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"Speed Dating" am Bauzaun zum Thema Antikörper-Herstellung ohne Einsatz von Tieren.

© Andreas Klaer

Aktion in der Potsdamer Innenstadt: Wissenschaft geht auf die Straße

Am roten Bauzaun in der Stadtmitte konnten Potsdamer bei einem Speed-Dating Wissenschaftlern ihre Fragen stellen - von Klimawandel bis Ernährungsforschung.

Lothar Zscheile ist fasziniert vom Klimawandel. Der ältere Herr kennt sich gut aus, aber einige Punkte will er sich genau erklären lassen. Er steht am Freitagnachmittag mit Bernhard Diekmann und Ralf Jaiser, beide Forscher am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, an einem Stehtisch vor dem Bauzaun um das ehemalige Fachhochschulgelände. Von ihnen lässt sich Zscheile erläutern, wie sich die Luftmassen über der Arktis verschieben, welchen Einfluss das auf das Wetter und den Niederschlag haben kann. „Ich habe selbst Geografie studiert, Astronomie und Klima sind Themen, mit denen ich mich intensiv befasse“, sagt er. Deshalb wollte er die Gelegenheit nutzen, Wissenschaftlern persönlich Fragen zu stellen. 

Potsdamer fragten, Wissenschaftler antworteten beim "Speed-Dating" am Bauzaun.
Potsdamer fragten, Wissenschaftler antworteten beim "Speed-Dating" am Bauzaun.

© Andreas Klaer

Diekmann beantwortet seine Fragen geduldig. „Es gehört zu unseren Pflichten, die Dinge, die wir bei der Forschung herausbekommen, auch zu vermitteln“, sagt er. Gerade beim Thema Klimawandel habe er zunehmend mit Skeptikern zu tun. „Auch auf diese Menschen müssen wir zugehen und sie zurückgewinnen“, so Diekmann.

20 Stehtische, 40 Forscher 

An 20 Stehtischen entlang der Ausstellung am roten Bauzaun antworteten am gestrigen Freitag rund 40 Forscher auf Fragen von Passanten. „Speed-Dating mit der Wissenschaft“ nannte sich das neue Format des Vereins Pro Wissen. „Die Wissenschaft geht auf die Straße, zu den Menschen“, so beschrieb Simone Leinkauf, Geschäftsführerin des Vereins, ihr Ansinnen. Mit den Schautafeln am Zaun, auf denen sich seit dem Frühjahr verschiedene Institute präsentieren, sei man schon einen Schritt auf die Menschen zugegangen. Die Schau soll statt bis Ende August nun bis Ende Oktober zu sehen sein. „Wir wollen die Hürde, dass die Wissenschaftsetage im vierten Stock sitzt, überwinden“, so Leinkauf. „Wenn es nach mir ginge, könnte an allen Bauzäunen der Stadt ausgestellt werden. Das wäre doch was: im Stau stehen und dabei noch etwas lernen.“

Die Open-Air-Ausstellung "Wissenschaft im Zentrum" beim Speed-Dating.
Die Open-Air-Ausstellung "Wissenschaft im Zentrum" beim Speed-Dating.

© Andreas Klaer

Auch Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) betonte bei der Veranstaltung, die Ausstellung und auch das Speed-Dating ermöglichten es, die Wissenschaft erlebbar zu machen. Das sei gerade in Zeiten von alternativen Wahrheiten und Fake News wichtig. „Mein Ziel ist es, eine Stadt zu werden, die den Wissenstransfer nutzt. Potsdam kann ein Reallabor für das geballte Wissen werden“, so Schubert. Die Erkenntnisse der Forscher könnten auch dabei helfen, die praktischen Probleme zu lösen, glaubt er.

Im Diskurs mit Potsdamer Wissenschaftlern.
Im Diskurs mit Potsdamer Wissenschaftlern.

© Andreas Klaer

Zwar war das Speed-Dating eher mäßig besucht – zuweilen standen an den Stehtischen mehr Wissenschaftler mit ihrem Strohhut als Erkennungszeichen als interessierte Bürger. Aber diejenigen, die gekommen waren, zeigten sich überzeugt. „Ich bin zufällig mit dem Fahrrad vorbeigekommen“, sagte ein Design-Thinking-Student vom Hasso Plattner Institut (HPI). Die Ausstellung habe er sich schon mehrfach angesehen, hätte sich aber noch tiefer gehende Informationen gewünscht. Nun steht er am Stand einer Kooperation zwischen Wegener-Institut und Filmuniversität Babelsberg und diskutiert mit einer Mitarbeiterin. Es geht um den Zusammenhang zwischen Kunst und Wissenschaft und wie sich diese gegenseitig befruchten können.

Das Wissen zu den Leuten bringen

Nebenan bei Peer Trilcke vom Fontane-Archiv ist es gerade ruhig. Es hätten aber schon einige Menschen angehalten, sagt er. „Es ist für mich eine Gelegenheit zu erklären, warum öffentliche Gedächtnisinstitutionen wie wir wichtig sind und wir nicht alles kommerziellen Anbietern und großen Firmen wie Google überlassen dürfen“, sagt er.

Einige Stände weiter stellen Petra Ernst und ihr Mann Fragen zu Naturkatastrophen und deren Ursachen an Axel Bronstert vom Institut für Umweltwissenschaften der Uni Potsdam. „Wir sind gezielt hergekommen, um uns genauer über Klima- und Ernährungsthemen zu informieren“, sagt die Potsdamer Rentnerin. „Ich finde es gut, das Wissen zu den Leuten zu bringen, denn in Museen gehen doch nicht so viele.“

Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD, r.) eröffnete gemeinsam mit Pro Wissen-Chefin Simone Leinkauf (M.) das Speed-Dating am Bauzaun.
Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD, r.) eröffnete gemeinsam mit Pro Wissen-Chefin Simone Leinkauf (M.) das Speed-Dating am Bauzaun.

© Andreas Klaer

Für die Wissenschaftler ist das Format auch eine Gelegenheit, sich untereinander zu vernetzen. Das beschreibt etwa Stefanie Scheppa vom InnoFSPEC, das sich unter anderem mit Faseroptik und Sensorik befasst: „So viele Möglichkeiten haben wir nicht, an einem Ort so viele Kollegen von anderen Instituten zu treffen und mit ihnen über ihre Projekte zu sprechen.“

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