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Carolin Knüttgen ist im Archiv-Verein für die Baustelle verantwortlich.

© PNN / Ottmar Winter

Alternatives Kulturzentrum: Die Sanierung des Archivs ist teurer als gedacht

Das alternative Kulturzentrum in der Leipziger Straße wird grundlegend saniert. Dabei sind nun neue Mängel aufgetaucht. Carolin Knüttgen kümmert sich ehrenamtlich um die Baustelle - und erklärt, wo es hakt.

Von Katharina Wiechers

Potsdam - Eigentlich studiert Carolin Knüttgen Produktdesign. Doch mittlerweile hat die 30-Jährige so viele Jahre auf der Baustelle des Kulturzentrums Archiv verbracht, dass sie ganze Vorträge über Bestandsschalung, Risssanierung oder Fensterstürze halten könnte. Im Mai hat der aufwändigste Teil der Arbeiten an dem maroden Gebäude in der Leipziger Straße begonnen: die denkmalgerechte Sanierung von Dach und Fassade, für das die Stadt wie berichtet eine beträchtliche Summe an Fördermitteln freigegeben hat. Doch nun sind die Kosten noch höher als gedacht – und das Archiv erneut auf Spenden angewiesen. Seit Wochen läuft eine Kampagne, über 10.000 Euro wurden seitdem eingenommen. 

Das Kulturhaus, das seit Jahren zu den wichtigsten Treffpunkten für Alternativkultur in Potsdam gehört, existiert seit 1994. Damals wurde es erst besetzt und dann später legalisiert. Benannt ist es nach dem zuletzt dort untergebrachten DDR-Filmarchiv, doch die Geschichte des Hauses reicht noch deutlich weiter zurück. Schon im 18. Jahrhundert wurde es als königliche Hofbrauerei errichtet. Die Bausubstanz ist also teilweise sehr alt und wurde über die Jahrhunderte immer wieder durch verschiedene Nutzer verändert – bis das Gebäude die letzten Jahrzehnte dem Verfall preisgegeben war. 

Der Regen hat tiefe Furchen in die Fassade gespült

Carolin Knüttgen zeigt zum Beispiel auf die tiefen Furchen zwischen den Ziegeln, die der Regen über die Jahre ausgespült hat. Teile des Putzes wurden einst aus Sicherheitsgründen entfernt, weil er bröckelte, seitdem waren die Ziegel der Witterung ausgesetzt. Wie groß die Schäden tatsächlich sind, konnten die Fachleute erst feststellen, als im Mai das Gerüst aufgebaut war. Ähnlich war es beim Dach. Es ist seit Jahren undicht, tragende Balken sind teilweise morsch und nicht mehr sicher. Nun stellte sich auch noch heraus, dass anders als geplant die sogenannte Bestandsschalung nicht mehr verwendet werden darf - also das Holz, auf das die Dachpappe genagelt wird. Und auch in dem rechteckigen Turm verbarg sich eine Überraschung: Ein Baum hatte sich zwischen den Zinnen seinen Weg ins Innere gebahnt und dort Schäden verursacht. Und zu guter Letzt kommen noch gestiegene Kosten in der Baubranche allgemein dazu – sie sind laut Knüttgen heute deutlich höher als bei Erstellung der Kalkulation. Insgesamt rechnet das Archiv mittlerweile mit 635.000 Euro für Fassaden- und Dachsanierung - statt der ursprünglich geplanten 390.000. 

Gemeinsam mit der Stadt fand der Verein eine Lösung, diese Lücke vorerst zu schließen: So wurden Mittel, die eigentlich für die spätere Brandschutzsanierung im Inneren des Gebäudes vorgesehen waren, umgewidmet und können jetzt für Dach und Fassade eingesetzt werden. Einziger Haken: Weil die Fördermittel gestiegen sind, erhöhte sich auch der Eigenanteil, den der Archiv-Verein beitragen muss – was dieser auf die Schnelle nicht kann. „Als gemeinnütziger Verein mit sehr günstigen Preisen ist es sehr schwer, in so kurzer Zeit größere Rücklagen zu bilden“, so Knüttgen. 

Das hat auch damit zu tun, dass das Gebäude wegen des fehlenden Brandschutzes seit Jahren nur teilweise genutzt werden kann und einige Einnahmen fehlen: die Bandproberäume im Keller, die Ateliers, Werkstätten und die Turnhalle in den oberen Geschossen sind geschlossen. Der soziokulturellen Betrieb - zu dem derzeit neben Punk-, Rock- oder Heavy Metal-Konzerten zum Beispiel auch Lesungen oder Theaterproben gehören – ist also nur eingeschränkt möglich. Das funktioniert im Alltäglichen trotzdem sehr gut, weil keine Personalkosten entstehen: Alle, die sich hier engagieren, arbeiten laut Knüttgen komplett ehrenamtlich und entgeltlos. Doch wenn unerwartet hohe Mehrkosten wie jetzt bei der Sanierung auflaufen, kann der Verein diese nicht so schnell bewältigen. Daher der Spendenaufruf über die Plattform betterplace.

Die Archiv-Mitglieder helfen selbst mit

Apropos ehrenamtlich: Auch bei der Sanierung helfen neben Knüttgen zahlreiche Mitglieder in ihrer Freizeit mit, am Wochenende sind regelmäßig zwischen fünf und 25 Leuten im Einsatz. In unzähligen Stunden haben sie etwa einen Teil der einst bunten Außenwand im Innenhof abgeklopft, die Südfassade neu gestrichen oder überflüssige Metallteile aus den Mauern geholt. „Wir kommen hier aber langsam an unsere Grenzen“, sagt die Studentin. „Und wir sind ja auch keine Bauspezialisten, sondern Kulturschaffende.“ Doch ohne Eigenarbeit wären die Kosten noch höher – und das ganze Projekt stünde wie schon so manches Mal in der Vergangenheit auf der Kippe. 

Wenn jetzt nicht wieder etwas dazwischenkommt, müsste die Fassade Ende des Jahres fertig sein, das Dach schon früher. Dann geht es drinnen weiter: Um den Brandschutz zu gewährleisten, müssen Decken und Böden gemacht, die Elektrik ausgetauscht werden. Das wird wieder Zeit und vor allem Geld kosten. Und wann die in Potsdam dringend benötigten Probenräume wieder eröffnet werden können, ist noch völlig offen. Aber Knüttgen ist überzeugt, dass all die Arbeiten nötig und sinnvoll sind. „Wir wollen hier nachhaltige Entscheidungen treffen und sind deshalb in Zusammenarbeit mit unserer Architektin Alexandra Hirsch sehr sorgfältig. Schließlich geht unser Pachtvertrag noch über 60 Jahre.“ Sie hofft, dass dies die letzten Sanierungen für die kommenden Jahrzehnte sein werden – wenn sie denn dann endlich abgeschlossen sind.

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