußenkönig eine Randbemerkung gekritzelt hatte, in der er sich über den Prozess zwischen dem Müller Christian Arnold gegen den Grafen von Schmettau äußerte: „Ein Müller ist ein Mensch Eben So guth wie ich bin.“ Zum BLHA-Bestand gehört aber auch Profanes wie etwa das Kochbuch der Gräfin Anna Elisabeth von Reuß-Schleiz, in dem die Adlige 1684 Rezepte mit Südfrüchten niedergeschrieben hatte.

Jährlich hat das BLHA rund 4000 Nutzeranfragen. Die meisten davon beschäftigen sich mit Ortsgeschichte, aber auch die Klärung von Vermögensfragen, entstanden etwa durch NS- oder SED-Unrecht, spielt eine wichtige Rolle. Durch die Digitalisierung wird die Akten-Recherche künftig sehr viel einfacher, zudem lassen sich so viele der vom Verfall bedrohten Dokumente konservieren. Für Neitmann ist jedoch klar: Das Originaldokument steht im Vordergrund, ersetzt werden soll es durch die Digitalisierung nicht. Eine Einschätzung, die Martina Münch teilt: „Ich bezweifle, dass digitale Bestände ähnlich lange überdauern werden, wie schriftliche Dokumente, die vor 5000 Jahren entstanden sind.“

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