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Zum ersten Pfingstbergfest am 10. Juni 1989 kamen mindestens 2000 Potsdamer.

© Bernd Blumrich

30 Jahre Mauerfall: Wie das Belvedere auf dem Pfingstberg gerettet wurde

Vor 30 Jahren fand unter den Augen der verwirrten Obrigkeit und der Stasi das erste Pfingstbergfest am Belvedere statt. Ein mutiger Kraftakt für die Rettung des Schlosses und ein Anfang einer neuen Zeit.

Potsdam - Wenn man in den 1980er Jahren-Potsdamer nach dem Belvedere auf dem Pfingstberg gefragt hätte, wäre die Bilanz mager gewesen. „Das hat damals kaum einer gekannt“ sagt Ulrich Koltzer. „Nur die Kinder, die hier in der Nähe wohnten, nutzten das Areal als Abenteuerspielplatz.“

Die meisten Menschen im Rest der Stadt blendeten das verfallene Gebäude aus der Wahrnehmung aus. Was auch daran lag, dass das Gebiet zwischen Pfingstberg und Neuem Garten gesperrt war. Dort hatten die Sowjets nach 1945 ihr „Russenstädtchen“ mit KGB-Zentrale eingerichtet.

Seit den 60ern vergammelten Schloss und Garten

Und doch stand oben auf dem Berg das Aussichtsschlösschen – einst von Friedrich Wilhelm IV. im 19. Jahrhundert für vergnügliche Ausflüge erbaut. Spätestens seit den 1960ern vergammelten Schloss und Garten. Und auch Koltzer, 1964 geboren, spielte als Kind dann in den Ruinen.

Mitte der 80er gehörte er zu den Gründern der Initiative, der letztlich der Wiederaufbau zu verdanken ist. Markantes Datum der ersten großen bürgerlichen, also nicht staatlich verordneten Bewegung, war das erste Pfingstbergfest. Am 10. Juni 1989 kamen 2000 bis 3000 Menschen auf dem Berg zusammen. Das 30-jährige Jubiläum wird jetzt gefeiert: am selben Ort, der heute so ganz anders aussieht.

Heute ist das imosante Schlösschen fertig saniert

„Das ist nicht mehr der verwunschene Ort, der er damals war und wo man hinkam, um in der Natur zu arbeiten“, sagt Koltzer. Heute ist das imposante Schlösschen mit Treppen, Wandelgängen und Türmchen im Stil der italienischen Renaissance im Grunde fertig saniert, auch wenn es kontinuierlich Arbeiten zu erledigen gibt. Mit der frisch sanierten Baumasse fremdelte Koltzer anfangs. „Aber jetzt kommt wieder Patina, der Natur-Sandstein an der Wetterseite setzt schon Farbe an.“

Seit den 1960er Jahren vergammelte das Belvedere auf dem Pfingstberg, geriet fast in Vergessenheit. Heute ist ein beliebtes Wahrzeichen Potsdams.
Seit den 1960er Jahren vergammelte das Belvedere auf dem Pfingstberg, geriet fast in Vergessenheit. Heute ist ein beliebtes Wahrzeichen Potsdams.

© Ralf Hirschberger/dpa

Die DDR beobachtete das Interesse ihrer Bürger für den Ort damals mit Misstrauen. Immerhin gelang es, die Initiative 1988 unter den Mantel des Kulturbundes der DDR zu stellen, was einer Anerkennung und Legalisierung gleichkam.

Wer mutig war, kletterte bis in die Türme

Das Schloss stand nach wie vor verlassen. Die Baumasse verfiel zunehmend, Wetter und Vandalismus setzten ihr zu, es wurde langsam gefährlich. Also wurde abgesperrt: „Im Eingangsbereich waren von innen Stahlplatten angeschraubt, der Seiteneingang zubetoniert“, sagt Koltzer. Es gab eine Luke, die sich mit Geschick öffnen ließ. War sie offen, sprach sich das unten in der Stadt unter den Alternativen und Punks schnell rum. Wer mutig war, kletterte bis in die Türme.

Ab 1988 trafen sich Mitglieder der AG Pfingstberg, darunter Wieland Eschenburg und der spätere Potsdamer Oberbürgermeister und märkische Ministerpräsident Matthias Platzeck, um zunächst die Parkanlage halbwegs wiederherzustellen. Mit privatem Werkzeug und Schubkarren wurde gerodet und in der Wildnis langsam das Gartendenkmal von einst wieder sichtbar. Die körperliche Arbeit im Grünen war für viele auch Ersatz dafür, kaum politischen Einfluss in dem Land zu haben. Dort konnte man trotzdem etwas anfangen und aktiv sein, so Koltzer.

Das Fest sollte verboten werden

Die Idee für das Fest kam auf, weil man Geld für Werkzeuge brauchte und den Ort stärker bekannt machen wollte. Der Potsdamer Grafiker Bob Bahra malte das Einladungsplakat mit sechs Visionen für das Schloss, ein kritischer Blick auf das Versagen der DDR. Prompt kam aus Berlin die Anweisung an den Kulturbund, das Fest zu verbieten, so Koltzer, die von der 2. Kreissekretärin des Kulturbunds Gott sei Dank abgewiegelt wurde. Das Fest war gerettet.

Ein weiteres Problem: Man hatte Angst, dass die Stasi Leute einschmuggeln und Ärger provozieren könnte. Die Organisatoren suchten auch deshalb ganz offiziell die Hilfe der Behörden und ließen von der Volkspolizei einige ihrer Mitglieder für einen Ordnungstrupp schulen. Problematisch war, dass es auf dem Berg keine Toiletten gab und deshalb Getränkeverkauf verboten war. „Aber Tee-Ausschenken war erlaubt“, sagt Koltzer, und so bat man die Russen, die Verpflegung mit Tee und Gulaschkanone zu übernehmen, was auch klappte.

Das Fest machte Mut

Das Fest wurde ein großer Erfolg. „Es war überwältigend, auch vor dem politischen Hintergrund, dem Wahlbetrug der Kommunalwahl im Mai und dem damals gerade passierten Massaker in Peking.“ Erleichterung, weil trotz vieler Stasileute im Publikum alles friedlich blieb. „Wir hatten natürlich Angst gehabt, dass die was provozieren.“

Das Fest machte jetzt Mut, sich weiter für den Erhalt des Belvederes einzusetzen. Dann kam die politische Wende, ein Jahr, in dem viele zunächst anderes zu tun hatten, als auf dem Pfingstberg zu arbeiten. Der Umbruch brachte aber auch Aufmerksamkeit und Spenden – und damit die Rettung dieses besonderen Ortes, an dem jetzt wieder gefeiert wird.

Pfingstbergfest am Montag von 15 bis 21 Uhr, der Eintritt zum Garten ist frei, Schlosseintritt 4,50 Euro.

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