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70 Jahre Potsdamer Konferenz: Der Anfang der Einheit

Am 17. Juli 1945 begann das Treffen der alliierten Siegermächte des Zweiten Weltkrieges in Potsdam. Der Potsdamer Historiker Manfred Görtemaker erklärt im PNN-Interview, warum Deutschland nach der Potsdamer Konferenz gar nicht aufgeteilt werden sollte.

Herr Görtemaker, der Tag des Kriegsendes, der 8. Mai 1945, soll in Zukunft in Brandenburg als Tag der Befreiung begangen werden. Nicht für alle folgte auf diesen Tag eine Befreiung, große Teile Mittelosteuropas wurden in neuen Herrschaftssphären neu aufgeteilt.

Dieser Tag war tatsächlich nur eine Teilbefreiung. Im Westen Deutschlands war die Befreiung von der nationalsozialistischen Herrschaft der Auftakt für eine positive demokratische Entwicklung und letztlich für das kommende Wirtschaftswunder. Für die Gebiete östlich der Elbe aber, und das gilt für Deutschland genauso wie für Polen und die anderen osteuropäischen Staaten, folgte nur eine vorübergehende Befreiung, denn hier wurde eine Diktatur durch eine andere abgelöst. So gesehen ist der 8. Mai als Tag der Befreiung durchaus problematisch.

Eine Entwicklung, die mit der Teilung Mitteleuropas endete. Hatte die Potsdamer Konferenz im Juli und August 1945 den Ausschlag dazu gegeben?

Nein, bereits in Teheran im November/Dezember 1943 und zum Teil noch in Jalta im Februar 1945 wurde über die Zerstückelung Deutschlands gesprochen. Man hat aber aufseiten der britischen und amerikanischen Planungsstäbe frühzeitig gesehen, dass eine Aufteilung Deutschlands ökonomisch schwierig wäre und – bedingt durch das Vorgehen der Sowjetunion in Osteuropa – nur zu einer weiteren Ausdehnung der sowjetischen Herrschaft führen würde. Deswegen hat man schon nach der Konferenz von Jalta in der sogenannten Zerstückelungskommission keine Einigung mehr gefunden. Als das Thema dann in Potsdam zur Sprache kam, war die Antwort ganz klar: Nein, Aufteilung auf keinen Fall.

Sondern?

Stattdessen war von Wirtschaftseinheit die Rede, sogar von Zentralverwaltungen, die zur Keimzelle einer künftigen gesamtdeutschen Regierung werden sollten. Die Potsdamer Konferenz zeichnet sich also gerade dadurch aus, dass es nicht mehr um die Teilung Deutschlands ging, sondern um die Wiederherstellung der deutschen Einheit als Voraussetzung für ein ökonomisches Überleben und eine allmähliche Rückführung der Deutschen in die Gemeinschaft der Nationen. An die Stelle der Teilungspläne traten nun Konzepte zur Reeducation, also zur Umerziehung, und zur Entnazifizierung, Demokratisierung und Demilitarisierung der Deutschen.

Das trugen die Sowjets mit?

Die haben das wie alle Beteiligten mit unterschrieben. Stalin verfolgte dabei zwei Interessen: Er wollte Reparationen nicht nur aus dem ostdeutschen Raum, sondern auch aus dem Ruhrgebiet erhalten, wo es größere Reparationswerte gab. Ein entsprechender Beschluss dazu wurde in Potsdam gefasst. Zweitens wollte er nicht nur Ostdeutschland, sondern ganz Deutschland unter seine Kontrolle bekommen. Das wird oft vergessen. Neben der Gruppe Ulbricht für Berlin, den Gruppen Ackermann für Sachsen und Sobottka für Mecklenburg waren in Moskau auch Kräfte für den Einsatz im Westen Deutschlands geschult worden. Stalin zielte also mit seiner Politik auf ganz Deutschland und keineswegs nur auf seine eigene Besatzungszone. Die hatte er sicher, weil er hier unter Anwesenheit der sowjetischen Armee und seines Geheimdienstes die direkte Kontrolle ausübte. Aber seine Ziele gingen sehr viel weiter.

Wie fällt die historische Bewertung des Potsdamer Treffens aus?

Die Potsdamer Konferenz gehört zu den drei großen Kriegskonferenzen: Teheran, Jalta und Potsdam. Auch Potsdam gilt noch als Kriegskonferenz, da der Krieg mit Japan noch nicht beendet war. Das Treffen lässt sich also einordnen in den größeren Rahmen der Überlegungen der Alliierten über die Nachkriegsordnung.

Eigentlich strebte Churchill ein Treffen bereits im Juni 1945 an, es wurde dann aber Juli. Es heißt, Stalin habe aus taktischen Gründen verzögert.

Nein, der Termin wurde durch den amerikanischen Präsidenten Truman bestimmt, der nach dem Tod Roosevelts erst im April 1945 ins Weiße Haus eingezogen war. Kurz vor der Konferenz war allerdings Stalin noch erkrankt, angeblich hatte er einen leichten Herzanfall. Er traf auch erst etwas verspätet in Potsdam ein. Hier merkte man ihm seine Erkrankung aber nicht mehr an.

Kam Stalin die Verzögerung nicht gelegen, um im Juni noch Deutsche in einem 200-Kilometer-Korridor östlich von Oder und Neiße zu vertreiben und damit vollendete Tatsachen bezüglich Deutschlands Ostgrenze zu schaffen?

Möglicherweise. Denn in Potsdam behauptete Stalin tatsächlich dreist, es gebe in dem Gebiet gar keine Deutschen mehr, man könne die neue Grenzziehung also problemlos festlegen. Das war aber eine glatte Lüge, die Deutschen dort waren beileibe noch nicht alle weg. Es war den Westalliierten schon vor dem 8. Mai darum gegangen, den Deutschen die Möglichkeit zu geben, aus den sowjetisch besetzten Gebieten zu entkommen. Das hatte aber humanitäre Gründe, weil sich zeigte, dass die meisten Deutschen nicht in den sowjetisch kontrollierten Territorien bleiben wollten.

Waren die Westmächte nicht eigentlich gegen die Vertreibung von acht bis neun Millionen Deutschen aus den Gebieten östlich der Oder?

Das kann man so nicht sagen. Zur Oder-Neiße-Grenze kam es, weil die Alliierten sich bereits seit Teheran – also seit November beziehungsweise Dezember 1943 – einig waren, dass die polnische Ostgrenze die Curzon-Linie sein sollte, die schon auf der Pariser Friedenskonferenz von 1919 festgelegt worden war. Die Polen hatten dann durch ihr militärisches Vorgehen im russischen Bürgerkrieg dafür gesorgt, dass diese Grenze im Frieden von Riga 1921 um 200 Kilometer nach Osten verschoben wurde. Das wurde jetzt von Stalin mit den Absprachen von Teheran, Jalta und Potsdam rückgängig gemacht. Zugleich wurde beschlossen, Polen auf Kosten Deutschlands im Westen für die Verluste im Osten zu entschädigen. So kam es praktisch zu einer Westverschiebung Polens.

Die Oder-Neiße-Linie war bei dem Treffen in Potsdam umstritten.

Die Frage war hier, wo genau die künftige deutsch-polnische Grenze verlaufen sollte. Die Oderlinie war eigentlich gesetzt. Zwar argumentierten manche Polen, dass bis Lübeck einst Slawen gelebt hätten, insofern könne man sehr viel weitergehende Teile zu Polen schlagen. Das war aber in Potsdam kein Thema. Es blieb bei der Oder. Die Frage war nur noch, ob die Grenze von der Oder weiter entlang der westlichen oder östlichen Neiße verlaufen sollte. In einem amerikanisch-sowjetischen Agreement einigte man sich schließlich auf die westliche Neiße, sodass ein deutlich größeres Gebiet an Polen fiel. Der Preis, den die Sowjets dafür zahlen mussten, war die Festlegung, dass die Reparationen jeweils der eigenen Zone entnommen werden sollten. Die Sowjetunion akzeptierte diese für sie weniger günstige Regelung, um die Grenzziehung festzuzurren. Es sollte für sie zwar auch Reparationen aus dem Ruhrgebiet geben, aber nur gegen Lebensmittellieferungen aus dem Osten, weil dort die Kornkammern des ehemaligen Deutschen Reiches lagen.

Wie wurde die Zwangsumsiedlung der Deutschen geregelt?

Gleichzeitig zu dem Reparationskompromiss wurde eine „ordentliche Umsiedlung“ der Deutschen aus den Gebieten östlich der Oder-Neiße-Linie beschlossen. Damit waren die Westmächte vollkommen einverstanden. Man kann also, wie schon erwähnt, nicht sagen, dass sie gegen die Vertreibung waren. Das war nicht der Fall, ganz im Gegenteil.

Ging der neue Grenzverlauf auf Forderungen Polens zurück?

In Potsdam wurde eine polnische Delegation angehört. Bislang war immer von der Glatzer Neiße die Rede gewesen, also von einem Grenzverlauf weiter östlich, bei dem Deutschland das Gebiet über Breslau bis nahe Oppeln erhalten geblieben wäre. Die Polen forderten jetzt einen Grenzverlauf entlang der Görlitzer Neiße, dem die Amerikaner schließlich zustimmten, indem sie die territoriale Frage mit der Reparationsfrage verknüpften. Hintergrund waren Überlegungen aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, als die Reparationen wesentlich dazu beigetragen hatten, dass Deutschland ökonomisch nicht wieder auf die Beine kam. Die Amerikaner wollten das unbedingt vermeiden. Sie hatten die Sorge, dass man sonst in ein oder zwei Jahrzehnten wieder einen neuen Hitler produzierte.

Eigentlich war eine Friedenskonferenz geplant, die dann aber nicht stattfand. So blieb die Frage der polnischen Westgrenze doch faktisch offen?

Die Gebiete östlich von Oder und Neiße wurden zunächst nur unter polnische beziehungsweise sowjetische Verwaltung gestellt, vorbehaltlich einer abschließenden Regelung durch einen Friedensvertrag. Aber niemand zweifelte daran, dass es bei der in Potsdam beschlossenen Regelung bleiben würde.

Die Potsdamer Konferenz sollte anfänglich in Berlin stattfinden. Warum war man dann nach Potsdam ausgewichen?

Eine „Potsdamer Konferenz“ hat es tatsächlich gar nicht gegeben. Die offizielle Bezeichnung war „Berliner Konferenz“, die nur auf Potsdamer Boden stattfand. Auch ein „Potsdamer Abkommen“ gibt es im eigentlichen Sinne nicht. Das Schlusskommuniqué der Gespräche ist erst später verkürzt so genannt worden, um die Potsdamer Ergebnisse aufzuwerten. Das war für die DDR wichtig, die daraus ihre Existenzberechtigung zog. Potsdam als Ort für die Konferenz wurde übrigens gewählt, weil es im weithin zerstörten Berlin keine entsprechende Stätte gab, die intakt und leicht abzusichern war. Auch brauchte man nicht nur einen Konferenzort, sondern viel Raum für die Delegationen und Berater. Das war in Potsdam unter anderem mit der Villenkolonie Babelsberg und dem Ufa-Filmgelände gegeben, wo sich vor allem die amerikanische Delegation ausbreitete. Dort traf auch die Nachricht vom ersten erfolgreichen Atombombentest ein.

Den Befehl zur Vorbereitung des Atombombenabwurfs auf das japanische Hiroshima soll Truman in Potsdam gegeben haben. Welche Rolle spielte die Atombombe für die Potsdamer Verhandlungen?

Für die Gespräche direkt eigentlich keine. Allerdings teilte Truman Stalin am Rande einer Plenarsitzung im Schloss Cecilienhof mit, dass die USA eine neuartige Waffe besäßen. Wo genau Truman die Entscheidung traf, die Waffe einzusetzen, wissen wir nicht. Den Befehl zum Abwurf hat er offensichtlich auf der Rückreise nach Washington erteilt, also nicht von Potsdam aus. Die Entscheidung dürfte aber schon in Potsdam gefallen sein. Auf die Mitteilung Trumans reagierte Stalin übrigens äußerlich nicht.

Gar nicht?

Er vermittelte zumindest den Anschein, als ob ihn das Thema nicht berühre. Natürlich war Stalin über das Projekt „Manhattan“ (das militärische Forschungsprojekt der USA zur Entwicklung und zum Bau einer Atombombe, d. Red.) sehr genau informiert, weil es einen sowjetischen Spion gab, der die Blaupausen über die Waffenentwicklung an die Sowjets weiterleitete. Und so erteilte Stalin noch von Potsdam aus den Befehl, die Entwicklung der eigenen Atombombe zu beschleunigen. Aber zum Zeitpunkt der Potsdamer Konferenz wusste man ja noch nicht genau, wie diese Waffe wirken würde. Die Bombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki erfolgten erst im August. Das war auch der Grund dafür, dass Truman großes Interesse an einer russischen Beteiligung am Krieg gegen Japan hatte. In den USA ging man davon aus, dass die Japaner nicht vorzeitig kapitulieren würden und dass die Invasion der japanischen Hauptinseln rund 500 000 amerikanischen Soldaten das Leben kosten würde. In Potsdam war also viel weniger klar, als man im Nachhinein vermuten könnte.

Warum nahmen die Franzosen in Potsdam nicht teil?

Die waren zunächst ebenfalls eingeladen. Die Einladung wurde jedoch storniert, als General Charles de Gaulle unverschämte Forderungen stellte und unter anderem Gebiete in Norditalien und das Rheinland für Frankreich beanspruchte. In einem Telegrammwechsel zwischen den drei Siegermächten kamen vor allem Truman und Stalin zu dem Schluss, dass eine Teilnahme de Gaulles die Verhandlungen deutlich erschweren würde. Außerdem, so wurde erklärt, hätten sich die Franzosen am Krieg gegen die Deutschen sowieso kaum beteiligt. Man könne deswegen bei der Konferenz gut und gerne auf sie verzichten.

Stalin hatte Truman als Vorsitzenden vorgeschlagen. War das ein schlauer Winkelzug?

Das kann man so sehen. Stalin verkörperte die Kontinuität auf dieser Konferenz, er kannte die Vorgängertreffen sehr genau. Dies galt zwar auch für Churchill, aber solange er an der Konferenz teilnahm, war er im Vergleich zu Jalta und Teheran bemerkenswert schweigsam. Vor dem Treffen hatten in Großbritannien Unterhauswahlen stattgefunden. Das Ergebnis war noch nicht bekannt. Doch Churchill rechnete möglicherweise schon damit, abgewählt worden zu sein. Wenn man die Protokolle der Potsdamer Verhandlungen liest, zeigt sich, dass Truman am meisten redete. Aber er war zugleich der Unerfahrenste unter den „Großen Drei“, da er sein Amt erst kurz zuvor angetreten hatte. Insofern war es möglicherweise ganz klug von Stalin, Truman den Vorsitz zu überlassen. Das formale Verfahren konnte den Präsidenten vom Gegenstand der Gespräche ablenken. Zudem kannte Truman die Inhalte der vorherigen Konferenzen und deren Ergebnisse nur aus zweiter Hand – auch dies war möglicherweise ein Vorteil für den sowjetischen Diktator.

Was waren Stalins Ziele?

Stalin ließ nie einen Zweifel daran, dass er vor allem eine Wiederherstellung der alten sowjetisch-polnischen Grenze wünschte, auch wenn die Polen der Auffassung waren, dass östlich der sogenannten Curzon-Linie urpolnische Gebiete lagen, und daher mit der Westverschiebung ihres Landes keineswegs glücklich waren. Das gilt nicht zuletzt für die dortige Bevölkerung, die ihre angestammten Gebiete in Ostpolen verlassen musste und nun im Oder-Neiße-Gebiet angesiedelt wurde. Für sie kam dies ebenfalls einer Vertreibung gleich

Warum ließen die Westmächte von den Teilungsplänen für Deutschland ab?

Stalin hatte bereits mit der Errichtung des Lubliner Komitees im Juli 1944 und durch sein Nichteingreifen beim Warschauer Aufstand im August 1944 zu erkennen gegeben, dass er die Einverleibung Polens in den sowjetischen Einflussbereich plante. Das hatte dann wiederum die Briten veranlasst, alle Teilungspläne für Deutschland aufzugeben und ein geeintes Deutschland zu fordern – als starkes Gegengewicht gegen die Sowjetunion, die sich nun bis tief nach Mitteleuropa hinein ausdehnen würde. Ein weiterer Grund für die Änderung der britischen Haltung war die Einschätzung, dass sich die USA nach Kriegsende wieder hinter den Atlantik zurückziehen würden wie nach dem Ersten Weltkrieg, und dass Frankreich allein zu schwach sei, um ein Gegengewicht gegen die Sowjetunion zu bilden. Insofern sind ab Mitte 1944 keinerlei britische Tendenzen mehr zu erkennen, Deutschland zu teilen, ganz im Gegenteil. Das führte dann in Jalta dazu, dass man die Teilungsfrage auf Vorschlag Churchills an eine „Zerstückelungskommission“ überwies, in der eine Einigung nicht zu erwarten war. Das wurde in Potsdam dann bestätigt: keine Teilung, sondern Wirtschaftseinheit und Zentralverwaltungen mit dem Ziel einer gesamtdeutschen Regierung wurden angestrebt.

Dass Deutschland und Europa dann doch geteilt wurden, war Ergebnis des Kalten Krieges. Wie kam es zu der Eskalation?

Der Kalte Krieg bahnte sich bereits 1943/44 mit ersten großen Konflikten der Alliierten in der Anti-Hitler-Koalition an. Sie verschärften sich maßgeblich mit der Polenfrage 1944, die auch durch die „Deklaration über die befreiten Gebiete Europas“ nicht gelöst wurde, in der Stalin im Februar 1945 Selbstbestimmung und freie Wahlen versprach. Offenbar hatte er gar nicht die Absicht, diese Zusagen einzuhalten. Jedenfalls wurde von sowjetischer Seite permanent dagegen verstoßen. Darüber kam es dann erneut und wiederholt zu großen Spannungen zwischen den ehemaligen Kriegsverbündeten. Dass 1947 mit der Truman-Doktrin faktisch der Kalte Krieg erklärt wurde, bedeutete schließlich nur noch die rhetorische Bekräftigung einer längst vollzogenen Entwicklung. Es zeigte sich: Das Bündnis der Hitler-Gegner war ein reines Zweckbündnis gewesen, das keinerlei ideologische oder politische Basis besaß, die ein tragfähiges Fundament für die Zukunft hätte bilden können.

Was taugten die Vereinbarungen von Potsdam letztlich?

Es gab kein formelles Abkommen, sondern nur Absprachen unter den Beteiligten. Das Schlusskommuniqué hielt lediglich die Ergebnisse der Gespräche fest. Allerdings hatte dieses Protokoll erhebliche Auswirkungen, weil sich die drei Mächte auf die Oder-Neiße-Linie als polnische Westgrenze einigten und übereinkamen, dass Deutschland nicht geteilt werden sollte. Ein Ergebnis war also die polnisch-deutsche Grenze, das andere die langfristige Option, dass Deutschland einmal wiedervereinigt werden konnte. In Potsdam wurde damit die Basis für die Zwei-plus-vier-Gespräche 1990 gelegt, die zu dem berühmten Zwei-plus-vier-Abkommen vom September 1990 führten: dem „Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland“, wie es genau heißt – einer Art Ersatzfriedensvertrag, in dem die außenpolitischen Bedingungen für die deutsche Wiedervereinigung festgelegt wurden.

Zwischen der Potsdamer Konferenz und der Wiedervereinigung lag also nur eine Art Pause, eine historische Verzögerung von 45 Jahren?

Genau. In dieser Hinsicht war die Potsdamer Konferenz von großer Bedeutung, weil sie die Möglichkeit einer deutschen Wiedervereinigung ausdrücklich offenließ. Das einzige, was sofort entschieden wurde, war die Oder-Neiße-Frage – ungeachtet des formalen Friedensvertragsvorbehalts. Und das wurde auch später nicht mehr infrage gestellt.

Vor dem historischen Hintergrund ist es doch äußerst bemerkenswert, wie sich gerade die deutsch-polnischen Beziehungen mittlerweile entwickelt haben.

In der Tat ist die Integration von zwölf Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten die größte historische Leistung, die die Deutschen im 20. Jahrhundert vollbracht haben. Die Alternative wäre gewesen, Flüchtlingslager entlang der Grenze aufzubauen und die vertriebenen Menschen zur Rückkehr in die Heimat zu drängen, um politischen Druck aufzubauen und so die Wiedervereinigung mit den verlorenen Gebieten irgendwie zu erzwingen – wie es in anderen Konfliktzonen der Erde ja immer noch, und immer wieder, geschieht. Stattdessen wurde mit groß angelegten Programmen erfolgreich versucht, die Flüchtlinge und Vertriebenen zu integrieren. Nach anfänglichen Schwierigkeiten haben die schließlich so ihren Teil dazu beigetragen, die Versöhnung zu ermöglichen und den Frieden im Nachkriegseuropa zu bewahren. Aus der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges gelernt zu haben, dass man in Europa anders miteinander umgehen muss als in früheren Zeiten, ist eine historische Erfahrung, die man nicht hoch genug bewerten kann und die zumindest für die Zukunft Mitteleuropas, wie ich meine, durchaus Gutes verheißt.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller

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