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Kopie eines Barockstars: Dietrichs „Die heilige Nacht“, deren Original in Dresden hängt. Alexia Falk (l.) und Gisela Hempel restaurieren die Leihgabe aus Israel.

© Stefan Gloede

300 Jahre Friedrich II.: Die „Mona Lisa“ des Preußenkönigs

Eines der ersten Exponate für die große Jubiläumsausstellung zum 300. Geburtstag Friedrichs II. ist eingetroffen – „Die heilige Nacht“ aus Jerusalem

Von Peer Straube

Die strahlende Aura lässt keinen Zweifel, um wen es sich bei dem strammen Säugling handelt: Jesus Christus, liebevoll gewiegt von seiner Mutter Maria. Drei Hirten bestaunen das Kind ehrfürchtig, einer hebt die Hand vors Gesicht, um die Augen gegen die blendende Helligkeit abzuschirmen, die vom Heiland ausgeht.

Kaum ein Motiv hat sich bei Malern über Jahrhunderte hinweg so konstanter Beliebtheit erfreut, wie die Geburt Jesu. Das gilt auch für den italienischen Renaissancemaler Antonio da Correggio (1489-1534), den die beschriebene Szene zu seinem Werk „La Notte“ inspirierte. Und doch ist es nicht sein Bild, das im Neuen Palais auf einem Arbeitstisch liegt. Es handelt sich um eine Kopie des Weimarer Malers Christian Wilhelm Ernst Dietrich (1712-1774) – er taufte es auf den Namen „Die heilige Nacht“. Er schuf es wohl um 1763 im Auftrag Friedrichs II. – und die Geschichte der Kopie ist wohl mindestens so spannend wie die des Originals. Franziska Windt kennt sich damit bestens aus. Die Kustodin für die Gemälde der Romanischen Schulen, wie ihr offizieller Titel bei der Schlösserstiftung lautet, überwacht die Restaurierung des Dietrichschen Werks, das jetzt, nach 100 Jahren, aus Jerusalem ins Neue Palais zurückgekehrt ist.

Das Original von Correggio habe August III. von Sachsen „mit viel Überredungskunst“ in Italien erwerben können, erzählt Windt. Ein Coup. Denn „La Notte“ war sofort der Star der Dresdner Gemäldesammlung. „Das Bild kannte damals jeder, das war so berühmt wie heute die ,Mona Lisa’“, sagt Windt. Raffaels „Sixtinische Madonna“, die seit 1754 ebenfalls in Dresden hängt, lockte damals kaum jemanden hinter dem Ofen hervor.

Auch Friedrich II. nicht. Er hatte bei einem Besuch in Dresden nur Augen für „La Notte“. Dass er sie haben musste, war schon eine Frage von Friedrichs Selbstverständnis als Monarch und Kunstliebhaber. „Kopien waren damals eine sehr wichtige Methode, wenn man zeigen wollte, dass man etwas von Bildern verstand“, sagt Windt. „Und man musste schon die richtigen zeigen.“

Und in der richtigen Qualität. Dietrich habe als einer der führenden Maler seiner Zeit gegolten, sagt die Gemäldekustodin. Auch, wenn einige Details – ob nun beabsichtigt oder nicht – leicht vom Original abweichen: „Es ist eine sehr gute Kopie“, sagt Windt. Welchen Wert der König seiner Replik zumaß, zeigte sich daran, dass es im Vorzimmer zu seiner Wohnung im Neuen Palais hing. 150 Jahre lang. Bis sein Nachfahr Wilhelm II. keine Verwendung mehr dafür hatte. Also verschenkte es der Kaiser kurzerhand an die Evangelische Gemeinde in Jerusalem. Dort hing es seit 1910 in der Himmelfahrtkirche. Für die große Jubiläumsausstellung zum 300. Geburtstag Friedrichs II., die am 28. April eröffnet wird, ist es nun wieder an seinen alten Platz zurückgekehrt.

In einem zur Interimswerkstatt umfunktionierten Raum der Prinz-Heinrich-Wohnung legen Gemälderestauratorin Gisela Hempel und Rahmenrestauratorin Alexia Falk letzte Hand an das Bild. Insgesamt sei „Die heilige Nacht“ in einem erstaunlich guten Zustand, sagen beide. Ein paar Dellen in der Leinwand müssen geglättet; zwei, drei helle Flecken retuschiert werden. Am Rahmen sind ein paar kleinere Verzierungen abgebrochen, doch die bemerkt der Laie nur, wenn er genau hinsieht.

Für zunächst drei Jahre soll Dietrichs Bibelillustration im Neuen Palais hängen, als Dauerleihgabe. Die Stiftung hofft, dass sie es für immer hierbehalten kann. Gespräche mit der Jerusalemer Gemeinde müssen aber noch geführt werden. Für Windt ist die Rückkehr der „Heiligen Nacht“ ein Glücksfall, wie er nur selten vorkommt. Von einst 20 Bildern im Entrée zu den Kammern Seiner Majestät sind 13 verschwunden – Beutekunst. Sieben hängen noch, inklusive Dietrichs Correggio-Kopie. „Aber damit“, sagt Windt, „haben wir die wichtigsten, die Leitbilder, wieder komplett“.

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