zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Anklage: Mord aus Habgier

71-Jährige musste wegen 50 Euro Beute sterben / Landgericht verhandelt gegen zwei Männer

71-Jährige musste wegen 50 Euro Beute sterben / Landgericht verhandelt gegen zwei Männer „Wieso hat Helga die Männer in ihre Wohnung gelassen? Sie war doch immer so vorsichtig“, grübelten ehemalige Kollegen gestern – noch immer betroffen – auf dem Gerichtsflur. Am Ende des ersten Verhandlungstages im Prozess wegen Raubmord an einer 71-jährigen Potsdamerin vor dem Landgericht war das Rätsel gelöst: Die Mörder ehemaligen Buchhalterin klingelten am Abend des 2. März bei der Ahnungslosen Am Alten Markt 10, fragten nach der Handynummer eines Nachbarn, der damals im Ausland weilte, schoben die Frau gewaltsam in den Flur zurück, drängten nach. Dann begann ein Martyrium für die 71-Jährige. Wenig später war sie tot, qualvoll erstickt an den Knebelungen, die ihr zumindest einer der Eindringlinge angelegt hatte, damit sie nicht schreien konnte. Raphael F. (20) und Detlef W. (47) – angeklagt wegen Mordes aus Habgier – hätten es auf das Geld der gehbehinderten Potsdamerin abgesehen, so Staatsanwältin Kornelia Stephan. Sie erbeuteten allerdings nur 50 Euro, einen Fotoapparat und diverse Lebensmittel. Detlef W. – arbeits- und wohnsitzlos sowie bereits wegen Mordes vorbestraft – soll der treibende Keil gewesen sein, erzählte der geständige Raphael F. „Ich habe nur das gemacht, was er gesagt hat.“ Das Duo zog damals gemeinsam durchs Land und war auf der Suche nach einer Schlafgelegenheit. Schließlich fand es Unterkunft bei einem Bekannten des Älteren Am Alten Markt 10. Der soll erwähnt haben, seine verwitwete Nachbarin Helga B. sei recht vermögend. „Detlef W. fesselte die Frau mit einem Seil, das wir aus der Wohnung seines Bekannten mitnahmen. Wir hatten auch Klebeband, aber das klebte nicht“, erinnerte sich Raphael F. – in Sri Lanka geboren, im Säuglingsalter von einem Schweizer Ehepaar adoptiert, bereits wegen mehrfachen Raubes, Einbruchsdiebstahls und sexueller Nötigung mit dem Gesetz kollidiert. Während Detlef W. die Seniorin mit zufällig in ihrem Flur gefundenem Klebeband wie ein Paket verschnürte, habe er die Wohnung nach Brauchbarem durchsucht. „Ich habe gehört, dass W. die alte Frau schlug. Dann hat er ihr ein Kissen aufs Gesicht gelegt. Später habe ich Blut an einer Farbbüchse gesehen“, berichtete der schmächtige Angeklagte. „Als wir die Wohnung verließen, hat sie sich nicht mehr bewegt.“ Zwar habe er in Erwägung gezogen, die Rentnerin könne tot sein, doch insgeheim gehofft, sie sei nur ohnmächtig. „Ich war nicht mehr ich selbst“, beteuerte Raphael F. gestern, begründete das Gefühl des Neben-sich-Stehens mit dem Genuss von Cannabis, Alkohol und der Einnahme von Medikamenten. Auch sei er sehr erschrocken gewesen, zu welcher Brutalität sich Detlef W. hinreißen ließ. „Da habe ich mich gefragt, ob ich ihm überhaupt vertrauen kann.“ Zunächst seien sie gemeinsam geflüchtet, doch dann hätten sich ihre Wege getrennt. Raphael F. wurde bei einem Ladendiebstahl in Cuxhaven gestellt, erzählte dort der Polizei, was sich in Potsdam ereignete. Seit dem 21. April befindet er sich in Untersuchungshaft. Detlef W. ging den Beamten einen Tag vorher per Zufall ins Netz. Er hockte unter einer Brücke der Autobahn Dresden-Eisenach und ließ sich widerstandslos festnehmen. Seitdem sitzt er im Brandenburger Gefängnis in U-Haft. Zum gestrigen Prozessauftakt äußerte sich der in Brandenburg/Havel Geborene weder zu seinem persönlichen Werdegang noch zum Vorwurf des Mordvorwurfs. Allerdings kündigte der Verteidiger an, sein Mandant werde am dritten Verhandlungstag in Anwesenheit des psychiatrischen Gutachters, der ihn bereits ausführlich befragte, aussagen. Der Prozess wird am 6. Dezember mit der Vernehmung der ersten Zeugen fortgesetzt. Das Urteil ergeht wahrscheinlich am 20. Dezember. G. Hohenstein

G. Hohenstein

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false