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An dieser Stelle führte einst die Enver-Pascha-Brücke von Babelsberg nach Klein Glienicke. 

© Andreas Klaer

75. Jahrestag der Befreiung Babelsbergs: Als die Rote Armee in Potsdam einzog

Am 24. April 1945 rollten russischen Panzer in Babelsberg ein. Die Befreiung Potsdams war eingeleitet. Die Geschichtswerkstatt Rotes Nowawes erinnert an das historische Ereignis.

Babelsberg - Weiße Fahnen und wenige Schüsse: Anders als in der Potsdamer Innenstadt, wo in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs noch heftige Kämpfe tobten, verlief der Einzug der Roten Armee in Babelsberg am 24. April 1945 weitgehend ohne Kampfhandlungen. Der Befehl der Wehrmacht, Potsdam zur Festung zu machen, ließ sich in dem weitläufigen Wohngebiet Babelsberg militärisch schwer umsetzen.

Die Geschichtswerkstatt Rotes Nowawes hatte anlässlich des 75. Jahrestages dieses Ereignisses, mit dem die Befreiung Potsdams eingeleitet wurde, eine geführte Radtour geplant, bei der mehr als 30 Stationen angefahren werden sollten. Dies muss wegen der Corona-Pandemie ausfallen. Die Initiative bietet im Internet auf www.1945.rotes-nowawes.de jedoch einen Guide zum Herunterladen an, so dass man die Tour auch alleine machen kann.

In den letzten Kriegstagen im April 1945 waren die deutschen Truppen auch in Potsdam schon stark dezimiert. Ergänzt wurden sie durch schlecht ausgerüstete Volkssturm-Bataillone aus viel zu alten und viel zu jungen Männern, die die Stadt „bis zur letzten Patrone“ halten sollten. „Ein sinnloser Verteidigungskampf“, sagt Hannes Wittenberg, stellvertretender Direktor des Potsdam Museums.

Panzer rollten ohne Widerstand in die Stadt

Der Krieg war längst verloren und die Rote Armee rückte von Norden und Süden auf Potsdam zu. Bereits am 22. April erreichten Panzerspitzen der 1. Ukrainischen Front Stahnsdorf und Güterfelde, zwei Tage später waren sie in Babelsberg: Am 24. April gegen ein Uhr nachts rollten drei T-34-Panzer begleitet von einem Schützenzug ohne Widerstand in die Stadt ein. Eine Panzersperre aus Baumstämmen an der Autobahnauffahrt Drewitz war von Babelsberger Antifaschisten zusammen mit geflohenen sowjetischen Kriegsgefangenen weggeräumt worden. Ein deutscher Panzer sowie die sieben Volkssturmmänner, die die Sperre bewachen sollten, waren kurz zuvor abgezogen.

Eine weitere Panzersperre am Bahnhof Drewitz wurde am Vormittag von sowjetischen Zwangsarbeitern beseitigt, die zuvor aus dem Lager von Orenstein & Koppel ausgebrochen waren. Nun konnten auch über die heutige Heinrich-Mann-Allee russische Panzer Richtung Innenstadt vorrücken. Nur vereinzelt kam es zu Scharmützeln. Der Großteil der deutschen Truppen hatte sich auf die nördliche Havelseite zurückgezogen, nachdem die Lange Brücke und die Glienicker Brücke von der Wehrmacht gesprengt worden waren.

Viele Babelsberger hofften auf Ende des Krieges

An vielen Fenstern in der Großbeerenstraße hingen am 24. April weiße Fahnen, eine Babelsberger Widerstandsgruppe hatte am Vortag mit einem Flugblatt dazu aufgefordert: „Volkssturmleute! Wir fordern Euch auf, jeden Widerstand sofort einzustellen! Rettet das Leben Eurer Frauen und Kinder! Haltet weiße Fahnen bereit!“ Dies habe sicherlich zur Kapitulation beigetragen, sagt der Historiker Werner Stang in seinem Buch „Brandenburg im Jahr 1945“. Maßgeblicher dürfte jedoch der Wunsch vieler Babelsberger nach einem Ende des Krieges gewesen sein, vor allem nach der „Nacht von Potsdam“ am 14. April.

Dass Babelsberg so leicht eingenommen wurde, habe vor allem mit der Lage und Infrastruktur des Stadtteils zu tun gehabt, sagt Wittenberg. „Es handelte sich ja um ein großes Wohngebiet, das nicht so kompakt war, wie die Potsdamer Innenstadt. Außerdem gab es hier kaum Kasernen – da konnte man sich schlecht verschanzen.“ Der Wehrmacht sei es vor allem darum gegangen, den Vormarsch der Roten Armee aufzuhalten, die sich im Begriff befand, Berlin einzukesseln. Daher wurden die Brücken gesprengt. Möglicherweise habe auch die erst 1939 erfolgte Eingemeindung Babelsbergs Anteil daran gehabt, dass man sich bei der Verteidigung eher auf die „alte Kernstadt“ Potsdam konzentriert habe, so Wittenberg.

Den Einfluss des antifaschistischen Widerstands in Babelsberg auf die Ereignisse dieses Tages hält er hingegen für eher gering. „Das war nur eine sehr kleine Gruppe“, sagt auch Volker Punzel von der Geschichts-Manufaktur Potsdam. Auch den Umstand, dass in Babelsberg sehr viele Arbeiter lebten, dürfe man nicht überbewerten, denn auch die hätten mehrheitlich NSDAP gewählt: „Die Arbeiterschaft von Nowawes war nach 1933 mehrheitlich nicht ’rot’, das ’braune’ Element war stärker vertreten.“

Am 27. April wurde die Innenstadt erobert

Babelsberg blieb von weiteren Zerstörungen und Kämpfen verschont – anders als die Innenstadt. Deutsche und sowjetische Truppen lieferten sich dort noch bis zum 27. April erbitterte Schlachten, bei denen ganze Straßenzüge zerstört wurden. Auch die Nikolaikirche erlitt schwere Schäden, am 25. April brannte das Schauspielhaus aus, am 26. April stand die Heilig-Geist-Kirche in Flammen. Am 27. April um 13 Uhr hatte die Rote Armee das Stadtzentrum erobert und hisste auf der Ruine des Stadtschlosses die Rote Fahne.

Dennoch kam es auch in den folgenden Tagen immer wieder zu kleineren Scharmützeln und Rückzuggefechten im Norden, erst am 30. April waren die Kampfhandlungen in Potsdam beendet. Werner Stang und Kurt Arlt beziffern in ihrem Buch „Kampf um Potsdam Ende April 1945“ die Verluste dieser letzten Kriegstage: In Potsdam wurden mehr als 400 sowjetische und 900 deutsche Soldaten getötet, sowie mehr als 300 Zivilisten. Von 10 225 Gebäuden in der Stadt waren nur noch 5630 bewohnbar, fast 50 Prozent der historischen Bausubstanz in der Innenstadt wurde in den letzten drei Kriegswochen zerstört.

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