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Landeshauptstadt: Anklage nicht zustellbar

Im Millionenbetrugsfall um den Bildungsträger Educon ist immer noch kein Prozessbeginn absehbar

Eigentlich hatten Hunderte geprellte Schüler und Dozenten auf juristische Genugtuung noch in diesem Jahr gehofft. Doch bei der juristischen Aufarbeitung der schon 2010 publik gewordenen Betrugsaffäre um den damals noch bundesweit aktiven und inzwischen untergegangenen Potsdamer Bildungsdienstleister Educon gibt es einen neuen Rückschlag: Das Landgericht konnte die Anklageschrift wegen eines mutmaßlichen Millionenbetruges zu Lasten des Landes Brandenburg nicht an die Hauptangeklagte zustellen, die frühere Firmeninhaberin Carina H. – die Schlüsselfigur der Affäre um mutmaßlich erschlichene Millionenzuschüsse für fiktive Schüler. Eine Sprecherin des Landgerichts bestätigte jetzt den PNN auf Anfrage: „Die Zustellung der Anklageschrift an eine der Angeschuldigten im Ausland war erfolglos.“

Damit zieht sich das ohnehin seit Jahren währende Verfahren weiter in die Länge. So war erst Anfang des Jahres die Anklage für das Mammutverfahren zugelassen worden – allerdings hat die Staatsanwaltschaft nach PNN-Informationen damals bereits einige verjährte Nebenvorwürfe aus der Anklage streichen müssen. Zudem war einer der zuvor noch drei Angeklagten aus der Educon-Spitze, Klaus B., inzwischen verstorben. Insbesondere Carina H. wird mehrfacher gemeinschaftlicher Betrug im besonders schweren Fall vorgeworfen.

Der mutmaßliche Millionenbetrug mit erfundenen Schülerzahlen hatte vor mehr als sieben Jahren auch bundesweit Schlagzeilen gemacht. Die Affäre begann Ende April 2010 mit einer Hausdurchsuchung im Hauptgebäude des Bildungsträgers in der Berliner Straße. Mittels falscher Angaben sollen Gesellschaften der Educon mehr staatliche Zuschüsse als berechtigt erhalten haben, hieß es damals von den Ermittlern. Die Folge: Das Landesbildungsministerium entzog drei Berufsfachschulen in Potsdam und Cottbus die Genehmigung, stoppte die Zahlungen von damals rund 4500 Euro pro Schüler und Jahr – von 871 gemeldeten Schülern konnte Educon laut Ministerium damals nur 313 Personen nachweisen. Die Staatsanwaltschaft Potsdam hatte über Jahre hinweg diese Vorwürfe untersucht und versucht, daraus eine gerichtsfeste Anklage zu formulieren. Die Ermittlungsakten des Verfahrens sollen mittlerweile einen kleinen Kellerraum füllen (PNN berichteten).

Doch wann die Unterlagen nun in einem Prozess ausgewertet können, ist offen. Die Sprecherin des Landgerichts sagte den PNN, die Anklageschrift sei nun zunächst dem Verteidiger zugestellt worden. Dieser habe als Reaktion die Zurückversetzung des Verfahrens in den Stand vor Zustellung der Anklageschrift beantragt – wegen der angeblichen Verletzung rechtlichen Gehörs. Diesen Antrag habe die zuständige Gerichtskammer aber zurückgewiesen, so die Sprecherin. Offen ist, ob der Verteidiger dagegen Beschwerde beim Oberlandesgericht einreicht. Eine Anfrage der PNN blieb unbeantwortet. Insofern sei ein Prozessbeginn noch nicht absehbar, machte die Gerichtssprecherin deutlich.

Auch die Landesregierung, speziell das Bildungsministerium, verfolgt das Verfahren aufmerksam. Schließlich versuchte das Land Brandenburg, die gezahlten Millionenbeträge für die mutmaßlich nicht vorhandenen Schüler wieder einzutreiben. Nach den verfügten Schulschließungen war das gesamte Unternehmen in Schieflage geraten. Auch staatlich nicht geförderte Educon-Schulen im gesamten Bundesgebiet stellten ihren Lehrbetrieb zum Teil über Nacht ein, das Unternehmen verschwand von der Bildfläche, auch die Internetpräsenz wurde gelöscht. Noch Jahre später meldeten sich Schüler und Ex-Dozenten, die von Educon bereits gezahltes Schulgeld, Zeugnisse, Löhne oder Schadensersatz verlangten, ihre Forderungen aber nicht mehr zustellen oder vollstrecken können.

Die ehemalige Educon-Firmeninhaberin Carina H. bestreitet die Vorwürfe. Ihre früheren Anwälte hatten gar mit Schadensersatzklagen gegen das Land gedroht, weil ein florierendes Unternehmen wie Educon durch die Vorwürfe in den Ruin getrieben worden sei. Nach eigenen Angaben hatte sie 2012 eine Privatinsolvenz in Großbritannien über Schulden von mehr als 30 Millionen Euro abgeschlossen – durchgeführt nach dem einfacheren britischen Insolvenzrecht. Die Ex-Chefin gab dabei auch die Millionenschulden beim Land an. Das hatte die damals 50-Jährige im Herbst 2012 auf Anfrage erklärt: „Sollte die Forderung gegen mich vollstreckt werden, dann läuft das ins Leere.“ Ins Leere gelaufen ist nun die Zustellung der Anklage. Dabei hatte Carina H. noch in diesem Jahr in einem überraschenden Anruf bei den PNN erklärt, die Justizbehörden wüssten, wo sie im Ausland wohnt – und zeitweise sei sie sogar wieder in Berlin unterwegs.

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