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Alte Probleme, neue Krisen, überraschende Lösungen: Fiktiver Potsdam-Rückblick auf 2019

2019 wird in Potsdam und Brandenburg aufregend und heiß. Das kann auch an der Pflanze des Jahres liegen. Die PNN wagen schon heute einen nicht ganz ernst gemeinten Rückblick für das gerade begonnene neue Jahr

Potsdam - Das Jahr 2019 ist gerade mal ein paar Stunden alt - Zeit, den ersten (nicht ganz ernstgemeinten) Jahresrückblick zu veröffentlichen.

Januar

Glück gehabt: Zwar explodiert in der Silvesternacht eine Luftmessstation in der Zeppelinstraße, allerdings verhindert ein Sturmtief, dass sich der Feinstaub festsetzt. Dadurch kann ein drohendes Betriebsverbot von Kaminen und Holzöfen in der Brandenburger Vorstadt gerade noch abgewendet werden. Entsetzen bei den Gästen des Brandenburgballs: Statt eines opulenten Buffets gibt es Tim Raues Erbsensuppe de luxe und Stockbrot. „Wir wollen ein Zeichen setzen gegen den Konsumterror“, sagt der Veranstalter. Bei der Versteigerung „support your local BER“ in Schönefeld erwirbt das Potsdamer Baudezernat mehrere hochwertige Materialrestposten vom Flughafenbau. Damit rückt die Havelspange überraschend in greifbare Nähe. Noch im Januar beginnen die Planungen. „Mal sehen, wer zuerst fertig ist“, stichelt der Baudezernent Richtung Berlin.

Februar

Die Computer in der Groß Glienicker Grundschule werden vorzeitig angeschlossen, daraufhin bricht die Internetversorgung in Potsdams Norden zusammen. Der plötzliche Wintereinbruch bereitet zusätzliche Probleme in den ländlichen Ortsteilen. In Krampnitz muss ein altes Heizhaus der Russen aktiviert werden, damit die Geräte auf den Baustellen nicht einfrieren. Vorbeugend werden alle neuen Haltestellenhäuschen in Krampnitz mit Solarauslegeware ausgestattet. Der von einem Potsdamer Startup erfundene Belag sorgt im Winter bei den Wartenden für warme Füße.

März

Schock: Nach dem Ausheben einer Baugrube in Potsdams Mitte werden Risse im Fundament des Landtagsgebäudes festgestellt. Das Gebäude muss evakuiert werden. Bis zur Sommerpause finden die Sitzungen vorrübergehend im „Minsk“ statt. Dafür wird das Gebäude not-saniert. Der Nutzungsvertrag mit den Stadtwerken wird unter höchster Geheimhaltung geschlossen und mit einer rauschenden Party auf der neuen Dachterrasse in der Steinstraße gefeiert. Die Abgeordneten genießen vom Plenarsaal im Minsk einen einzigartigen Blick auf Potsdam, müssen dabei allerdings Sicherheitsschuhwerk tragen. Kleiner Trost: Die im Keller gefundenen Vorräte an Soljanka und Würzfleisch entpuppen sich auch nach Jahren im Bunker als kantinentauglich.

April

Aufgrund akuten Mitarbeitermangels in der Stadtverwaltung setzt man hier zunehmend auf Ehrenamtler. Wer zehn erfolgreiche Rathausbesuche vorweisen kann, darunter die Zuteilung eines Kitaplatzes, einer Hundesteuermarke sowie eine erfolgte Kfz-Ummeldung innerhalb von drei Wochen, gilt automatisch als qualifiziert. Die eingesparten Gehälter der unbesetzten Führungspositionen werden in einem Fonds gesammelt, mit dem die Rückkehr der Klinikum-Beschäftigten in den Tarif des öffentlichen Dienstes möglich wird. Indes muss ein hochrangiger Mitarbeiter der Klinikumverwaltung zurücktreten, weil er seine zwei Chihuahua mit dem Rettungshubschrauber aus Bad Belzig in die Tierklinik fliegen ließ.

Mai

In Babelsberg kommt es zu massiven Ausschreitungen, weil die Straßenbahnlinie 99 zum Fahrplanwechsel eingestellt werden soll. Es finden deshalb vermehrt Gelbwestendemos zu den Kinderaufführungen des Hans Otto Theaters statt. Der Verkehrsbetrieb argumentiert, es handele sich lediglich um eine Anpassung an die stark zurückgegangenen Fahrgastzahlen. Ein wütender Demonstrant gegenüber der Presse: „Wat nich fährt, kann man auch nich zählen“. Supergau bei der Kommunalwahl: Hacker loggen sich ins Rathaus ein und manipulieren die Stimmauszählung. Die Wahl muss wiederholt werden – eine peinliche Schlappe für den Digitalisierungsbeauftragten der Stadtverwaltung. Das HPI twittert: Uns fragt ja keiner.

Juni

Das neue Freibad in Drewitz wird eröffnet. Bauherr ist die Anwohnerinitiative „Potsdam, es kann so einfach sein“. Designer Wolfgang Joop kreierte zu diesem Anlass die Badehose „Hoodie Süd“ mit Kapuze, die er beim Anbaden persönlich präsentiert. Mit dem Ferienpass ist der Eintritt ins Bad kostenlos. Der Ferienpass liegt erstmals in digitaler Form vor und kann auf ein Smartphone geladen werden. Die Reaktionen Potsdamer Schulkinder sind überwältigend. Marvin aus Waldstadt: „Cool.“ Das Heidekraut ist die Pflanze des Jahres und wird jetzt auch auf der Freundschaftsinsel angepflanzt. Jugendliche der ansässigen Kifferszene fragen: „Kann man das HighKraut auch rauchen?“ und bieten Hilfe bei der Gartenarbeit an.

Juli

Das Stadtwerkefest findet erstmals während der Sommerferien statt. Der Besucheransturm ist ungebrochen. Publikumslieblinge sind Chris Doerk, Frank Schöbel und das Babelsberger Filmorchester mit dem Soundtrack von „Heißer Sommer“. Kurz vor der Sommerpause verabschiedet die Stadtverordnetenversammlung ein sofortiges Böllerverbot für Potsdam. Das hat ein überraschendes Ende der Feuerwerkersinfonie zur Folge. Die Feldlerchenpopulation im Volkspark erholt sich umgehend, Erfolge sind bereits bei der winterlichen Vogelzählung festzustellen. Die Eintrittskarten für das Feuerwerkspektakel können in den Babelsberger 4-D-Studios eingelöst werden, inklusive Asthmaanfall und Hörsturz.

August

Auch zur Schlössernacht im August gibt es nur noch Wunderkerzen und Taschenlampen, die an den Eingängen des Parks kostenlos verteilt werden. Gegen eine Lasershow als Ersatz hatte sich die Flugsicherung ausgesprochen. Ein Segler aus Bonn beschädigt die Seilfähre nach Hermannswerder. Die Kanuten des Olympiastützpunktes springen ein und setzen Fahrgäste mit Drachenbooten über. Als Dankeschön singt der neue Knabenchor der Erlöserkirche vom Ufer am Kiewitt Chris de Burghs „Don't pay the ferryman“.

September

Nach der Landtagswahl greift Brandenburgs neuer Umweltminister Schellnhuber durch und präsentiert als erstes einen sofortigen Dienstwagenerlass: Jetzt steht den Ministern nur eine Mittelklasse-Elektro-Car-Sharing-Flotte zur Verfügung. Wer im Blumenkasten seines Büros bienenfreundliche Blühpflanzen zieht, bekommt Bonusmeilen zugeteilt. Die designierte neue Justizministerin tritt noch vor ihrer Ernennung zurück, nachdem sie im Keller des Justizzentrums die unbearbeiteten Aktenberge gesehen hat. Das Ausmaß der Personalkrise der Brandenburger Justiz ist offenbar schlimmer als erwartet. „Ick wusste ja nich, det ick se hier nich rinlassen darf“, sagt der 87-jährige Gerichtsdiener Erwin L. gegenüber den PNN. „Aba ick hab se grade noch mit meim Rollwagen uffjefangen, bevor se zusammensackte und auf det Koffaradio jefallen wär.“

Oktober

Eine Lösung für das Kleingarten-Areal Angergrund ist gefunden: Der Investor darf endlich loslegen, muss aber neben den Wohnungen auch Kita, Schule und Pflegeheim bauen. Ein Teil des Gartenlands wird in Kooperation mit den ehemaligen Kleingärtnern in einen Schulgarten umgewandelt. Gerüchte, dass diese Absprache bereits vor geraumer Zeit einvernehmlich zwischen den zerstrittenen Parteien zustande gekommen sei, weist das Rathaus zurück. Oberbürgermeister Schubert erinnert dabei an sein Regierungscredo: Man müsse den Menschen auch sagen, was nicht sofort geht. Was geht: Die Hälfte der Wohnungen kaufen sofort die Potsdamer Verkehrsbetriebe für ihre Busfahrer.

November

Im Streit um verkaufsoffene Sonntage bietet Verdi einen Kompromiss an: Wer am Sonntag öffnet, muss am darauffolgenden Montag geschlossen bleiben. Die Verkäuferinnen finden die Lösung prima. „Den Montag kann ich gut für Arzttermine gebrauchen oder selber in Ruhe einkaufen gehen.“ Wildschweine fallen in der Innenstadt ein und durchwühlen sogar den Innenhof des Landtags. Die Künstlerin Annette Paul entwirft daraufhin einen weiteren Spruch für die Fassade: „Was kümmert es die stolze Eiche, wenn sich die Wildsau an ihr reibt?“

Dezember

Zum traditionellen Weihnachtssingen im Karl-Liebknecht-Stadion kommen mehr Besucher als erwartet. Mit den gesammelten Spenden kann der Babelsberger Fußballplatz Nowawiese endlich eine Bodendrainage sowie ein Beleuchtungssystem installiert bekommen. Anlässlich des 200. Geburtstags von Fontane am 30. Dezember wird die Tramlinie 99 reaktiviert. Somit ist die Fontanestraße wieder im Zehn-Minuten-Takt angebunden. Außerdem wird der Schülerwettbewerb des Fontanearchivs ausgewertet. Dabei zeigen sich gravierende Bildungslücken unter den Zehntklässlern. Die Quizfrage lautete: In welchem Kapitel von Theodor Fontanes Effi Briest findet der Ehebruch statt? Die häufigste Antwort: „Theo von was?“

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