zum Hauptinhalt

Abwahl von Matthias Klipp in Potsdam: Es ist vorbei

Potsdams Stadtverordnete haben Baudezernent Matthias Klipp ohne Gegenstimme am Mittwoch abgewählt. Ein Überblick über seine Hausbau-Affäre, seine Amtszeit und was von ihm bleibt.

Potsdam - Acht Minuten dauerte es, dann war die Ära Klipp beendet. Länger brauchten Potsdams Stadtverordnete am Mittwochnachmittag nicht für die Abwahl des vierten Potsdamer Baudezernenten seit 1990 Matthias Klipp (Grüne). Das Ergebnis stand um 16.20 Uhr fest und fiel sehr deutlich aus: Gegenstimmen gab es nicht. 47 der 56 Stadtverordneten votierten für Klipps Abwahl. Drei Linke enthielten sich. Die Fraktion Die Andere votierte nicht mit: Sie hatte vergeblich eine geheime Wahl gefordert. Das hatte Stadtpräsidentin Birgit Müller (Die Linke) unter Verweis auf ein Rechtsgutachten sowie die Einschätzung der Kommunalaufsicht abgelehnt – geheime Abstimmungen seien gesetzlich schlicht nicht mehr erlaubt.

Was wird Klipp vorgeworfen?

Klipp war von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) am 30. August beurlaubt worden. Auslöser war die Affäre um Klipps privaten Hausbau. Der fiel nicht nur größer aus, als im Bebauungsplan vorgesehen. Klipp nahm obendrein bei der ihm unterstellten Bauverwaltung Einfluss auf das Baugenehmigungsverfahren. Zudem hat er nach Bekanntwerden der Vorwürfe über Wochen Jakobs und die Stadtverordneten über die Affäre getäuscht. Nach der Abwahl sagte Oberbürgermeister Jakobs, Klipp habe zu Fragen seines privaten Hausbaus auch ihm persönlich nicht die Wahrheit gesagt. „Das Vertrauensverhältnis ist zerrüttet.“ Die Abwahl sei nötig gewesen, um weiteren Schaden von der Stadt abzuwenden. Klipp war nicht anwesend. Seine Amtszeit hätte regulär 2017 geendet. Er erhält zunächst 75 Prozent seiner monatlichen Beamtenbezüge. Allerdings läuft gegen den 54-Jährigen wegen der Hausbau-Affäre ein Disziplinarverfahren. Dabei wurden weitere Verfehlungen bekannt: Er erkundigte sich in seinem Bauamt nach dem Hausbau seiner Nachbarn, mit denen er im Clinch lag, oder verhielt sich nicht neutral zum Sanierungsvorhaben von Springer-Vorstand Mathias Döpfner am Pfingstberg.

Jakobs hofft, noch dieses Jahr ein Ergebnis des Disziplinarverfahrens zu präsentieren. In der Folge könnten die Bezüge Klipps empfindlich gekürzt werden. Allerdings könnte er dagegen den Rechtsweg beschreiten. Außerdem ermittelt die Staatsanwaltschaft Berlin gegen den Grünen-Politiker wegen des Verdachts auf falsche eidesstattliche Versicherung. Darin hatte Klipp in einem Streit mit dem Springer-Verlag erklärt, keinen Einfluss auf die Baugenehmigung genommen zu haben.

Wie verlief Klipps Amtszeit?

Matthias Klipp hatte sich, als er 2009 die krisengeschüttelte Bauverwaltung übernahm, hehre Ziele gesetzt. Er wollte die Zukunftsprobleme der wachsenden Stadt anpacken – für ausreichenden Wohnraum sorgen, den zunehmenden Verkehr steuern, den Wiederaufbau der historischen Stadtmitte lenken. Ebenso hatte er erklärt, es werde „nicht mehr“ möglich sein, durch persönliche Bekanntschaften im Bauamt Vorteile zu erlangen. „Das läuft mit mir gar nicht.“

Und in der Tat löste er diverse Probleme – so hatten bis dahin Investoren, die in die denkmalgeschützte Potsdamer Bausubstanz investierten, teils über zwei Jahre auf ihren Steuerbescheid warten müssen. Ebenso erkämpfte Klipp deutlich mehr Geld für Radwege, aber auch für die Straßensanierung.

Doch immer wieder fiel er auch mit unorthodoxen Methoden auf. 2012 etwa platzte er in eine Pressekonferenz seines Kollegen Burkhard Exner (SPD) und warf dem Finanzdezernenten vor, er betreibe eine „nicht nachhaltige Haushaltspolitik“ und müsse mehr Geld für Straßensanierung freigeben. Das brachte Klipp eine Rüge in seiner Personalakte ein.

Sein Selbstbewusstsein kam nicht von ungefähr, der Mann hat eine bewegte Geschichte. Bei der von den DDR-Oberen gefälschten Kommunalwahl im Mai 1989 war er der erste und einzige oppositionelle Kandidat, der ein Mandat errang. Damals kämpfte er in Ost-Berlin für die Erhaltung des Kiezes und gegen die Kahlschlagsanierung – und saß dann in der Bezirksversammlung im Prenzlauer Berg. Er war beim Neuen Forum, später bei den Grünen, schaffte es nach der Wende zum Baustadtrat in Prenzlauer Berg, um später als Stadtentwickler besetzte Häuser vertraglich zu retten. Die Erlebnisse 1989 prägten ihn, sind Teil seines großen Egos: Den Mächtigen, den hatte es der Diplom-Ingenieur und Vater von vier Kindern schon einmal gezeigt. Und so verhielt sich Klipp auch in Potsdam. Schon bei seinem Amtsantritt sagte Klipp über Klipp, er sei ein Alphatier. Er legte sich mit allen an, mit der Schlösserstiftung, mit den Autofahrern, mit den Anhängern des Hotel Mercure, zuletzt sogar mit Springer-Vorstand Döpfner. Damit hat Klipp in der Stadt, ja selbst in seiner eigenen Behörde verbrannte Erde hinterlassen. Als sich die Vorwürfe in der Hausbau-Affäre verdichteten, agierte Klipp weiter nach altbewährten Muster, allerdings dünnhäutiger, aufbrausender. Mitten in der Affäre verkündete er zudem im Juli, er wolle für eine zweite Amtszeit kandidieren.

Was bleibt von Klipps Politik?

Gelobt wurde Klipp für ambitionierte Projekte wie das Leitbauten-Konzept für die historische Potsdamer Mitte oder das mehrfach prämierte, millionenschwere Gartenstadt-Vorhaben in Drewitz. An solche Verdienste erinnerte am Mittwoch auch die Grünen-Fraktion. Die Grünen waren es auch, die Klipp 2009 vorgeschlagen hatten, später viel mit ihm stritten – und jetzt auch geschlossen gegen ihn stimmten.

Wer wird Klipps Nachfolger?

Das ist unklar. Jakobs sagte, er wolle noch im kommenden März „einen Kandidaten oder eine Kandidatin“ präsentieren. Vorher findet eine Ausschreibung statt. Der Posten des Beigeordneten für Stadtentwicklung und Bauen dürfe in einer wachsenden Stadt wie Potsdam nicht zu lang vakant bleiben, machte Jakobs deutlich. 

Zur Startseite