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Alter Friedhof Klein Glienicke: Bestattungen am Grenzzaun

Fast wäre der Alte Friedhof Klein Glienicke im Grenzgebiet komplett zerstört und verloren gewesen. Weil sich ein Verein um den Erhalt kümmerte, ist er jetzt ein Ort besonderer Erinnerung.

Hier war die Welt zu Ende. Die Verstorbenen fanden ihre letzte Ruhe. Und auch die noch Lebenden stießen für eine kurze, aber heftige Epoche der Existenz des Friedhofs hier an eine ziemlich reale Grenze. Denn als 1961 der bis dahin vergleichsweise lax bewachte Grenzverlauf zwischen Wannsee und Potsdam zur streng bewachten Mauer ausgebaut wurde, lag der Friedhof Klein Glienicke genau im Weg. Man fackelte nicht lange und zog die Mauern rücksichtslos hoch. Ein Teil des Geländes wurde abgeschnitten, ein paar Gräber umgebettet, viele einfach eingeebnet. Ganz Klein Glienicke und der Friedhof, den 1771 Friedrich der Große für die neuen Siedler gestiftet hatte, lag von nun an im Sperrgebiet. Rein kam nur, wer einen Passierschein hatte. Und weil immer weniger Menschen mit Bezug zum Ort und zur Gemeinde hier wohnten und hier verstarben, fanden bald kaum noch Bestattungen statt. Ein oder zwei pro Jahr waren es Mitte der 1960er-Jahre. Der Friedhof verfiel.

Dass er jetzt wiederhergestellt ist und wie ein echter Friedhof aussieht – verträumt, verwildert oder aufgeräumt, wo neu bestattet wurde, ein Park zum Gedenken und zum Spazierengehen –, ist vor allem dem Verein Freundeskreis Kapelle und Alter Friedhof Klein Glienicke zu verdanken. Der Verein organisiert auch die Teilnahme am Tag des offenen Denkmals, denn nach der Wende wurde der Friedhof in die Liste der Gartendenkmäler Potsdams aufgenommen und gehört außerdem schon aufgrund seiner Lage zwischen Babelsberger Park und Schlossgarten Glienicke zum Unesco-Weltkulturerbe.

Der Friedhof bildet die Geschichte der Umgebung ab

Friedhöfe sind immer Orte, die Geschichte darstellen, sagt Matthias Kartz, stellvertretender Stadtkonservator der Stadt Potsdam. Und so bildet der in Klein Glienicke im Miniaturformat ab, was sich drum herum in fast zweieinhalb Jahrhunderten abspielte. Carl von Preußen baute sich hier zwischen 1863 und 1887 sein Puppenstubendorf nach Schweizer Art. Und das Fleckchen Erde, 4000 Quadratmeter, die Friedrich II. zum Gottesacker spendierte, war durchaus eine sinnvolle Investition. Die Siedler sollten bleiben, heimisch werden. Dazu gehörte eben auch ein Friedhof, wo man die Familienangehörigen bettete. Drum herum entstanden Dorf und Böttcherberg, der Friedhof wurde das feste Zentrum. Später ließen sich hier auch die Bewohner der Villenkolonie Neubabelsberg bestatten. Friedrich Sarre, der Orientforscher, liegt hier, Karl Hermann Struve, Direktor der Sternwarte, auch der Maler Carl Saltzmann, der Philosoph Alois Riehl und der Schuhfabrikant Carl Stiller aus Berlin, ebenso Familie von Türk.

Am Grabmal der Familienruhestätte von Franz Klinder lässt sich nachvollziehen, welche Zerstörung hier begann, als der Friedhof Grenzgebiet wurde. Marmorplatten wurden herausgeschlagen und verstreut im Gelände gefunden. Der Mensch zerschlug Grabplatten und Steine, Buchstaben wurden geklaut und auf Flohmärkten verscherbelt – nach der Wende, als das total verwilderte und von der Natur übernommene Gebiet wieder zugänglich war. Der Verein sammelte Spenden und erreichte, dass viele Kräfte über Maßnahmen des Arbeitsamtes hier eingesetzt werden konnten. Die gemauerte Einfriedung wurde wieder hergestellt, die schmiedeeisernen Zäune vom Rost befreit und neu gestrichen. In Berchtesgardener Grün, wie es historisch mal war, nicht in tristem Schwarz. Der Glockenturm konnte zuletzt neu mit Reet eingedeckt werden. Die Glocke ist eine Replik, und auch hierzu gibt es eine Geschichte: Die Industriellenfamilie Quandt aus Neubabelsberg spendierte der Kapelle in Klein Glienicke drei neue Glocken und die dann Überflüssige kam auf den Friedhof. Bis im Krieg die Glocken der Kapelle konfisziert wurden und die Glocke retour ging. Dort durfte sie nun bleiben, der Friedhof bekam einen Nachbau.

Wegen Fluchtgefahr musste man Passierscheine beantragen

Von den Jahren dazwischen, als hier kaum noch Bestattungen stattfanden und zudem unter Bewachung der Grenztruppen, ist nur noch wenig zu erahnen. Es gibt Geschichten von Bestattungen, bei denen die Trauergemeinde vom Grenzzaun getrennt war. Und die Russen, wenn sie gut gelaunt waren, immerhin Kranz oder Blumengebinde über den Zaun entgegennahmen und auf das Grab legten. Später ging auch das nicht mehr. Wegen Fluchtgefahr musste dann selbst die Friedhofsverwaltung für jeden Einsatz einen Passierschein beantragen.

Heute wird hier wieder bestattet, hier liegt beispielsweise die Familie des ehemaligen Klein Glienicker Pastors Schliephacke. Und Grabpaten kümmern sich um die Wiederherstellung der historischen Gräber.

- Wilhelm-Leuschner-Straße 7. Am 10. September findet hier um 16 Uhr eine Führung statt.

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