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An diesem Tisch verhandelten die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs über die Neuordnung der Welt und das Schicksal Deutschlands.

© Andreas Klaer

75 Jahre Potsdamer Konferenz: Der Blick zurück im Schloss Cecilienhof

Die große Sonderausstellung zur Potsdamer Konferenz öffnet später, verspricht aber viele neue Einblicke. Bei der Gestaltung der Räume orientieren sich die Macher an alten Fotos und Filmen.

Potsdam - Das Bild der drei Staatsmänner in tiefen Korbsesseln versunken gehört zum kollektiven Gedächtnis. Churchill, Truman und Stalin sitzen während der Konferenz der Siegermächte, die vom 17. Juli bis 2. August 1945 in Potsdam stattfand, auf der Terrasse von Schloss Cecilienhof Journalisten gegenüber. Anlässlich des 75. Jahrestags wird es im Schloss nun eine Sonderausstellung geben, und auch diese Szene wird eine Rolle spielen. Besucher dürfen sich in originalgetreuen Nachbauten der berühmten Sitzmöbel – die originalen sind seit langem verschwunden – setzen, auf genau jener Terrasse, sich fotografieren und mit Hilfe eines Fotoprogramms in das historische Bild hineinmontieren.

Am 1. Mai sollte die Ausstellung „Potsdamer Konferenz 1945 – Die Neuordnung der Welt“ eigentlich eröffnen. In der aktuellen Neuordnung der globalen Abläufe aufgrund des Virusausbruchs verzögert sich nun alles um mindestens einige Wochen – genauer kann es die Schlösserstiftung derzeit nicht sagen. So konnten unter anderem Ausstellungsstücke nicht rechtzeitig geliefert werden. Der Auf- und Umbau ist noch in vollem Gange. Vor allem aber fehlen die Besucher und die Touristen. 

„Wir wollen mit der Ausstellung ja nicht nur Potsdamer, sondern internationale Besucher ansprechen“, sagt Kurator Matthias Simmich. Denn auch, wenn es aus Potsdamer Perspektive im Nachkriegssommer zunächst ein lokales Ereignis war, wurden hier Entscheidungen von weltweiter politischer Dimension getroffen, die bis heute Wirkung zeigen. In den Sesseln saßen die Sieger, die Grenzen neu zogen und damit neue Flüchtlingsströme bewirkten, immense Umwälzungen, die letzten Endes auch zur Gründung der Uno und Israels führten.

App, Sprachguide, Medienstationen

Für die Sonderausstellung können nun einige bisher leerstehende Räume, die frühere Hotelküche und der Speisesaal, genutzt werden. Hier soll es mit großformatigen Fotostationen und Vitrinen um die Nachkriegslage in Deutschland, Europa sowie Asien und dem Pazifikraum gehen. Für das Thema Flucht und Vertreibung werden zudem Objekte genutzt, die Potsdamer Bürger zur Verfügung stellten. Es sind kleine Gegenstände, vom Teelöffel bis zum Kinderspielzeug, anhand derer persönliche Nachkriegsgeschichte erzählt wird.

Zur modernen medialen Ausstattung gehören eine App, ein Sprachguide und interaktive Medienstationen. So soll man beispielsweise an einem Bildschirm im Tagebuch von Churchills Sekretärin Margaret Hunter blättern können. „Wir wollen die Ausstellung auflockern, da muss auch was zum Mitmachen und Anfassen dabei sein“, sagt Simmich.

Matthias Simmich mit Nachbauten der historischen Gartensesseln.
Matthias Simmich mit Nachbauten der historischen Gartensesseln.

© Andreas Klaer

Auch die Räume, die bereits seit DDR-Zeit als „Gedenkstätte“ genutzt werden, werden nun überarbeitet. Mit Hilfe neuer Quellen sollen die Arbeitszimmer jetzt so zu sehen sein, wie sie im Sommer 1945 von den Sowjets, den Besatzern und Gastgebern, für die Konferenzteilnehmer hergerichtet wurden. „Es gab immer Zweifel, ob die Ausstattung, wie sie bisher gezeigt wurde, auch die originale war“, sagt Jessica Korschanowski, wissenschaftliche Mitarbeiterin. „Grundlage damals waren Inventarlisten, die die Russen beim Verlassen des Gebäudes 1952 erstellt hatten“. Jetzt wurden im Archiv der Stiftung neue historische Fotos gefunden, außerdem entdeckte man Filmaufnahmen in Archiven in Moskau und den USA. 

An Filmen orientiert

Filme, die die Teilnehmer selber während der Tagung im Schloss drehten. Anhand solcher Quellen wurden jetzt Möbel neu gestellt, Bilder und andere Dekorative oder nützliche Gegenstände ausgetauscht oder überhaupt erst angeschafft. Viele der in Bildern und Filmen zu sehenden Gegenstände sind nicht mehr vorhanden. Man suchte folglich im Antiquitätenhandel nach ähnlichen Objekten, um die Situation nachzustellen, die Räume zu beleben und erlebbar zu machen. So war der Schreibtisch des britischen Premierminister Winston Churchill früher leer. 

Jetzt stehen hier eine Lampe mit bronzener Hirschskulptur, eine Löschwiege, mit der Tinte auf Dokumenten trockengetupft wurde, ein Aschenbecher und ein Feldtelefon. „Wir haben lange über den Fotos gerätselt, was das für ein seltsames Ding war“, sagt Simmich. Jeder Staatsmann hatte ein eigenes Feldtelefon, die Leitung ging vermutlich durchs Fenster ins jeweils eigene Telefonnetz, das folglich unabhängig und abhörsicher war. Auch der große runde Konferenztisch, an dem sie gemeinsam saßen, soll mit Papierstapeln und historischen Zigarettenpäckchen authentisch gestaltet werden.

Leihgaben aus Hiroshima

Original und höchst kostbar sind zwei Leihgaben aus dem Hiroshima Peace Memorial Museum. Sie wollen an die Katastrophe des Atombombenabwurfs der Amerikaner am 6. und 9. August über Hiroshima und Nagasaki erinnern. Die Entscheidung dazu fiel, während Präsident Truman die Konferenz besuchte. Gezeigt werden eine Glasvase, die in der Hitze der Explosion zerschmolz, und eine Lunchdose aus Blech. Diese gehörte einem Schüler, der die Explosion nicht überlebte. Die Dose mit dem eingravierten Namen des Jungen wurde gefunden.

Kurator Matthias Simmich hofft, dass die aufwändige Ausstellung, die nun verspätet öffnet, verlängert werden kann. Bereits jetzt ist das Begleitbuch mit weiterführenden wissenschaftlichen Aufsätzen, „Potsdamer Konferenz 1945“, Sandsteinverlag, im Handel erhältlich.

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