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Landeshauptstadt: Altpfarrer Stintzing gestorben

Trauer um Zeitzeugen des „Tags von Potsdam“

Die Landeshauptstadt Potsdam trauert um einen der letzten lebenden Zeitzeugen des „Tags von Potsdam“, den ehemaligen Pfarrer Wilhelm Stintzing. Er verstarb am Montag, nur wenige Wochen nach seinem 100. Geburtstag, wie die Stadtverwaltung am Dienstag mitteilte.

„Wilhelm Stintzing war ein Jahrhundertzeuge, der uns stets mit seinem Wissen und seiner leidenschaftlichen Art begeistert hat. Potsdam trauert nicht nur um einen wichtigen Theologen und Zeitzeugen, sondern einen engagierten Bürger unserer Stadt. Er wird uns mit seiner Weisheit fehlen“, sagte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD).

Stintzing wurde am 28. Juni 1914 in Omaruru im heutigen Namibia geboren, einem Ort etwa 200 Kilometer nordwestlich von Windhuk. 1919 kehrte die Familie nach Deutschland zurück. Stintzing wurde in der Potsdamer Garnisonkirche konfirmiert. Im Zweiten Weltkrieg, während eines Urlaubs, legte er das zweite theologische Examen ab, ohne je das Vikariat durchlaufen zu haben. Nach dem Krieg war Stintzing 20 Jahre lang Pfarrer in Groß Glienicke. Weil der Ort während des Kalten Krieges geteilt war, hatte Stintzing sowohl in der DDR als auch in Westberlin Gemeindemitglieder zu betreuen. Für den Westberliner Teil seiner Gemeinde initiierte er den Bau einer Schilfdachkirche, die heute noch steht. Stintzings steten Wechsel zwischen beiden Seiten der Grenze, der allerdings nur bis zum Mauerbau 1961 möglich war, hat sogar Bestsellerautor Johannes Mario Simmel in seinem 1965 erschienenen Roman „Lieb Vaterland magst ruhig sein“ aufgegriffen. Simmel erwähnt den Pfarrer namentlich in seinem Buch, in dem es um eine eigentlich frei erfundene Ost-West- Fluchtgeschichte geht.

Nach seiner Groß Glienicker Zeit half Stintzing, der auch Kreisjugendpfarrer und Studentenpfarrer war, im wachsenden Neubaugebiet Waldstadt eine Kirchengemeinde aufzubauen. Diese junge Petrusgemeinde wurde nach einiger Zeit mit der Auferstehungsgemeinde zusammengelegt. Hier blieb Stintzing Pfarrer bis zu seinem Ruhestand 1979.

Bekanntheit erlangte Stintzing in Potsdam vor allem durch seine Tätigkeit als Zeitzeuge. Als junger Mann hatte er den 21. März 1933, den sogenannten „Tag von Potsdam“ miterlebt, an dem sich Hitler und Hindenburg vor der Garnisonkirche symbolisch die Hände schüttelten. Dem Wiederaufbau der Garnisonkirche stand der Altpfarrer zunächst kritisch gegenüber. Später revidierte er seine Meinung, plädierte aber dafür, lediglich den Turm des Gotteshauses wieder aufzubauen und auf das Kirchenschiff zu verzichten. Er hatte sich gewünscht, dass sich die künftige Arbeit am Standort der einstigen Militärkirche der Versöhnung und dem Kampf gegen Massenvernichtungswaffen widmet.

Der Wiederaufbau der Garnisonkirche ist allerdings höchst umstritten. Inzwischen gibt es wie berichtet mehrere Initiativen für und gegen das Projekt, die jeweils auch von Prominenten unterstützt werden. Am heutigen Mittwoch beschäftigen sich auch die Stadtverordneten mit dem Thema Garnisonkirche. HC/PNN

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