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Matthias Klipp steht wieder in der Kritik.

© M. Thomas

Affäre um Potsdams Baudezernenten: Klipp hat sich ins Aus manövriert

Heute kommt Potsdams Baudezernent Matthias Klipp aus dem Urlaub zurück. Er muss unmittelbar nach Dienstantritt zum Rapport bei Oberbürgermeister Jann Jakobs. Ein Abwahlantrag wird immer wahrscheinlicher.

Von Peer Straube

Potsdam - Im Potsdamer Rathaus steht die Entscheidung unmittelbar bevor, ob Baudezernent Matthias Klipp (Grüne) seinen Posten räumen muss. Nach PNN-Recherchen wird das immer wahrscheinlicher. Nach der Hausbau-Affäre um sein Privatdomizil, das entgegen Vorgaben des Bebauungsplans zu groß gebaut wurde, der kruden Droh-SMS mit einem haltlosen Stasi-Verdacht gegen einen PNN-Journalisten, ermittelt nun auch die Berliner Generalstaatsanwaltschaft gegen Klipp wegen des Verdachts der Falschaussage an Eides statt. Am Wochenende kamen neue Vorwürfe hinzu. Der Grünen-Politiker, der den Posten seit 2009 ausübt, kommt am heutigen Montag aus dem Urlaub zurück. Unmittelbar nach Dienstantritt muss Klipp zum Rapport bei Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), der danach über Konsequenzen entscheiden will. Am Abend berät zum Fall Klipp die Rathauskooperation. Ein Überblick zum Stand der Dinge.

Was wird Klipp vorgeworfen?

Zum einen ist da die Hausbau-Affäre an sich. Der Baudezernent mit dem grünen Parteibuch steht im Verdacht, in diesem Zusammenhang ein deutsches Gericht belogen zu haben. Dabei geht es um Angaben, die Klipp am 23. Juni in einer eidesstattlichen Erklärung vor dem Berliner Landgericht gemacht hatte und die im Widerspruch zu Feststellungen der obersten Bauaufsicht Brandenburgs stehen. Klipp hatte behauptet, sein Haus sei lediglich fünf Quadratmeter größer als laut Bebauungsplan erlaubt. Tatsächlich ist es – amtlich festgestellt – neun Quadratmeter zu groß. Derlei spielt gerade in Potsdam eine nicht unerhebliche Rolle: Nach dem offiziellen Grundstücksmarktbericht des Landes wird bei freistehenden Einfamilienhäusern in der Landeshauptstadt der Quadratmeter mit rund 3500 Euro veranschlagt. Dass das Haus überhaupt größer wurde, erklärt Klipp mit einem Irrtum: Er habe versehentlich 37 Quadratmeter Straßenland miterworben und in die Berechnung der Hausgröße einfließen lassen – was nicht erlaubt ist. Laut eidesstattlicher Erklärung will der Dezernent am 3. März 2014 von der Potsdamer Bauaufsicht über diesen Umstand in Kenntnis gesetzt worden sein. Tatsächlich bestätigte diese Behörde am fraglichen Tag nur den Eingang des Bauantrags. Hinzu kommt: Davon, dass er den Zipfel Straßenland miterworben hatte, wusste Klipp nach PNN-Informationen bereits im Januar 2014 und damit wesentlich früher als bislang behauptet und eidesstattlich erklärt. Die zahlreichen offensichtlichen Diskrepanzen, die von den PNN zuerst publik gemacht wurden, müssen inzwischen auch Klipp aufgefallen sein. Nach PNN-Informationen hat er sich bei der Staatsanwaltschaft mittlerweile selbst angezeigt.

Welchen Einfluss hat die Droh-SMS?

Einen verheerenden. Selbst bei noch wohlmeinenden Parteifreunden hat es sich Klipp mit dieser Aktion verscherzt. Wie berichtet hatte Klipp dem stellvertretenden PNN-Chefredakteur Alexander Fröhlich aus dem Urlaub eine SMS geschickt, in der er diesen der Stasi-Mitarbeit verdächtigte. Fröhlich war 1989 erst 14 Jahre alt. Auch in dieser Frage nahm es Klipp mit der Wahrheit nicht so genau. In der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ rechtfertigte sich der Dezernent, die Nachricht sei als satirische Retourkutsche gemeint gewesen, weil Fröhlich ihn im Urlaub mit Anfragen genervt habe. Tatsächlich vergingen fast zwei Wochen zwischen einer von Fröhlich gesendeten Nachfrage – die im Übrigen unbeantwortet blieb – und Klipps angeblicher Reaktion.

Welche Stimmung herrscht im Rathaus?

Eine denkbar schlechte. Lange hatte sich Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) zurückgehalten, jetzt ist die Causa Klipp Chefsache. Heute ist der Dezernent zum Rapport einbestellt. „Ich erwarte eine Klärung der im Raum stehenden Vorwürfe“, hatte Jakobs den PNN erklärt. Das dürfte Klipp schwerfallen. Sein Ansehen hat auch bei seinen Mitarbeitern stark gelitten, die Atmosphäre in dem wichtigen Geschäftsbereich ist vergiftet. Manche Angestellte der Bauverwaltung machen aus ihrem Unmut gegenüber dem Chef inzwischen selbst öffentlich keinen Hehl mehr.

Wie wahrscheinlich ist eine Abwahl?

Es gibt eine Grundregel. Politiker stürzen dann über Affären, wenn sie von den eigenen Reihen fallen gelassen werden. Matthias Klipp hat es geschafft, eigentlich alle zu verprellen. Auch in seiner eigenen Partei, den Grünen, ist er nach den letzten Entwicklungen unten durch. Heute will die Rathauskooperation, der neben den Grünen noch die SPD, die CDU und die Potsdamer Demokraten angehören, über Klipp beraten. Rückhalt bei der Kooperation hat Klipp keinen mehr.

Kann Klipp einfach gefeuert werden?

Nein, so einfach ist es nicht. Er ist auf Vorschlag des Oberbürgermeisters für acht Jahre gewählt. Ein Rücktritt ist – abgesehen von Klipps Ego – auch deswegen praktisch ausgeschlossen, weil er dann sämtliche Pensionsansprüche verlöre. Soll Klipp seinen Posten räumen, muss er abgewählt werden. Laut Kommunalverfassung muss der Abwahlantrag entweder vom Oberbürgermeister gestellt werden – oder von einer einfachen Mehrheit der Stadtverordneten, die den Antrag alle persönlich unterschreiben müssen. Bis zu diesem Punkt könnte es die Kooperation ohne die Stimmen der Opposition schaffen. Danach wird es schwieriger: Ist der Abwahlantrag gestellt, müssen mindestens sechs Wochen vergehen, bevor darüber abgestimmt werden kann. Für eine erfolgreiche Abwahl ist allerdings eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig, das heißt 38 der insgesamt 57 Stadtverordneten müssten zustimmen. Die Kooperation lotet derzeit die Chancen aus, ist aber auf Schützenhilfe angewiesen. Entscheidend wird dabei das Verhalten der Linken sein. Ohne die Stimmen der größten Oppositionsfraktion geht es nicht.

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