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Künftig gibt es mehr ärmere Senioren in Potsdam. Die Stadt geht davon aus, dass die Zahl der älteren Grundsicherungsempfänger weiter ansteigen wird. 30 853 Menschen im Alter über 65 Jahre leben derzeit in Potsdam.

© Federico Gambarini, dpa

Altersarmut: Arm mit Rente

Altersarmut ist in Potsdam ein wachsendes Problem. Immer mehr Potsdamer beziehen die sogenannte Grundsicherung, weil ihre Rente nicht zum Lebensunterhalt reicht.

Potsdam - Ihre Zahl könnte in den nächsten Jahren weiter zunehmen, so die Einschätzung des Potsdamer Rathauses. Derzeit erhalten 1686 Potsdamer Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung. 863 dieser Menschen sind älter als 65 Jahre. Dies entspricht etwa drei Prozent der Potsdamer Einwohner im Rentenalter. Im Durchschnitt werden monatlich 185,66 Euro pro Kopf ausgegeben. Die Stadtverwaltung geht davon aus, dass die Zahl der Grundsicherungsempfänger weiter ansteigen wird. Hauptgrund dafür ist die Demografie: Auch Potsdams Bevölkerung wird immer älter. Ende vergangenen Jahres lebten 30 853 Menschen im Alter über 65 Jahre in der Landeshauptstadt. Vor 20 Jahren waren es nur etwa halb so viele.

Die Grundsicherung für Rentner wurde im Jahr 2003 in Deutschland eingeführt. Wer eine Erwerbsminderung hat oder über 65 Jahre alt ist und dessen Rentenanspruch unterhalb des Existenzminimums liegt, kann die Leistung beantragen. Anders als bei der Sozialhilfe greift das Amt hier nicht auf die Verwandten zurück, um sich das Geld zurückzuholen. Außerdem wurde die Rentenversicherung verpflichtet, Kleinrentner auf ihren möglichen Anspruch auf Grundsicherung hinzuweisen.

Weil das Rentenniveau bis zum Jahr 2030 von 51 auf 43 Prozent des durchschnittlichen Nettolohns sinken soll, drohe vielen Menschen in Deutschland künftig Altersarmut, hatte kürzlich Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) festgestellt. Die Vorsitzende des Seniorenrates des Landes Brandenburg, Sieglinde Heppener (SPD), sieht hingegen schon heute einen steigenden Bedarf nach zusätzlicher sozialer Absicherung im Alter.

Gründe für den steigenden Bedarf nach Leistungen der Grundsicherung seien in Potsdam meist Langzeitarbeitslosigkeit oder dauernde Arbeit in einem Niedriglohnjob, sagt Stadtsprecher Jan Brunzlow. Fehlende oder geringe Beiträge für die Rentenversicherung führen zu niedrigen Rentenansprüchen. Gerade ältere Hartz-IV-Empfänger säßen doppelt in der Falle: „Das geringe Einkommen bereits vor Renteneintritt führt letztlich auch dazu, dass mangels finanzieller Mittel keine private Vorsorge getroffen werden kann“, so Brunzlow.

Neben Geringverdienern und Minijobbern drohe die Altersarmut auch Menschen, die frühzeitig ihre Beschäftigung aufgeben müssten, weil sie sich kaputt gearbeitet hätten, so der Potsdamer Bezirksvorsitzende der Industriegewerkschaft Bau, Rudi Wiggert. „Kaum ein Maurer, Dachdecker oder Gerüstbauer in Potsdam erreicht die reguläre Rentenaltersgrenze“, sagte Wiggert. Die meisten würden es nicht einmal schaffen, bis 60 im Job zu bleiben. Deshalb sei die Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre für sie besonders belastend. Er fordert deshalb bessere Regeln für das Altersübergangsgeld und höhere Rentensätze bei Erwerbsminderung.

Die Zahl der von Altersarmut Betroffener könnte in Potsdam noch weitaus höher liegen, als die Anzahl der Grundsicherungsempfänger nahelegt. Denn die Stadtverwaltung weiß nur von jenen, die auch einen Antrag auf die Leistung stellen. Bundesweit kommen laut einer Studie der Sozialforscherin Irene Becker für die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung auf einen Empfänger von Grundsicherung zwei weitere, die keinen Antrag stellen, obwohl sie einen Anspruch hätten. Den repräsentativen Daten der sozioökonomischen Panels zufolge hatten in Deutschland eine Millionen Menschen über 65 Jahre Anspruch auf Grundsicherung. Nur 340 000 bekamen tatsächlich Leistungen, so Becker.

Anhand der Beratungsgespräche werde immer wieder deutlich, dass gerade ältere Menschen den Gang zum Sozialamt vermeiden, um nicht als Bittsteller zu gelten, so Potsdams Stadtsprecher Brunzlow. Darüberhinaus lebten viele ältere Menschen allein, sodass ihnen auch entsprechenden Informationen fehlen oder sie sie nicht verstünden.

Die meisten armen Rentner leben in Potsdam im Süden und Südosten der Stadt. Nach der Statistik der Stadtverwaltung gibt es in den Stadtteilen Schlaatz, Waldstadt I und II sowie Potsdam-Süd 432 Grundsicherungs-Empfänger. Weitere 324 wohnen im Wohngebiet Am Stern, in Drewitz und im Kirchsteigfeld. Um Bedürftigen älteren Potsdamern zu helfen, gebe es die Stiftung Altenhilfe, erklärte Sprecher Brunzlow. Aus den Zinsen des Stiftungsvermögens verteilt das Kuratorium der Stiftung auf Antrag Hilfen. Unter anderem wird das Geld zum Kauf von Kühlschränken, Waschmaschinen und Brillen oder für Renovierungsarbeiten zur Verfügung gestellt. In diesem Jahr habe das Kuratorium der Stiftung bisher 18 Anträge für insgesamt 6326,71 Euro bewilligt.

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