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Angeklagte lebt in Frankreich: Mutmaßlicher Millionenbetrug von Educon könnte verjähren

Kommt der Betrugsfall Educon noch vor Gericht? Daran mehren sich nun Zweifel.

Potsdam - Es geht um eine millionenschwere Betrugsaffäre: Doch ob sich die schweren Vorwürfe gegen die einstige Chefin des untergegangenen Potsdamer Bildungsdienstleisters Educon jemals vor Gericht vollständig aufklären lassen, ist längst nicht mehr sicher.

Denn die Hauptangeklagte gilt nun schon rund zwei Jahre lang als verhandlungsunfähig, nötige Untersuchungen bei Amtsärzten scheitern an der Corona-Lage – und nun, nach elf Jahren der juristischen Aufarbeitung, beginnen bald erste Tatvorwürfe zu verjähren. Einer der Anklagepunkte sei bereits im November an der Reihe, sagte die Sprecherin des Landgerichts, Sabine Dießelhorst, den PNN jetzt auf Anfrage.

Weitere sogenannte verfahrensgegenständliche Taten würden dann im August 2023, April 2024 und schließlich im März 2025 verjähren. Zur Erinnerung: Schon seit mehr als zehn Jahren macht der Fall immer wieder Schlagzeilen: Ende April 2010 hatte die Potsdamer Staatsanwaltschaft die Privatschulen von Educon mit dem damaligen Hauptsitz in der Berliner Straße durchsuchen lassen. Aus Sicht der Ermittler hatte es einen Millionenbetrug zu Lasten des Landes Brandenburg gegeben, weil Educon mittels falscher Angaben Zuschüsse für hunderte fiktive Schüler erschlichen habe.

Untersuchungen wegen Corona-Lage nicht möglich

Nun ist aber vor allem unklar, ob die einstige Chefin des Unternehmens wirklich in der Lage ist, zu einer Verhandlung zu erscheinen – womit hunderte geprellte Schüler und Dozenten weiter auf eine zumindest gerichtliche Wiedergutmachung hoffen müssen. 

Gerichtssprecherin Dießelhorst beschrieb die Lage so: Im Oktober 2019 habe eine saarländische Amtsärztin der mittlerweile in Frankreich lebenden Angeklagten eine Verhandlungsunfähigkeit für die Dauer von zunächst sechs Monaten attestiert. Deshalb hätte die Verhandlung eigentlich im Mai 2020 beginnen sollen, erklärte die Gerichtssprecherin. 

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Allerdings habe dann der behandelnde Mediziner der Angeklagten im jenen Mai 2020 eine Fortdauer der Verhandlungsunfähigkeit attestiert, die voraussichtlich auch noch mehrere Monate andauern werde. „Die beabsichtigte erneute amtsärztliche Untersuchung in Deutschland scheiterte an der Pandemielage“, erklärte Gerichtssprecherin Dießelhorst. 

So habe die Amtsärztin des zuständigen Saarpfalz-Kreises im Saarland noch im Oktober 2020 mitgeteilt, dass sie sich „aufgrund der aktuellen Situation“ außerstande sehe, eine Begutachtung der Angeklagten vorzunehmen. Der Sprecherin zufolge bescheinigte der behandelnde Facharzt der Angeklagten wiederum im Oktober 2020 die Fortdauer der Verhandlungsunfähigkeit – und nunmehr auch die Reiseunfähigkeit für mindestens sechs Monate. 

„Im Frühjahr 2021 verhinderte die andauernde Pandemie noch immer eine Untersuchung der in Frankreich lebenden Angeklagten durch einen deutschen Amtsarzt“, sagte die Gerichtsprecherin. Das Landgericht habe nun ein weiteres Attest zur Feststellung des aktuellen Gesundheitszustandes der Angeklagten angefordert.

Schüler zahlten insgesamt neun Millionen Euro

Das Bekanntwerden der Vorwürfe hatte damals auch ganz konkrete Folgen: Das Landesbildungsministerium entzog nach der Razzia drei Berufsfachschulen in Potsdam und Cottbus die Genehmigung, stoppte die Zahlungen an den Bildungsdienstleister. Bald darauf stellte Educon auch bundesweit seine Aktivitäten ein, in der Folge standen hunderte Schüler vor verschlossenen Türen, trotz gezahlten Ausbildungsgeldern. 

Auch das Land Brandenburg versuchte seitdem über das Bildungsministerium einen Teil der gezahlten Beträge – es geht um neun Millionen Euro – für mutmaßlich nicht vorhandene Schüler wieder einzutreiben. Allerdings wurden auch hier keinerlei Erfolge vermeldet. 

Gerade in der Staatsanwaltschaft Potsdam hatte man lange Zeit an dem komplexen Fall gearbeitet, ehe 2015 die Anklage zugelassen wurde. Als Gründe für die lange Verfahrensdauer hatte die Justiz unter anderem personelle Engpässe angegeben, aber auch den Vorrang anderer Verfahren. 

Die Educon-Seite hatte stets die Vorwürfe bestritten – äußerte sich auf PNN-Anfrage aktuell aber nicht dazu, auch nicht zum Grund der Verhandlungsunfähigkeit der Angeklagten. In der Vergangenheit hatten Anwälte der Educon die erhobenen Vorwürfe allesamt zurückgewiesen, auch die Ex- Geschäftsführerin selbst hatte das 2012 gegenüber den PNN getan. Ihr damaliger Anwalt hatte mit Schadensersatzklagen gegen das Land gedroht. 

Das Ministerium hatte hingegen unter anderem darauf verwiesen, dass Gerichte die Schulschließungen bestätigt hätten. So zog sich das Verfahren hin, über nun elf Jahre. Einer der ursprünglich drei Angeklagten des einstigen Bildungsdienstleisters ist inzwischen verstorben.

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