zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: 750 oder 753?

Der Hobbyforscher Armin Welthe hat eine Chronik über Grube vorgelegt. Ihm ist es zu verdanken, dass der Potsdamer Ortsteil in diesem Jahr den 750. Jahrestag seiner Ersterwähnung feiert

Es war ungefähr zur Jahrtausendwende. Armin Welthe aus Potsdams Ortsteil Grube machte sich ans Werk. Sein Plan: Ein eigenes Haus bauen. Kein neues auf der grünen Wiese sollte es sein. Nein, Welthe wollte einen ehemaligen Kuh- und Pferdestall der einstigen Domäne Grube zu seinem Eigenheim machen. Nicht das ganze riesig lange Gebäude sollte zu seinem Wohnhaus werden, nur ein Teil davon. Das Anwesen kannte er längst, schließlich wohnte sein Großvater seit 40 Jahren in einem anderen Teil des einstigen Stallgebäudes. Dieser Bereich war schon vor Jahrzehnten vom Stall zum Wohnhaus mutiert – ausgebaut irgendwann nach dem Krieg.

Welthe machte sich also an die Arbeit. Zunächst die Grundstücksfrage: „Ich habe von der Treuhand mein Haus gekauft“, erzählt der heute 45-Jährige. Doch der junge Mann wollte nicht nur den einstigen Stall zur Wohnung werden lassen. Ihn interessierte auch, wie es hier ganz früher einmal aussah. „Durch den Hausbau habe ich alte Pläne gesucht“, erzählt Welthe. „Die habe ich dann auch gefunden.“ Im brandenburgischen Landeshauptarchiv lagen die Objekte seines Interesses. Im Jahre 2001 habe er den Kuh- und Pferdestall schließlich ausgebaut. Heute wohnt er mit seiner Familie dort. Doch die Historie von Grube hat Welthe, der als Sachbearbeiter im technischen Facilitymanagement bei der Pro Potsdam arbeitet, seit seinen ersten Nachforschungen zur Geschichte nicht mehr losgelassen. Immer weiter hat er sich vertieft in die Welt der Schoßregister, Lehnscopialbücher und Fischereiedikte. Auch solch seltsame Worte wie gröba, gruoba, kröpa und diu kruopa bekamen im Laufe der Forschungen für ihn eine Bedeutung.

Viele Ergebnisse seiner akribischen Suche nach der Vergangenheit Grubes hat Welthe nun in einer Chronik veröffentlicht. Wenn am heutigen Samstag unter Anwesenheit des Potsdamer Oberbürgermeisters Jann Jakobs (SPD) der 750. Jahrestag der Ersterwähnung Grubes gefeiert wird, dann soll beim Fest im Dorf auch Welthes 134 Seiten starke Chronik zu erwerben sein – für 13,50 Euro das Stück.

Wenn man mit Welthe über seine Passion spricht, dann sagt er recht bald, er sei ja nur ein Hobbyforscher. Im Vorwort der Chronik gibt er gar seiner Hoffnung Ausdruck, der Leser werde ihm „die nicht wissenschaftliche Form der Darstellung“ vergeben. Ob so viel Demut wirklich sein muss? Gewiss, an manchen Stellen seines Werkes steigt man als nicht vorinformierter Leser leicht aus. Zu schwer eingängig sind manche Erläuterungen, ja vielleicht auch einfach zu holprig. Aber interessant ist es für den ortsgeschichtlich Interessierten allemal, was der Hobbyforscher bei seinen Recherchen zutage gefördert hat.

Zu Welthes großem Steckenpferd hat sich die Frage entwickelt, ob Grube in grauer Vorzeit wirklich schon so hieß wie heute oder ob man es damals noch Glyneke nannte. Wenn der Ort im 13. Jahrhundert nicht Grube oder wenigstens so ähnlich wie Grube geheißen hat, sondern stattdessen Glyneke, dann hätte dies Folgen bis in unsere heutige Zeit: Potsdams Ortsteil Groß Glienicke beansprucht bekanntlich für sich, das frühere „Glyneke“ zu sein. Und eben jene Ortsbezeichnung taucht urkundlich erstmals im Jahre 1267 auf. Damals ging es darum, dass dem Nonnenkloster Spandau zwei Hufen Land von Markgraf Otto IV. zugesprochen wurden. In Groß Glienicke hat man jene Urkunde zum Anlass genommen, in diesem Jahr den 750. Jahrestag der Ersterwähnung zu feiern. Ein Fehler?

Ja, sagt Chronist Welthe. Er hat im Laufe seiner umfänglichen Forschungen die Ansicht gewonnen, dass es sich bei dem 1267 erwähnten Glyneke um das heutige Grube handele. Seine Argumente sind vielschichtig. Zunächst einmal habe es im Golmer Luch, also im Gebiet von Grube, bereits vor 800 Jahren eine Lehm- oder Tongrube gegeben. Die Ortsbezeichnung „Glyneke“ könne man vom slawischen Wort glina, das Lehm bedeutet, ableiten. Nun ist allerdings das Vorhandensein von Lehm nicht gerade ein Alleinstellungsmerkmal des Golmer Luchs. So führt Welthe denn auch noch weitaus mehr Argumente für seine These von der Identität zwischen Glyneke und Grube an. Unter anderem hat der Hobbyforscher festgestellt, dass urkundliche Beschreibungen der Gewässer in der Umgebung von Glyneke besser auf die Wublitz bei Grube passen als auf die Gewässer in der Nähe von Groß Glienicke. Auch ist Welthe aufgefallen, dass ein Ort namens Grube weder im Landbuch der Mark Brandenburg von 1375, noch in den nachfolgenden Lehns- und Schoßregistern von 1412 bis 1480 Erwähnung findet. Nachzulesen ist alles detailliert in Welthes Chronik. Sein Fazit: Grube sei erst später zu seinem Namen gekommen, habe früher hingegen Glyneke geheißen.

Der Historiker Lutz Partenheimer von der Universität Potsdam hält allerdings dagegen: Mit Glyneke sei Groß Glienicke gemeint. „Da gab’s ja nie Zweifel dran von wissenschaftlicher Seite“, sagt Mittelalter- und Brandenburg-Experte Partenheimer. Demnach wurde Grube erstmals urkundlich 1264 erwähnt. Mit jenem Schriftstück schenkte Markgraf Otto III. von Brandenburg dem Kloster Spandau Grundbesitz. In der Urkunde ist zwar nicht von Grube selbst die Rede, aber von einem Ritter namens Albert de Grobe, der damals Vogt in Spandau war. Und der Name „Grobe“ wiederum führt nach Erkenntnissen von Partenheimer und anderen Historikern direkt zu Grube. Das Jahr der Ersterwähnung sei also nicht 1267, sondern 1264. Der Ortsbeirat hatte sich dennoch vor wenigen Jahren der Ansicht Welthes angeschlossen und die 750-Jahr- Feier, die ursprünglich schon für 2014 geplant war, auf dieses Jahr verschoben.

In der neuen Chronik nimmt die Frage des früheren Ortsnamens breiten Raum ein. Aber auch Anderes gibt es im neuen Buch zu entdecken. Das Werk ist nicht klassisch chronologisch aufgebaut, sondern es werden in den jeweiligen Kapiteln einzelne Themen, wie die Geschichte der Anglerkolonie Schlänitzsee oder des Gutshofs aufgegriffen. Mit Bildern und Texten kann der Leser so in 750 Jahre Ortsgeschichte eintauchen. Oder in 753 Jahre?

Holger Catenhausen

Zur Startseite