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70 Jahre Potsdamer Konferenz: Mückenspray für Churchill

Winston Churchill und seine Tochter wohnten während der Potsdamer Konferenz im Haus der Familie Urbig, "Haus Seefried", das später als Churchill-Villa bekannt wurde. Heute ist es im Besitz von Hasso Plattner.

Potsdam - Von den drei Villen, in denen von Mitte Juli bis Anfang August 1945 die Regierungschefs der Siegermächte wohnten, ist nur die Churchill-Villa nach all den politischen Umbrüchen wieder ein privates Domizil. Ist der heutige Hausherr anwesend, steht in der Regel ein unauffälliger Wagen vom Wachschutz vor der Tür. Das Haus, das heute dem Software-Unternehmer Hasso Plattner gehört, war auch vor 70 Jahren bereits gut bewacht, überall gab es im Sommer 1945 Wachhäuschen mit Posten. In der damaligen Ringstraße 23, heute Virchow-Straße, residierte der britische Premierminister Winston Churchill. Allerdings nicht wie seine Kollegen aus den USA und der Sowjetunion bis zum 2. August. Als Ergebnis der Unterhauswahl wurde der Premier von seinem bisherigen Stellvertreter Clement Attlee abgelöst. Am 25. Juli hielt Churchill seine letzte Rede in Cecilienhof. In der Erinnerung der Potsdamer an die Konferenz spielt sein Nachfolger meist eine untergeordnete Rolle. Es ist eher die beeindruckende Erscheinung des Dicken mit der Zigarre, die man damit verbindet.

Üppige Ausstattung am Griebnitzsee

Gebaut wurde das auf den ersten Blick fast bescheiden anmutende Haus von 1917 bis 1918. Bauherr war Franz Urbig, Mitinhaber der Deutschen Bank und in diversen Aufsichtsräten tätig. Dessen Frau mochte den Baustil von Karl Friedrich Schinkel. Und so ging der Auftrag für das Haus an den damals noch nicht einmal 30-jährigen Architekten Ludwig Mies van der Rohe, der ein Büro in Berlin unterhielt. Insgesamt drei Häuser wird er für Neubabelsberg entwerfen.

„Haus Seefried“ von Familie Urbig bekam Musik- und Empfangszimmer, Turnsaal, Gärtnerhaus und Bootsanleger. Das war eine üppige Ausstattung aber für die Gegend am Griebnitzsee durchaus nicht ungewöhnlich. Wer hier baute, wollte ruhig und unter Seinesgleichen wohnen, sich erholen und vergnügen. Man stattete die großzügigen Grundstücke mit Tennisplätzen, Schwimmbecken und Kegelbahnen aus, am Ufer des Sees baute man Bootshäuser und Grotten, das war modern, sagt der Potsdamer Denkmalpfleger Jörg Limberg.

Areal für Potsdamer Konferenz geeignet

Neben der Wohnbebauung gab es damals in Neu-Babelsberg keine nennenswerte Infrastruktur, keinen Bäcker, keine Kirche, keine Kneipe. Es gab den Bahnhof Griebnitzsee, der anfangs Neubabelsberg hieß, und auf dem See fuhren Dampfer. Weil das Areal den Krieg unbeschadet überstand, wurden die Russen darauf aufmerksam, als es darum ging, einen Ort für die Konferenz zu finden. Von den Unterkünften gelangte man relativ unbehelligt zum Tagungsort, dem Schloss Cecilienhof. Allerdings mussten zuvor ein paar Dinge repariert werden. Die Parkbrücke nach Klein Glienicke wurde notdürftig geflickt, neben die zerstörte Glienicker Brücke ein hölzerner Ersatz gebaut. Etliche Kilometer Straßen wurden repariert oder gar neu gebaut, Kanalisation, Wasserleitungen und Elektrizitätsnetz instand gesetzt. Die Areale der drei Staatsmänner wurden wie Sektoren mit Zäunen voneinander getrennt.

Und natürlich mussten die Bewohner der für die Gäste vorgesehenen Häuser verschwinden. Franz Urbig war 1944 verstorben, seine Frau Dorothea im Januar 1945 zu einer Tochter nach Bayern gereist. Im Haus zurück blieben 1945 die Urbig-Tochter Elisabeth und deren Nichte. In den letzten Kriegsmonaten kamen hier auch viele Flüchtlinge unter – Familie Urbig galt als politisch nicht geradlinig.

Urbig-Töchter schlichen sich in elterliches Haus

Der russische Kommandant versprach den beiden Urbig-Frauen damals, sie würden nach acht Wochen zurück in ihr Haus dürfen. Das war natürlich nicht so. Erst 1990 wurden Haus und Grundstück an die Erben der Familie rückübertragen. Die verkauften das Anwesen 2005 an den Unternehmer Theodor Semmelhaak; wenige Jahre später erwarb Hasso Plattner das Haus. Im Frühjahr 2006 besuchte Lady Mary Soames, Tochter von Winston Churchill, die ihren Vater damals begleitet hatte, das Haus. Und erinnerte sich, dass ihr Zimmer beziehungsweise das von Elisabeth Urbig mit Kornblumentapete ausgeschmückt gewesen war.

Ein paar Mal gelang es den vertriebenen Frauen im Sommer 1945 noch, in das gesperrte Gebiet und ihr elterliches Haus zu gelangen, oft auch über den Wasserweg, um noch ein paar Dinge aus dem Haus zu holen, Obst und Gemüse zu ernten oder im Garten versteckte Wertsachen auszugraben. Im Komposthaufen hatte zum Beispiel Heinz Rühmann eine wertvolle Kamera versteckt. Mit den heimlichen Besuchen war allerdings Schluss, als ein britischer Soldat die beiden anwies: „Sorry Ladies, you cannot enter, yours is the most important house“. Ihr Haus ist das wichtigste.

Churchill schlief schlecht in Potsdam

In Vorbereitung auf die Ankunft Churchills wurden neues Geschirr und Besteck, Küchenausrüstungen, Essen und Getränke aus London eingeflogen. Und Antimückenspray. Die ganze britische Zone wurde nach „Mosquitos“ abgesucht und man konnte beruhigen: Babelsberger Mücken sind ungefährlich und übertragen keine Malaria. Trotzdem schlief Churchill schlecht, zumindest krachte eines Nachts sein Bett zusammen, heißt es. Sofort wurde ein Handwerker angefordert, der das Bett reparierte.

Die Briten, etwa 260 Mann, mussten zum Teil in ihrem eigenen Sektor in Berlin untergebracht werden, alles andere fand in Potsdam statt. Aus Protokollen geht hervor, dass festgelegt wurde, wo es Soldatenhaarschnitte gab: In der Ringstraße 43 von 6 bis 8 Uhr, pro Nase zwei Mark. Geregelt wurde auch, wer wann einen kleinen Swimmingpool auf einem der Grundstücke nutzen durfte. Und am 18. und 21. Juli fanden Tanzveranstaltungen statt.

Besuch im Führerbunker

Als weniger vergnüglich muss Churchill seinen Besuch in Berlin am 16. Juli empfunden haben. Unter anderem stieg er hinab in den Führerbunker. Dort unten zeigte man ihm einen Fleck, die Stelle, auf der angeblich die Körper von Hitler und Eva Braun verbrannt wurden, heißt es im Buch „Schloss Cecilienhof und die Potsdamer Konferenz 1945“ vom Chronos-Verlag. Zurück in Babelsberg nahmen die Teilnehmer dieser kleinen Exkursion erst mal ein Bad mit Desinfektionsmitteln.

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