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Schädelknochen eines Hundes. Auf dem ehemaligen Kasernengelände wurden Siedlungreste, Alltagskeramik, Knochen – auch die eines Hundes, ganz oben zu sehen – und Steinwerkzeuge der Jastorf-Kultur aus der germanischen Besiedlung zwischen 600 vor und 200 nach Beginn unserer Zeitrechnung gefunden.

©  Andreas Klaer

Archäologische Ausgrabungen in Krampnitz: Spuren der Klimaflüchtlinge

Wo bald tausende Potsdamer wohnen sollen, siedelten schon früher Menschen. Vor den Bauarbeiten sind Archäologen auf der Suche nach ihren Hinterlassenschaften.

Potsdam - Die Idee, westlich des Krampnitzsees eine Siedlung zu errichten, sorgt im heutigen Potsdam für Diskussionen – neu ist sie allerdings nicht. Siedlungsspuren in Potsdams Norden reichen von der Steinzeit bis zum Mittelalter. Derzeit hat die Archäologie in Krampnitz Hochkonjunktur. Bevor im neuen Stadtteil Krampnitz Straßen gebaut und Leitungen verlegt werden können, laufen archäologische Ausgrabungen. 

70.000 Quadratmeter werden systematisch abgesucht. Drei archäologische Fachfirmen sind damit betraut. Die bisher entdeckten Spuren stammen vom Beginn unserer Zeitrechnung und zeigen, wie die Germanen seinerzeit lebten. Offenbar hatten sie auch Kontakte in weit entfernte Gebiete und Probleme, die einem durchaus gegenwärtig erscheinen.

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Eine der Grabungsstellen befindet sich am Eingang zum sogenannten Bergviertel im Süden des Kasernenareals. Dort soll einmal eine Straße das Wohngebiet erschließen. So breit wie die Straße ist auch die Grube. Und etwa 30 Meter lang. Der weitere Verlauf ist an bunt markierten Eisenpflöcken erkennbar.

Einst siedelten Semnonen am Krampnitzsee

In rund zwei Meter Tiefe wird bei 30 Grad und Sonnenschein nach Spuren der germanischen Semnonen gesucht, die das Areal einst besiedelten. An den Rändern könne man das gut erkennen, erzählt Leiterin Nicola Hensel von der Firma Archäologie Manufaktur, die im Auftrag des Landesdenkmalamts die Grabung durchführt. „Im oberen Teil sieht man eine dunklere Färbung“, sagt sie. Das sei Boden, der über Jahrhunderte aufgetragen wurde. Darunter befindet sich eine hellbraune Lehmschicht.

Knochenjob. In der Sonne wird Schicht für Schicht freigelegt.
Knochenjob. In der Sonne wird Schicht für Schicht freigelegt.

© Foto. Andreas Klaer

Auf den Lehm hatten es die Semnonen wohl abgesehen. Denn schaut man von oben in die Grube, zeigen sich lauter dunkle Flecken. „Das sind Gruben, die später wieder aufgefüllt wurden“, erläutert Hensel. Spuren der Siedlung selbst habe man hingegen noch nicht gefunden. Aber es sei wahrscheinlich, dass sie nicht weit entfernt war. Ob sie allerdings jemals entdeckt wird, ist ungewiss. Denn es wird nicht überall gegraben, sondern nur dort, wo auch neu gebaut wird. Rund zehn Millionen Euro hat der Entwicklungsträger dafür eingeplant. Dort wo bereits Gebäude stehen, wird nicht ausgegraben.

Krampnitzer haben keltische Waren importiert

Dennoch verrät auch die Lehmgrube schon einiges über die früheren Bewohner. So wurden Scherben verschiedener Krüge entdeckt. Viele davon haben eine raue Oberfläche. Nur wenige sind glatt und besitzen klare Bruchkanten. Diese Keramik sei auf einer Drehscheibe hergestellt. „Das ist Importware wahrscheinlich aus dem keltischen Bereich“, erläutert Hensel. Die Potsdamer Semnonen hatte also möglicherweise Handelskontakte bis ins heutige Frankreich.

Zwölf Bodendenkmale in Krampnitz

Gefunden wurden außerdem sogenannte Spinnwirtel. Das sind kleine Schwunggewichte oder Schwungscheiben, die den Faden beim Spinnen mit der Handspindel in gleichmäßige Rotation bringen. Außerdem sind in der Grube auch Knochen gefunden worden – von Rindern, Schafen und Ziegen sowie viele Reste von Fischgräten und Muscheln. 

Handwerk. Spinnwirtel wurden benutzt, um Garn herzustellen.
Handwerk. Spinnwirtel wurden benutzt, um Garn herzustellen.

© Andreas Klaer

Ein Hundeschädel war auch dabei. Das Tier kam offenbar gewaltsam zu Tode, wie ein Loch über dem Auge vermuten lässt. Weitere Funde sind gewiss. Zwölf Bodendenkmale verzeichnet die aktuelle Landesdenkmalliste für das Areal. Gemeint sind damit Flächen, auf denen Funde zu erwarten sind.

Funde seit mehr als 100 Jahren

Archäologische Ausgrabungen gibt es in Krampnitz schon so lange, dass sie mittlerweile selbst historisch sind. Los ging es vor mehr als einhundert Jahren als Krampnitzer Bauern 1913 am Kellerberg auf Scherben, Knochen, altes Werkzeug stießen und das Stadtmuseum informierten. Dessen Leiter Friedrich Bestehorn mischte in den folgenden Jahrzehnten bei einigen Grabungen mit. 1927 wurde ein Friedhof mit insgesamt 114 slawischen Gräbern aus dem frühen Mittelalter entdeckt. Größere Ausgrabungen folgten ab 1913 im Zuge des Kasernenbaus für die Wehrmacht. Allerdings ist die noch nicht untersuchte Fläche deutlich größer.

Die Semnonen waren jedoch auch nicht die ersten, die in Krampnitz ihre Spuren hinterließen. Eine Hacke aus der mittleren Steinzeit – 9500 bis 4000 vor Christus – und ein Feuersteinbeil besitzt das archäologische Landesmuseum in Brandenburg/Havel. 

Semnonen wanderten nach Schwaben

Die Semnonen lebt erst von etwa 200 Jahren vor unserer Zeit bis etwa um das Jahr 200 am Krampnitzsee. Trotz Lehm, Fisch und schöner Landschaft seien sie später ins heutige Schwaben gezogen. Damals trieb sie ein natürlicher Klimawandel gen Süden. In Krampnitz wurde das Wetter zu feucht und die Ernten zu schlecht, so Hensel. Die Krampnitzer waren also sozusagen Klimaflüchtlinge.

Vorratskammer. Archäologin Nicola Hensel leitet eine der Grabungen in Krampnitz. Gefunden wurden dabei auch Bruchstücke von Alltagsgefäßen.
Vorratskammer. Archäologin Nicola Hensel leitet eine der Grabungen in Krampnitz. Gefunden wurden dabei auch Bruchstücke von Alltagsgefäßen.

© Andreas Klaer

Wegen Krampnitz` jüngerer Geschichte als Militärstandort werden die Ausgrabungen auch immer von zwei Mitarbeitern einer Kampfmittelbeseitigungsfirma begleitet. An der aktuellen Ausgrabungsstätte sei bisher nur eine Panzerfaust gefunden worden. Aber nach Jahrzehnten militärischer Nutzung könnte es weitere Funde geben.

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