zum Hauptinhalt
Gusseisen bricht. Als dieses Rohr verlegt wurde, fuhren nur Kutschen und Fuhrwerke durch die Große Weinmeisterstraße. Schwere Lkw und Reisebusse waren für das Gusseisen aus der Kaiserzeit offenbar zu viel. Von solchen Rohren gibt es in Potsdam noch mehr.

© privat

Alte Wasserleitungen in Potsdam: Geborsten und geflutet

Viele Wasserleitungen in Potsdam sind marode. In der Nauener Vorstadt suchen Anwohner nun Hilfe beim Oberbürgermeister.

Nauener Vorstadt - In den Potsdamer Schlossgärten zählen die Brunnen und Fontänen zu den Hinguckern. Sprudelt es hingegen im eigenen Vorgarten oder auf der Straße ungeplant in die Höhe, ist das weniger erfreulich. Platzt eine Wasserleitung, bleiben die Wasserhähne trocken. Das Wasser wiederum kann große Schäden anrichten – Keller laufen voll, Straßen und Häuser können unterspült werden. Ein solches Szenario ist in Potsdam durchaus realistisch, ist doch ein großer Teil des Leitungsnetzes in die Jahre gekommen.

Zuletzt gab es in der Großen Weinmeisterstraße in der Nauener Vorstadt einen Wasserrohrbruch, als eine 40 Zentimeter dicke Hauptleitung des Potsdamer Wasserversorgers EWP barst. Der Rohrbruch in der mehr als 100 Jahre alten Trinkwasserleitung ereignete sich in der Nacht zum Sonntag. Und das nicht zum ersten Mal: Bereits 2010 und im Oktober 2016 platzte das altertümliche Gusseisenrohr. Die jüngste Havarie passierte nur 50 Meter weiter. Für Anwohner Frank Schuster kein Zufall: Weil die Straße Am Neuen Garten gesperrt ist, gebe es viel Schwerlastverkehr in der Großen Weinmeisterstraße. Auch Touristenbusse auf dem Weg nach Cecilienhof sind unterwegs. „Die Leitung ist in dem Zustand eine Zeitbombe!“, so Schuster.

Vor Ort berichteten Anwohner, dass die Keller von fünf bis zehn Häusern vollgelaufen seien. Es gab sogar Befürchtungen, ein Haus ohne Keller, direkt gelegen an der Weinmeister-/Ecke Langhansstraße, sei unterspült worden. In dieser Sache gab die EWP nun Entwarnung: Die Prüfung durch einen Baustatiker habe keine Stabilitätsprobleme ergeben, so EWP-Sprecher Stefan Klotz.

Schaden im sechsstelligen Bereich befürchtet

Die Schäden waren augenscheinlich erheblich. Vor überschwemmten Einfamilienhäusern standen Container mit durchnässtem und unbrauchbar gewordenem Hausrat. Die genaue Schadenshöhe wird nach Angaben der EWP derzeit von Gutachtern der Versicherungen ermittelt. Schuster geht von einem Schaden im sechsstelligen Bereich an privatem und öffentlichem Eigentum aus. Allein die Reparatur an einem gefluteten Nachbarhaus im Jahr 2010 habe 50 000 Euro gekostet.

Die Wasserversorgung läuft laut EWP derzeit über eine Nebenleitung. Ob die marode Hauptleitung überhaupt wieder angeschlossen wird, lässt die EWP derzeit noch offen. Ab März 2017 sollte sie ohnehin saniert werden. Die Prüfung laufe noch, hieß es auf PNN-Anfrage. Es müsse berechnet werden, ob die Kapazität der Nebenleitung ausreiche, um den nötigen Wasserdruck zu gewährleisten. Da jahreszeitbedingt kein Wasser für Gärten verbraucht werde, sei die Hauptleitung möglicherweise entbehrlich.

Vielen Anwohnern ist das allerdings nicht genug. Sie haben sich in einem Brief an Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) gewendet. Die „Nachbarschaftsinitiative Am Neuen Garten zu Potsdam“ fordert darin, dass für die Straße ab sofort eine Gewichtsbeschränkung verhängt werden soll „bis zur endgültigen Sanierung des offensichtlich völlig veralteten Wasserleitungsnetzes“. Ab dem heutigen Samstag soll die Straße jedoch wieder für den Verkehr freigegeben werden.

Geplante Reparaturen wurden ausgesetzt

Nun fordern die Anwohner eine Reaktion: Vor zwei Jahren seien geplante Erneuerungsarbeiten an Straßen und Leitungen ausgesetzt worden – mit dem Hinweis, dass in nächster Zeit kleinere Reparaturen ausreichend seien, heißt es in dem Schreiben. „Diese Auffassung dürfte nach dem jüngsten Vorfall obsolet sein.“

Ein Szenario wie in der Großen Weinmeisterstraße könnte auch an anderen Stellen in Potsdam drohen. Die ältesten Leitungen befinden sich laut EWP in der nördlichen Innenstadt und in der Nauener Vorstadt, aber auch in der Berliner, der Brandenburger und der Jägervorstadt. In diesen Stadtteilen ist auch die Kanalisation entsprechend alt. „40 Prozent der Abwasserleitungen stammen noch aus der Zeit vor 1938“, so Klotz. Weitere 15 Prozent seien in den 1960er-Jahren verlegt worden. In Babelsberg seien 60 Prozent der Schmutz- und Mischwasserkanäle mindestens 75 Jahre alt, ähnlich sei es in der Templiner und Teltower Vorstadt.

Zu DDR-Zeiten bis zu drei Wasserrohrbrüche am Tag

Allerdings weist die EWP darauf hin, dass Wasserrohrbrüche immer seltener werden. Ihre Zahl habe sich seit der deutschen Einheit deutlich verringert. „Zu DDR-Zeiten verzeichnete die Wasserwirtschaft in Potsdam bis zu drei Wasserrohrbrüche pro Tag, heutzutage sind es durchschnittlich zwei bis drei im Monat“, so Klotz. Grund seien die Investitionen in den vergangenen 25 Jahren.

Auch derzeit wird am Potsdamer Wasserleitungsnetz gearbeitet. In der Benzstraße, der Brauerstraße und der Zimmerstraße werden sowohl die Wasserleitungen als auch die Kanalisation erneuert. In der Schwarzschildstraße Am Stern und in der Nedlitzer Straße saniert die EWP Pumpwerke, die Abwasser zu den Kläranlagen bringen. Außerdem wird der Hochbehälter auf dem Kirchberg erneuert.

Sanierung alter Rohre bis 2030 - für 60 Millionen Euro

Auch in den nächsten Jahren wird es in Potsdam vielerorts Baustellen geben, weil an den Leitungen im Untergrund gearbeitet werden muss. Neben der geplanten Sanierung in der Großen Weinmeisterstraße stehen Arbeiten an Trinkwasserleitungen in der Straße Alt Drewitz, der Erich-Weinert-Straße, der Heinestraße, Reuterstraße, der Klopstockstraße und der Herrmann-Maaß-Straße an. Wasserleitungen und Kanalisation werden in der Max-Eyth-Allee, der Kreuzstraße, der Ahornstraße und Spornstraße saniert.

Für all die Sanierungen muss viel Geld ausgegeben werden. Allein für die Sanierung überalterter Leitungen sind es bis zum Jahr 2030 fast 60 Millionen Euro. Außerdem muss die EWP nicht nur marode Leitungen im Bestand erneuern, sondern wegen des rasanten Wachstums der Stadt auch ihre Kapazitäten erweitern. „Bis 2030 werden wir etwa 95 Millionen Euro in unsere Trink- und Abwasseranlagen investieren“, so Klotz. Damit werden unter anderem die Kläranlagen Potsdam-Nord und Satzkorn erweitert, deren Kapazitätsgrenzen bereits in wenigen Jahren erreicht würden. Mit der Erweiterung der Kläranlagen erfülle die EWP zugleich die steigenden Anforderungen an den Abwasserreinigungs-Prozess. Finanziert werden die Investitionen über die Trink- und Abwassergebühren. Da allerdings mehr Trinkwasser verbraucht werde und damit die Menge des zu reinigenden Abwassers gestiegen sei, sei keine Gebührenerhöhung erforderlich.

Zur Startseite