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Ganz ordentlich wurde 1718 aufgeschrieben, wie man die beiden Langfinger, Valentin Runcken und Daniel Stieffen, überführte und zu bestrafen gedachte.

© A. Klaer

Altes Buch in Potsdam restauriert: Wie der Soldatenkönig zwei Diebe um die Ecke brachte

Es ist eine Mischung aus Gerichtsakte und Ganovenroman über einen Diebstahl bei der Königin 1718. Nun konnte ein seltenes Buch in Potsdam mithilfe von Buchpaten restauriert werden.

Potsdam - Was für eine Frechheit. Der Kastellan Valentin Runcken, 56 Jahre alt, und der Hof-Schlosser Daniel Stieffen, 40 Jahre alt, bedienen sich im Berliner Schloss aus dem Tresor und dem Schmuckkästchen der Königin. Ein Skandal! Als der Diebstahl 1718 entdeckt wird, greift der König hart durch. Das Gauner-Duo wird bei einer langwierigen Ermittlung und Befragung regelrecht vorgeführt. Die beiden Geständigen zeigen Reue, bekommen aber dennoch die Todesstrafe aufgebrummt, damals eine bisweilen unappetitliche Prozedur, gern als großer Show-Akt in der Öffentlichkeit inszeniert.

„Friedrich Wilhelm I. war nicht zimperlich. Das sollte auch eine Lehre für das ganze Volk sein – nach dem 30-jährigen Krieg ging es hier ziemlich drunter und drüber “, sagt Frank Dirk Hoppe, stellvertretender Direktor der Stadt- und Landesbibliothek. Denn ein Exemplar des Buches, das 1719 über diesen Fall auf den Markt kam, gehört zum Bibliotheksbestand. Nun konnte diese anonym verfasste Gerichtsakte mit der vagen Herkunftsangabe „Berlin: Rüdiger, 1719“ aufgrund einer Buchpatenschaft restauriert werden.

Unterhaltsamer Einblick in preußische Praktiken

Wer die altdeutsche Druckschrift lesen kann und mit Geduld die oft halbseitenlangen Sätze aufdröselt, der bekommt hier recht unterhaltsam Einblick in preußische Ermittlungs- und letztlich Exekutionspraktiken. Es ist ein kleiner literarischer Schatz. Wie er 1947 in den Bestand der Bibliothek kam, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Der Band könnte aus einer Schulbibliothek, aber auch aus privatem Besitz stammen. Nach all der Zeit war der Einband jedoch zerfleddert, viele Seiten zerknickt, angerissen, beschmutzt. Da kam ein Angebot des Stadtführer-Vereins Potsdam Guide: Die Stadtführer hatten zum Weltgästeführertag am 21. Februar 580 Euro Spenden eingenommen. Die sollten einem historischen Buch zugutekommen.

Nun hat die Berliner Restauratorin Ria Tiemeyer das Buch komplett restauriert: Es bekam einen festen Einband und einen neuen Schuber. Die Seiten wurden gereinigt und bei Bedarf geklebt, die zerfransten Ränder begradigt. Über die Magazinanleihe kann es sich jetzt wieder jeder anschauen. Weltweit könnte es etwa eine Handvoll Exemplare davon geben. Die Auflagenhöhe betrug im 18. Jahrhundert oft kaum 100 Stück. Hinzu kam, dass Bücher oder Schriften meist nur als Paket loser Druckseiten verkauft wurden. „Jeder stellte sich eine oder mehrere Schriften zusammen und ließ sie beim Buchbinder seines Vertrauens nach eigenem Geschmack binden“, sagt Frank Dirk Hoppe.

Zum Schluss: Bekehrung und Ende der Täter

Auch das Exemplar der Potsdamer Bibliothek umfasst mehrere Schriften über Tatort, Ablauf und Gerichtsprotokoll. Manchmal schreibt der Autor in der Ich-Form über persönliche Begegnungen mit den Delinquenten. Dazu kommt ein theologischer Bericht über „Bekehrung und Ende“ der Täter als Schlusswort.

Der Hofprediger Herr Steinberger wird so zitiert: Er habe die Versöhnung der beiden miteinander als auch mit Gott als aufrichtig erlebt. „Sie wollten sich beide zu Busse bereiten, daß über ihnen im Himmel unter den Engeln Gottes eine Freude entstünde, welches nicht geschehen seyn, wenn sie in ihren Sünden so fort gefahren, und endlich gar auf ihren sanfften Prunk-Betten gestorben.“

Auch die Ehefrauen wurden bestraft

Es nützte alles nichts. Der Griff in die königlichen Schatullen wurde schwer geahndet. Immerhin versprach der Geistliche, Jesus werde die Leiden erträglich machen. Das Urteil lautete: Drei Mal sollen beide mit „gluenden Zangen gekniepen worden“ und zwar an den jeweiligen Tatorten, „vor der Hauß-Voigtey, in der Gegend des Thresors und in der Spandauischen Strasse“. Anschließend „von unten auf gerädert, und also vom Leben zum Tode gebracht, nachgehends derselben Cörper an dem eisernen Galgen mit Ketten angehänget und verwahret werden sollen.“ Am 8. Juni 1718 wurde alles vollzogen.

Selbst die Ehefrauen der beiden wurden bestraft: „Weil sie ihrer Ehe-Männer verübte gottlose Thaten vor Gerichte hartnäckigt geleugnet und verbergend helffen“, sollten sie zu ihrer und anderer Warnung der Exekution zuschauen. Anschließend ging es „nacher Spandau ins Spinn-Haus biß aus fernere Verordnung“. Mehrere Kupferstiche illustrieren das Ganze, zeigen die beiden Angeklagten zwar in Ketten, immerhin noch in recht komfortablen Umständen. Auf anderen Bilder ist das Exekutionsspektakel vor dem Berliner Schloss zu sehen – ein Massenauflauf.

Die Bibliothek sucht weitere Buchpaten. Zum Beispiel für ein Buch von Georg Friedrich Möller von 1737, in dem dieser den aus Halle verbannten Philosophen und Freidenker Christian Wolf verteidigt. Kontakt >>

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