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Schloss Cecilienhof in Potsdam zeigt Sonderausstellung anläßlich des 75. Jahrestages der Potsdamer Konferenz. Im April 1945 besucht Churchills Frau Clementine Leningrad. Als Zeichen der sowjetisch-englischen Verbundenheit erhält sie eine Zigarrenkiste mit dem Portrait ihres Mannes aus Tabaksblättern.

© Andreas Klaer

75. Jubiläum der Potsdamer Konferenz: Churchills Zigarrenkiste ist da

Die letzten vier Exponate der Ausstellung über die Potsdamer Konferenz von 1945 sind nun im Schloss Cecilienhof angekommen. Auch von Stalin sollten Utensilien kommen, doch der Deal platzte. 

Von Carsten Holm

Es gibt Momente im Leben eines erfahrenen Kurators, die er sich nicht entgehen lässt. Für Matthias Simmich, der zwei Jahre lang die Ausstellung über die Potsdamer Konferenz von 1945 im Schloss Cecilienhof vorbereitet hat, gab es am Donnerstag vergangener Woche einen solchen Augenblick. Gerade war eine sogenannte Klima-Kiste, die die Temperatur hält, aus Großbritannien eingetroffen. Sehnlichst hatte Simmich auf sie gewartet. Der Inhalt: vier originale, persönliche Gegenstände aus dem Leben des britischen Kriegspremiers Winston Churchill, die letzten vier von 133 Exponaten. Einer seiner Gehstöcke aus hellem Holz war darunter, ein handgeflochtener Panama-Hut in warmem Gelb, und – aus Churchills Sicht wohl das Wichtigste – ein cremefarbenes Zigarrenetui sowie eine große Zigarrenkiste. „Da will man beim Auspacken dabei sein”, sagt Simmich.

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Die Utensilien aus dem Leben Churchills ruhten lange in Chartwell, dem Landsitz des Politikers und Schriftstellers in der Grafschaft Kent, eineinhalb Autostunden südlich von London. Sie sollten längst in Potsdam sein, aber die Coronakrise brachte die Planung dies- und jenseits des Kanals durcheinander. Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) musste den vorgesehenen Eröffnungstermin vom 1. Mai auf den 23. Juni verschieben, in England lagen die Exponate fertig verpackt – es fehlte nur noch die Ausfuhrbescheinigung, die der National Trust, der Dachverband britischer Kulturgüter wegen des Lockdowns auf der Insel zunächst aber nicht erhielt.

Im Schloss Cecilienhof wird eine Sonderausstellung anläßlich des 75. Jubiläums der Potsdamer Konferenz gezeigt.
Im Schloss Cecilienhof wird eine Sonderausstellung anläßlich des 75. Jubiläums der Potsdamer Konferenz gezeigt.

© Andreas Klaer

Es versteht sich, dass Leihgaben, zumal, wenn sie unwiederbringlich sind, mit Akkuratesse behandelt werden. So musste die Fracht aus England vor dem Auspacken erst einmal 24 Stunden akklimatisiert werden, weil das Klima auf der britischen Insel anders ist als in Potsdam: maritim, rauher, salzige Luft. Das empfindliche Holz der Zigarrenkiste, die Churchills Frau Clementine 1945 bei einem Besuch in Leningrad, dem heutigen Sankt Petersburg, geschenkt bekommen hatte, sollte nicht leiden.

Churchill rauchte bis zu zehn Zigarren pro Tag 

Kurator Simmich verbirgt nicht, wie sehr ihn die Detailgenauigkeit seiner Arbeit noch immer fasziniert. Er zeigt auf die Innenseite der Zigarrenkiste, die ein Bild Churchills schmückt. Erkennbar ist bei näherem Hinsehen, dass die Russen es aus Tabakblättern kreieren ließen – ein kleines, beeindruckendes Kunstwerk. 

In den Verhandlungspausen besuchte Churchill auch das Neue Palais.  
In den Verhandlungspausen besuchte Churchill auch das Neue Palais.  

© Repro: Andreas Klaer

Bevor es auf die Reise nach Potsdam ging, musste es allerdings restauriert werden. „Stockflecken hatten etwas Unheil angerichtet“, erzählt Simmich. 1000 Euro kostete die Verjüngungskur, Potsdam zahlte. Die Größe der Kiste überrascht niemanden, der weiß, dass Churchill bis zu zehn Zigarren am Tag rauchte, nie ganz bis zum Ende, aber fast immer die "Romeo y Julieta No 2". Der dicke Brummer mit einem Durchmesser von 19 Millimeter und einer Länge von 19 Zentimetern ermöglicht ein eineinhalb Stunden anhaltendes Rauchvergnügen.

Den Deckel der Kiste zieren die Jahreszahl 1945 sowie die sowjetische und die britische Fahne. Gekreuzt finden sie sich dort, zum Zeichen der unverbrüchlichen Anti-Hitler-Koalition – auch ein Beispiel einer längst vergangenen Epoche. Nur Kundige können den Zugang zu Churchills Zigarrengarage schadlos finden. „Wird der kleine Sowjetstern darauf sehr vorsichtig gedrückt, kann man sie öffnen”, sagt Simmich. Es klingt snobistisch, ist aber nur nützlich, dass die britischen Kollegen eine Bedienungsanleitung beigelegt haben. 

Potsdam wollte auch Utensilien von Stalin, doch der Deal mit Russland platzte

Churchills Gebrauchsgüter liegen jetzt in alarmgesicherten Glasvitrinen in dem Raum, in dem für ihn während der vom 7. Juli bis zum 2. August 1945 dauernden Konferenz sein Arbeitszimmer eingerichtet worden war. Der Schreibtisch dort ist noch derselbe wie zur Zeit der Konferenz, die Stehlampe mit dem Zehnender-Hirsch auf dem Sockel war verlorengegangen. Da die Russen den Potsdamern aber Film- und Fotoaufnahmen des Cecilienhofs aus den Tagen des Dreimächtetreffens überließen, konnten die Experten der SPSG die Zimmer rekonstruieren – und Lampe und Hirsch, die dem Original zum Verwechseln ähnlich sehen, für ein paar hundert Euro auf dem Antiquitätenmarkt erwerben.

Die aktuelle Ausstellung im Schloss Cecilienhof.
Die aktuelle Ausstellung im Schloss Cecilienhof.

© Andreas Klaer

Mit ihren Kollegen aus Potsdam hatten die russischen Restauratoren schon einen Vertrag unterschrieben, der die Leihgabe von persönlichen Utensilien des damaligen Kreml-Herrschers Josef Stalin vorsah: eine Tischlampe, ein Zigarettenetui, ein Telefon und eine originale Uniform. „Zwei Jahre haben wir verhandelt”, berichtet Simmich. Dem Moskauer Kultusministerium gefielen aber Passagen des Ausstellungstextes nicht. So mochten die Russen nichts vom „Personenkult” um Stalin lesen, nicht, dass sie das Baltikum annektiert hätten und die polnische Westgrenze verschoben worden sei. Raus damit, verlangten sie, oder der Vertrag platzt. „Da konnten wir nicht nachgeben”, sagt Simmich. Der Vertrag wurde annulliert.

Churchill hatte mit dem sowjetischen Diktator Josef Stalin und US-Präsident Harry S. Truman nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs während der Potsdamer Konferenz die Teilung Deutschlands, Europas und die Neuordnung der Welt ausgehandelt. Noch während der Verhandlungen verlor er die Wahl in England und wurde vom neuen Premier Clement Attlee abgelöst.

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