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90 Jahre Bestattungsunternehmen Schellhase: Ein letztes Zwiegespräch

Das Potsdamer Bestattungsunternehmen Schellhase wird 90 Jahre alt. Es startete als Tischlerei.

Man muss gut zuhören können, sagt Thomas Schellhase über seinen Beruf. „Und an den richtigen Stellen das Richtige sagen.“ Dabei stehen im Mittelpunkt seiner Arbeit eigentlich diejenigen, die nichts mehr sagen und auch nicht mehr zuhören können: die Toten. Schellhase ist Bestatter und führt Potsdams traditionsreiches Familienunternehmen „Schellhase Bestattungen“, das in diesen Tagen sein 90. Firmenjubiläum feiert.

Doch in seinem Unternehmen gehe es nicht nur um den Tod. Es geht auch um das Leben, das der Verstorbene führte. Und um die Menschen, die er hinterlassen hat. Wie stand er zu seinen Angehörigen? Welcher Text wird ihm in der Todesanzeige und auch auf den Schleifentexten der Grabkränze gerecht? In einem ersten Gespräch mit den Hinterbliebenen versucht Thomas Schellhase, möglichst viele Informationen zu sammeln. Eine gute Portion Menschenkenntnis und viel Fingerspitzengefühl seien dafür notwendig. Und Empathie. „Man ist auch immer ein wenig Seelsorger. Schließlich befinden sich die Angehörigen in einer emotionalen Ausnahmesituation“, sagt Schellhase.

Doch neben der Trauer, die bewältigt werden muss, erfordert ein Todesfall auch ganz pragmatische Entscheidungen: Soll es eine Feuer- oder eine Erdbestattung sein? Welche Kleidung soll der Tote tragen? Welche Musik soll bei der Beerdigung gespielt werden? Im Bestattungsgespräch klärt Thomas Schellhase auch diese Fragen und erfüllt die Wünsche seiner Kunden. „Auf unseren Beerdigungen wurden schon AC/DC und Steppenwolf gespielt“, erinnert er sich schmunzelnd. Nur einmal habe er einen Wunsch abschlagen müssen: „Auf dem Grabstein sollte eine Waffe abgebildet sein, weil der Verstorbene im Schützenverein war. Das hat aber die Friedhofsverwaltung abgelehnt.“

Rund 35 000 Bestattungen hat die Firma in den vergangenen 90 Jahren durchgeführt. Etwa 550 sind es allein in diesem Jahr. Alfred Schellhase, der Großvater des heutigen Geschäftsführers, gründete das Unternehmen 1926 – als Tischlerei mit Bestattungstätigkeit. Schon damals war der Firmensitz in der Jägerstraße. „Anfangs liefen die Bestattungen eher nebenher“, erzählt Thomas Schellhase. Doch im Laufe der Jahre nahmen die Bestattungen zu und die Tischlereiaufträge ab. 1960 übernahm Gerhard Schellhase die Geschäftsführung. Wie sein Vater hatte er zunächst eine Ausbildung zum Tischler absolviert.

Auch in der DDR stand der Name Schellhase für ein privates Familienunternehmen, damals keine Selbstverständlichkeit. „Es ging auch ein bisschen darum, sich von der Politik nicht unterbuttern zu lassen“, erzählt der Bestatter. Dass er selbst einmal in die Fußstapfen seines Vaters tritt, stand bereits früh fest: „Es gab nun einmal familiäre Vorgaben und gewachsene Strukturen, die erhalten werden sollten.“

Inzwischen hat das Familienunternehmen vier Filialen. Neben dem Hauptgeschäft in der Jägerstraße gibt es weitere Standorte in Babelsberg, Drewitz und am Klinikum Ernst von Bergmann. 2003 übernahm Thomas Schellhase die Geschäftsleitung von seinem Vater Gerhard. 14 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen heute. Eine Floristmeisterin sorgt für den Blumenschmuck, zwei Steinmetze gestalten die Grabsteine. In der kleinen Werkstatt werden die Särge beschlagen und ausgekleidet.

Auch einen Abschiedsraum gibt es in der Jägerstraße. Nachdem die Toten gewaschen, gekleidet und in den Sarg gebettet wurden, können die Hinterbliebenen sich in aller Ruhe verabschieden – wenn es der Zustand des Toten zulässt, am offenen Sarg. „Manchmal hört man, wie noch ein letztes Mal mit dem Verstorbenen gesprochen wird. Es gibt noch Dinge zu klären, reinen Tisch zu machen oder eine letzte Entschuldigung auszusprechen.“

Der Tod, die Trauer und der Abschied gehören zum Arbeitsalltag eines Bestatters. Auch nach all den Jahren und Tausenden Bestattungen berühren Thomas Schellhase Einzelschicksale, die mit viel Leiden verbunden sind, immer noch. Besonders, wenn junge Menschen betroffen sind. Doch schließt er die Bürotür hinter sich, nimmt er die Geschichten der Toten nicht mit nach Hause. „Das bleibt hier drin, das muss man können“, sagt er. „Sonst könnte man diesen Beruf nicht ausüben.“ Heike Kampe

Heike Kamp

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