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Äußerungen zur Kriegsschuld: Historiker Schoeps: "Das ist dummes Zeug"

Mehrere Kirchen in Potsdam erhalten Geld von der Stiftung Preußisches Kulturgut, das eigentlich für den Wiederaufbau der Garnisonkirche gedacht war. Die Kirchenvertreter äußerten sich in diesem Zusammenhang in einem TV-Beitrag auch über die deutsche Kriegsschuld. Das kritisiert nun der Potsdamer Historiker Julius H. Schoeps.

Herr Schoeps, der Verantwortliche der Stiftung Preußisches Kulturerbe, Max Klaar, hat in der Vergangenheit Zweifel an der alleinigen deutschen Schuld für den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 geäußert. Ist das bereits geschichtsrevisionistisch?

Das sind sicherlich revisionistische Positionen. Ich halte sie für überhaupt nicht akzeptabel. Die Äußerungen von Herrn Klaar sind außerdem der Sache abträglich, wenn man bedenkt, was eigentlich der Grund für ihn war, sich für den Wiederaufbau der Garnisonkirche zu engagieren.

Was sagen Sie zur Haltung der Generalsuperintendentin im Sprengel Potsdam, Heilgard Asmus, und von Klaus-Günter Müller, dem Pfarrer der katholischen „Peter und Paul“-Kirche? Beide haben sich zunächst nicht von Klaars Äußerungen distanziert. Und Müller sagte dem rbb, dass der Versailler Vertrag so ungerecht gewesen sei, dass das klar nach Revanche geschrien habe.

Das ist dummes Zeug. Es ist schon peinlich, was man manchmal so lesen muss. Da genügt doch ein Blick in die Geschichtsbücher, um das zu sehen. Lange Jahre haben die Menschen mit einer solchen Meinung offensichtlich lieber geschwiegen und sich nicht geäußert. Wir leben aber mittlerweile wohl in einer Phase, in der alles sagbar und denkbar ist. Das stimmt mich schon sehr nachdenklich.

Was meinen Sie damit genau?

Offensichtlich geht man 70 Jahre nach Ende des NS-Regimes wieder zur Tagesordnung über. Wenn man über den Friedensvertrag von Versailles 1919 spricht und so tut, als wäre Deutschland in den Zweiten Weltkrieg hineingezwungen worden, blendet das doch die tatsächlichen Verhältnisse in der Weimarer Republik völlig aus.

Gab es denn aus Ihrer Sicht eine Mitschuld der Alliierten am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges?

Das kann ich nicht erkennen. Das ist auch Konsens unter Historikern.

Sollten Klaars Spenden vielleicht aus moralischer Sicht abgelehnt werden?

Pecunia non olet, Geld stinkt bekanntlich nicht. Die Kirchen wären gut beraten, wenn sie diese Gelder der Garnisonkirche zukommen lassen würden. Dort wird dann nicht das Konzept von Herrn Klaar umgesetzt, sondern hoffentlich ein anderes.

Sind Sie ein Befürworter des Wiederaufbaus der Garnisonkirche?

Es kommt auf den Inhalt an. Als Gedenkort würde ich das sehr begrüßen.

Handeln die Kirchengemeinden, die Geld von der Stiftung erhalten haben, historisch betrachtet fahrlässig?

Nein, das würde ich so nicht sagen. Gelder kann man geben, wohin man will. Die Frage ist, was und wie werden diese Gelder verwendet? Ursprünglich waren die Spenden für die Garnisonkirche bestimmt. Wenn ein anderes Konzept realisiert würde, könnte es ja darein fließen.

Das Gespräch führte Stefan Engelbrecht

ZUR PERSON: Julius H. Schoeps ist Gründungsmitglied der Universität Potsdam sowie Gründungsdirektor des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien (MMZ).

Stefan Engelbrecht

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