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Ein neuer Personalausweis kostet ermäßigt 28,80 Euro. Zu viel für einen Rentner aus Potsdam.

© dpa

Altersarmut in Potsdam: Potsdamer solidarisieren sich mit mittellosem Rentner

Nach einem PNN-Bericht über einen armen Rentner aus Potsdam, der sich keinen Personalausweis leisten kann und somit nicht an Geld kommt, zeigten sich viele Leser solidarisch und wollten für den Mann spenden. Doch so einfach ist das nicht.

Potsdam - Peanuts für die Stadt, drei Tage Essen für einen mittellosen Rentner: Nach einem PNN-Bericht über einen armen 74-Jährigen, der sich die Gebühr von 28,80 Euro für einen neuen Personalausweis nicht leisten kann, reagierten viele PNN-Leser äußerst betroffen und boten Spenden an, um den Mann zu unterstützen. Es sei „berührend“, dass so viele Potsdamer hilfsbereit seien, sagte der Anwalt Jens Frick den PNN. Selbst in seiner Kanzlei habe das Telefon am Mittwoch dauernd geklingelt. Auf der PNN-Facebook-Seite äußerten viele Leser auch Unverständnis über die Haltung der Stadt zu dem Fall.

Spenden könnten dem Rentner sogar schaden

Ob und wie die Spenden von ihm angenommen werden können, ist aber nicht so einfach zu beantworten. Am Montag habe er eine Einstweilige Anordnung beim Verwaltungsgericht beantragt und Klage eingereicht, um zu erreichen, dass der Ausweis vorläufig und ohne Gebühren ausgegeben wird. Würde sein Mandant jetzt den Personalausweis mit den Spendengeldern bezahlen können, „hätte dies möglicherweise Nachteile für die Kosten des Gerichtsverfahrens“. Auch müsse er seinen Mandanten fragen und dürfe die Entscheidung nicht allein treffen. Zudem könne eine Spende Auswirkungen auf die Ansprüche an Sozialleistungen haben.

Frick kündigte an, bald entscheiden zu wollen, wie er die Angebote annehmen kann. „Ich möchte, dass die Stadt die Menschen anständig behandelt“, betonte er.

Anwalt: Andere Städte reagieren kulanter als Potsdam

Wie berichtet hat der 74-Jährige diabeteskranke Potsdamer nur eine geringe Rente und erhält noch rund 200 Euro als Hilfe zum Lebensunterhalt dazu. Nun muss er möglicherweise ohne die monatlichen Rentenzahlungen auskommen – weil ihm die Stadt die Gebühren für seinen Personalausweis nicht erlässt. Dem 74-Jährigen, der aus Furcht vor möglichen Repressalien anonym bleiben will, verweigert die Verwaltung einen ermäßigten Satz auf die Personalausweisgebühren von 28,80 Euro. Da der Mann, der seit Jahren von Anwalt Frick unterstützt wird, kein eigenes Girokonto besitzt, erhält er einen Scheck, den er aber nur mit einem gültigen Ausweis bei einer Bank einlösen kann.

Zwar sieht die Personalausweisgebührenverordnung vor, dass die Gebühren ermäßigt oder erlassen werden können, wenn die Person bedürftig ist. Dies ist etwa bei einer Krankheit der Fall. Der Fachbereich Ordnung und Sicherheit der Stadtverwaltung beruft sich aber darauf, dass die Gebühren bereits mit der Anpassung des Regelbedarfs für Sozialhilfeempfänger abgegolten werden. Eine Einzelfallprüfung erfolgte nicht. Laut Frick würden andere Städte und Gemeinden kulanter in solchen Fällen handeln. Zudem stellt es eine Ordnungswidrigkeit dar, wenn man keinen Ausweis besitzt.

Altersarmut im Osten wird weiter zunehmen

Dabei dürfte es kein Einzelfall sein, dass durch 28,80 Euro für einen Ausweis mancher Geldbeutel arg belastet wird. So beziehen in der Landeshauptstadt derzeit 14.390 Menschen Hartz IV oder Sozialgeld. Die sogenannte Grundsicherung im Alter auf Sozialhilfeniveau erhalten laut Angaben der Stadt 1597 Potsdamer. Das entspricht immerhin 26,5 Bedürftigen pro 1000 Einwohner in der Altersklasse 65 plus. Zudem wird die Altersarmut vor allem im Osten künftig noch zunehmen, wie kürzlich der Sozialverband VdK warnte.

Stefan Engelbrecht

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